In den letzten Monaten der GroKo drohen faule Kompromisse
Union und SPD arbeiten den Koalitionsvertrag ab, doch die Ergebnisse können kaum überzeugen. Wichtige Zukunftsfragen bleiben dagegen unbeantwortet
Geht da noch was bei der GroKo? Werden sich Union und SPD in den letzten Monaten ihrer gemeinsamen Regierung gegenseitig blockieren? Wird aus wahlkampftaktischen Gründen keine Einigung über Gesetzesvorhaben mehr möglich sein? Tatsächlich dürfte genau das Gegenteil der Fall sein. Es wird noch viele Gesetze und Entscheidungen dieses Zweckbündnisses geben. Nur ist das für die Bundesbürger nicht unbedingt eine gute Sache. Denn es drohen faule Kompromisse, Gesetze, die verwässert sind, wenig bewirken, aber viel kosten. Die durch Schulden finanzierten CoronaSonderpakete verleiten nicht nur zu sinnvollen Ausgaben, sondern auch zu Wahlgeschenken.
Je näher der Urnengang rückt, desto weniger wird dann darüber gesprochen, wie diese Ausgaben wieder zurückgefahren und die Schulden abgebaut werden sollen. Der Koalitionsvertrag wird Punkt für Punkt abgearbeitet, doch der Bürger hat wenig davon. Ein Beispiel lieferte eben der Koalitionskompromiss zum Homeoffice-Gesetz. Das Thema betrifft durch die Pandemie Millionen von Arbeitnehmern. Doch statt des von der SPD geforderten Rechts, zeitweise von zu Hause aus zu arbeiten, gibt es nur ein Recht darauf, mit dem Chef mal darüber zu reden. Abgehakt, die SPD will sich nicht mehr verkämpfen, stand ja auch nicht im Koalitionsvertrag. Ähnlich ist es beim Gesetz, mit dem eigentlich die ausbeuterischen Zustände in der Fleischindustrie abgestellt werden sollten: Es enthält Schlupflöcher, Leiharbeit ist weiter möglich.
Die Union sieht viele Punkte im Koalitionsvertrag schlichtweg durch die zusätzlichen Ausgaben im Corona-Konjunkturpaket erfüllt. Mehr Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung. Gerade die CDU ist im Moment vor allem mit sich selbst und der Frage beschäftigt, wer Parteichef und
Kanzlerkandidat werden soll. Große eigene Initiativen fehlen, SPDForderungen werden zwar nicht blockiert, aber so gut es geht verwässert und entschärft. Die Frauenquote in Vorständen wird kommen, aber nur für eine Handvoll Unternehmen. Beim Lieferkettengesetz, das SPD und CSU fordern, steht die CDU voll auf der Bremse. Das geplante Lobbyregister lässt viele Lücken. Bei den Kinderrechten, die die SPD ins Grundgesetz schreiben will, fürchtet die Union eine zu starke Beschneidung der Elternrechte. Trotzdem wird es wohl irgendeinen wachsweichen Kompromiss geben.
Viel entgegenzusetzen hat die SPD dem nicht. Ein Druckmittel fehlt. Während die Union fast allein vom in der Pandemie gestiegenen Vertrauen der Bürger in die Regierung profitiert, stecken die Sozialdemokraten
tief im Umfragekeller. Einen Koalitionsbruch auf der Zielgeraden und dann auch noch in Krisenzeiten, das kann sich die SPD nicht leisten. Den Fehler, eine Regierung schlechtzureden, an der sie selbst beteiligt war, will sie kein weiteres Mal machen.
Eines der wenigen Pfunde, mit dem die Sozialdemokraten wuchern können, ist der Umstand, dass ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz Finanzminister ist. Dass er der Versuchung, Wahlkampf mit den Haushaltsmilliarden zu machen, nicht widerstehen kann, hat sich schon bei den üppig bestückten Corona-Paketen gezeigt. Bei Union und SPD wird sich in der GroKoRestlaufzeit alles darum drehen, keinen entscheidenden Fehler bei der Bekämpfung der Pandemie mehr zu machen. Doch wie geht es mit dem Rentensystem weiter? Was passiert mit der Wirtschaft nach dem Auslaufen der Kurzarbeit? Welchen Kurs nimmt Deutschland bei Migration und Integration? Antworten auf wichtige Zukunftsfragen sind von dieser Regierung kaum mehr zu erwarten.
Eigene Initiativen der Union fehlen