Corona: Sorgen um Kissinger Asylbewerber
Bis zum 27. November standen 52 Bewohner der Unterkunft an der Auenstraße unter Quarantäne. Mariam Sanktjohanser, die Kontakt zu einigen Asylsuchenden hat, kritisiert die dortigen Zustände
Kissing Mariam Sanktjohanser aus Kissing macht sich Sorgen. In der Asylsunterkunft an der Auenstraße in Kissing leben zurzeit 52 Männer, die seit 16. November unter Quarantäne stehen, weil zehn Personen positiv auf Covid-19 getestet wurden. Nach ihren Informationen hätte diese Maßnahme am 24. November enden sollen, wurde aber nochmals verlängert. „Weder die Bewohner noch die Ehrenamtlichen erhalten eine Auskunft, wie lange die Quarantäne noch anhält“, schildert die Kissingerin. Als sie beim Gesundheitsamt in Aichach nachfragte, erhielt sie nur die Auskunft, dass die Behörde nicht zuständig sei. Wobei die für die Flüchtlinge zuständigen Stellen am Landratsamt wiederum auf das Gesundheitsamt verweisen. „Ich habe den Eindruck, dass die zuständigen Behörden gezielt eine Desinformation fördern“, so Mariam Sanktjohanser.
Dabei hätten einige Flüchtlinge, um die sie sich ehrenamtlich kümmert, wichtige Termine. „Ein Flüchtling hat starke psychische Beeinträchtigungen und hatte auch schon einen Termin beim Therapeuten, den er aufgrund der Quarantäne nicht wahrnehmen konnte“, schildert sie. Wann der Therapeut wieder einen freien Termin hat, stehe noch in den Sternen. Ein anderer Mann habe am 3. Dezember eine Gerichtsverhandlung, in der entschieden wird, ob seinem Asylantrag stattgegeben wird. „Darauf wartet er bereits seit mehreren Jahren und jetzt soll er das verschieben, obwohl er ein negatives Testergebnis vorweisen kann und die Quarantäne doch eigentlich schon vorbei wäre?“, fragt sich Sanktjohanser.
Wolfgang Müller, Sprecher am Landratsamt Aichach-Friedberg bestätigt die Maßnahmen: „Die betroffenen Personen wurden in eine externe Quarantäne-Unterkunft gebracht.“42 verbliebene Bewohner seien als enge Kontaktpersonen (KP I) eingestuft und deshalb wurde für die ganze Unterkunft Quarantäne angeordnet. Weil die positiven Fälle nicht alle auf einmal aufgetreten sind, wurde die Quarantäne verlängert und dauerte bis 27. November.
Sorgen macht sich Sanktjohanser auch deshalb, weil es in der Unterkunft kein Catering gebe, so wie es in Mering im Ankerzentrum gehandhabt wird. „Die Bewohner müssen sich über Kontakte nach draußen selbst mit Lebensmitteln versorgen’“, schildert die Kissingerin. Dieser Zustand sei untragbar, da nicht jeder Kontakte nach draußen habe und sie kein Bargeld haben. Dem widerspricht Müller: „Die Bewohner werden normalerweise durch einen vom Landratsamt beauftragten Catering-Service versorgt. Sie haben aber auch die Möglichkeit, sich über Freunde, Bekannte und Ehrenamtliche versorgen zu lassen. Die meisten Bewohner der dortigen Unterkunft haben sich für diese Alternative entschieden.“Auch das Landratsamt versorge die Bewohner bei Bedarf im Einzelfall durch Einkäufe.
Mariam Sanktjohanser, die aufgrund ihrer Bekanntschaft zu mehreren Flüchtlingen einen Einblick in Situation in Kissing hat, kritisiert die beengten Zustände, die ihrer Ansicht nach eher infektionsfördernd als -hemmend seien. „Und obwohl ein gesamter Trakt leer steht, weigern sich die zuständigen Verantwortlichen im Landratsamt, die Situation zu entzerren und einige Menschen in Einzelzimmern unterzubringen“, kritisiert Mariam Sanktjohanser. Das Landratsamt teilt diese Auffassung nicht: „Die räumlichen Verhältnisse in der Unterkunft sind nicht beengt, weil diese bei Weitem nicht voll belegt ist.“Die Unterkunft habe eine maximale Kapazität von etwa 144 Personen. „Aktuell wohnen dort 42 Personen, wenn die zehn ausquartierten Bewohner wieder zurückkehren, sind es 52 Menschen“, erklärt Müller. In der Unterkunft gibt es acht Abschnitte mit jeweils maximal 18 Plätzen, derzeit seien sechs Abschnitte mit durchschnittlich sieben
Personen belegt.Sanktjohanser kritisiert darüber hinaus, dass das Landratsamt weder für Schutzmasken noch für ausreichend Desinfektionsmittel sorge. „Laut Landratsamt ist das Aufgabe der Bewohner selbst. Da die meisten Menschen dort jedoch unter dem verfassungsrechtlichen Existenzminimum leben müssen, ist es ihnen nicht möglich, selbst für diese Ausgaben aufzukommen“, so Sanktjohanser.
Hierzu erklärt Müller: „Desinfektionsmittel steht in den Unterkünften zur Verfügung. Bei den Masken gibt es keinen Unterschied zu allen anderen Personen. Die Bewohner besorgen sich diese normalerweise mit ihren Einkäufen selbst. Sofern Bewohner während der Quarantäne neue Masken benötigen, unterstützt das Landratsamt.“
Da es seit Jahren keinen Internetzugang für die Bewohner gibt, könnten auch diejenigen, die wähdie rend der Quarantäne online ihren Unterricht weiter besuchen wollen, dies nicht leisten. „Einige der Menschen gehen zur Schule und werden jetzt vollständig abgehängt“, so Mariam Sanktjohanser.
Müller erläutert, dass Homeschooling in einer Männerunterkunft kein Thema sei. „Es leben dort ja keine Kinder.“Leitungsbasiertes Internet bestehe derzeit noch nicht, entsprechende Installationsarbeiten wurden jedoch bereits vorgenommen.
„Aufgrund der Situation ist zum eigenen Schutz den Ehrenamtlichen der Zutritt zur Unterkunft nicht gestattet“, bestätigt Müller. Die beiden hauptamtlichen Asylbeauftragten in Kissing Marlene Weiss und Petra Hamberger seien jedoch informiert. „Hier findet ein regelmäßiger Austausch statt. Diese stehen auch in Kontakt mit den Ehrenamtlichen“, so Müller.