Viele Bayern müssen ab 21 Uhr zu Hause bleiben
Gesundheit Strengere Kontrollen und Ausgangssperren: Ministerpräsident Markus Söder gingen die bisherigen Corona-Regeln nicht weit genug. In einer eilig einberufenen Kabinettssitzung schärfte das Kabinett nun nach
München „Die Lage ist leider ernst. Es reicht einfach nicht. Wir müssen mehr tun. Wir müssen handeln.“Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wählt an diesem Sonntag eindringliche Worte, um die Bürger in Bayern auf einen deutlich härteren Kurs im Kampf gegen die CoronaPandemie einzustimmen: Ausgangsbeschränkungen im gesamten Freistaat, nächtliche Ausgangssperren von 21 bis 5 Uhr in den CoronaHotspots, Verbot des kleinen Grenzverkehrs, schärfere Kontrollen der Regeln in Geschäften sowie in Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen, keine Silvesterpartys und deutlich weniger Präsenzunterricht in den Schulen. Das alles und erneut auch der Katastrophenfall soll bereits ab Mittwoch dieser Woche bis einschließlich 5. Januar gelten. Nur die Ausnahmeregelungen für die Weihnachtsfeiertage bleiben wie gehabt.
Plötzlich konnte es Söder nicht schnell genug gehen. Er wollte nicht bis zur nächsten regulären Kabinettssitzung
am Dienstag warten, sondern bestellte seine Ministerinnen und Minister bereits am Sonntag zu einer Sondersitzung ein, damit die Regelungen – allesamt auf Grundlage der Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz – zügig in Kraft treten können.
Söder begründet seine Eile mit der nicht ausreichenden Wirkung des milden Lockdowns, der deutschlandweit bereits gilt. Die Zahl der Neuinfektionen und die Zahl der Todesfälle seien einfach zu hoch. „Alle vier Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch an Corona, alle 20 Minuten in Bayern“, sagt Söder. Viele Krankenhäuser in Bayern seien voll. Es drohe eine Überlastung des Gesundheitssystems. „Es wäre eine moralisch und ethisch nicht zu verantwortende Handlungsweise, das einfach laufen zu lassen“, betont er. Die Regierung müsse handeln und es sei „sinnvoll, das noch vor Weihnachten zu tun“. Gleichzeitig will Söder – wie schon zuletzt – dem Landtag Gelegenheit zur Beratung geben. „Ich möchte das Ganze durch den Landtag absegnen lassen.“Mit der Beschlussfassung des Kabinetts am Sonntag werde es möglich, die Neuregelungen bereits am Dienstag im Plenum zu beraten und ab Mitternacht in Kraft zu setzen.
Die Freien Wähler in der Staatsregierung tragen den Beschluss mit. Ihr Chef, Wirtschaftsminister Hubert
Aiwanger, sprach zwar zuletzt mehr über Lockerungen als über mögliche Verschärfungen. Bei der Pressekonferenz am Sonntag aber stellt er sich hinter den jetzt noch einmal verschärften Kurs. „Es ist unser gemeinsames Ziel, im Januar wieder grünes Licht geben zu können für Dinge, die jetzt nicht gehen“, sagt Aiwanger und betont: „Öffnungsperspektive ist für mich ganz klar der 11. Januar. Es ist mein Wunsch, ab diesem Datum Lockerungen zuzulassen.“Und er fügt hinzu: „Das ist keine Änderung zu dem, was ich letzte Woche gesagt habe.“Söder ergänzt und korrigiert ihn: „Es ist nicht entscheidend, was wir jetzt wollen, sondern was wir tun müssen.“Es gebe, so der Ministerpräsident, einen „unmittelbaren Zusammenhang“zwischen Gesundheitsund Wirtschaftspolitik: „Wer den Gesundheitsschutz vernachlässigt, schädigt die Wirtschaft.“
Nahezu uneingeschränkte Zustimmung zum Kurs der Staatsregierung kommt von den Grünen im
Landtag. Die Fraktionschefs Katharina Schulze und Ludwig Hartmann appellieren an die Bürger, „diesen notwendigen Weg mitzugehen und im Bekannten- und Freundeskreis für die Akzeptanz der Maßnahmen zu werben, die am Ende viele Leben retten können“. Lediglich der Aufruf der Staatsregierung an die Wirtschaft, die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester für Betriebsferien zu nutzen, sollte ihrer Ansicht nach etwas stärker ausfallen.
Skeptischer sind die Reaktionen von SPD und FDP. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Ruth Waldmann, nennt zwar den Übergang zum Wechselunterricht an Schulen „richtig und überfällig“. Die Ausgangsbeschränkung ab 21 Uhr aber sei „eine sehr starke Freiheitseinschränkung“, die nichts bringe. Sie fordert stattdessen eine Maskenpflicht auf der Straße, „von der wir wissen, dass sie wirkt“. FDP-Fraktionschef Martin Hagen nennt die Corona-Beschlüsse „teils überfällig, teils überflüssig“. Zu begrüßen sei der bessere Schutz von Alten- und Pflegeheimen. Die Ausgangsbeschränkungen
„Alle vier Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch an Corona.“
Ministerpräsident Markus Söder
„Öffnungsperspektive ist für mich ganz klar der 11. Januar.“
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger
seien hingegen „reine Symbolpolitik“. Strikte Ablehnung der Maßnahmen kommt erneut von der AfD. „Nicht der Virus, sondern Söder ist außer Kontrolle geraten“, sagt Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner.
Auch die FDP-Bundestagsfraktion kritisiert die Verschärfungen in Teilen als Aktionismus. „Nicht alles, was der bayerische Ministerrat heute beschlossen hat, erscheint sinnvoll“, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionschef Stephan Thomae unserer Redaktion. „Die Bayerische Staatsregierung setzt auf das Rezept viel hilft viel“, fügte er hinzu. „Möglichst viele und möglichst rigide Maßnahmen sind für sich aber noch kein Garant für bestmögliche Wirkung. Die Nebenfolgen können indessen gravierend sein.“
Lesen Sie dazu auch den Kommen tar. Welche Regeln im Einzelnen gelten, erfahren Sie auf Bayern.