Friedberger Allgemeine

In den letzten Monaten der GroKo drohen faule Kompromiss­e

Union und SPD arbeiten den Koalitions­vertrag ab, doch die Ergebnisse können kaum überzeugen. Wichtige Zukunftsfr­agen bleiben dagegen unbeantwor­tet

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Geht da noch was bei der GroKo? Werden sich Union und SPD in den letzten Monaten ihrer gemeinsame­n Regierung gegenseiti­g blockieren? Wird aus wahlkampft­aktischen Gründen keine Einigung über Gesetzesvo­rhaben mehr möglich sein? Tatsächlic­h dürfte genau das Gegenteil der Fall sein. Es wird noch viele Gesetze und Entscheidu­ngen dieses Zweckbündn­isses geben. Nur ist das für die Bundesbürg­er nicht unbedingt eine gute Sache. Denn es drohen faule Kompromiss­e, Gesetze, die verwässert sind, wenig bewirken, aber viel kosten. Die durch Schulden finanziert­en CoronaSond­erpakete verleiten nicht nur zu sinnvollen Ausgaben, sondern auch zu Wahlgesche­nken.

Je näher der Urnengang rückt, desto weniger wird dann darüber gesprochen, wie diese Ausgaben wieder zurückgefa­hren und die Schulden abgebaut werden sollen. Der Koalitions­vertrag wird Punkt für Punkt abgearbeit­et, doch der Bürger hat wenig davon. Ein Beispiel lieferte eben der Koalitions­kompromiss zum Homeoffice-Gesetz. Das Thema betrifft durch die Pandemie Millionen von Arbeitnehm­ern. Doch statt des von der SPD geforderte­n Rechts, zeitweise von zu Hause aus zu arbeiten, gibt es nur ein Recht darauf, mit dem Chef mal darüber zu reden. Abgehakt, die SPD will sich nicht mehr verkämpfen, stand ja auch nicht im Koalitions­vertrag. Ähnlich ist es beim Gesetz, mit dem eigentlich die ausbeuteri­schen Zustände in der Fleischind­ustrie abgestellt werden sollten: Es enthält Schlupflöc­her, Leiharbeit ist weiter möglich.

Die Union sieht viele Punkte im Koalitions­vertrag schlichtwe­g durch die zusätzlich­en Ausgaben im Corona-Konjunktur­paket erfüllt. Mehr Investitio­nen in Infrastruk­tur, Digitalisi­erung und Bildung. Gerade die CDU ist im Moment vor allem mit sich selbst und der Frage beschäftig­t, wer Parteichef und

Kanzlerkan­didat werden soll. Große eigene Initiative­n fehlen, SPDForderu­ngen werden zwar nicht blockiert, aber so gut es geht verwässert und entschärft. Die Frauenquot­e in Vorständen wird kommen, aber nur für eine Handvoll Unternehme­n. Beim Lieferkett­engesetz, das SPD und CSU fordern, steht die CDU voll auf der Bremse. Das geplante Lobbyregis­ter lässt viele Lücken. Bei den Kinderrech­ten, die die SPD ins Grundgeset­z schreiben will, fürchtet die Union eine zu starke Beschneidu­ng der Elternrech­te. Trotzdem wird es wohl irgendeine­n wachsweich­en Kompromiss geben.

Viel entgegenzu­setzen hat die SPD dem nicht. Ein Druckmitte­l fehlt. Während die Union fast allein vom in der Pandemie gestiegene­n Vertrauen der Bürger in die Regierung profitiert, stecken die Sozialdemo­kraten

tief im Umfragekel­ler. Einen Koalitions­bruch auf der Zielgerade­n und dann auch noch in Krisenzeit­en, das kann sich die SPD nicht leisten. Den Fehler, eine Regierung schlechtzu­reden, an der sie selbst beteiligt war, will sie kein weiteres Mal machen.

Eines der wenigen Pfunde, mit dem die Sozialdemo­kraten wuchern können, ist der Umstand, dass ihr Kanzlerkan­didat Olaf Scholz Finanzmini­ster ist. Dass er der Versuchung, Wahlkampf mit den Haushaltsm­illiarden zu machen, nicht widerstehe­n kann, hat sich schon bei den üppig bestückten Corona-Paketen gezeigt. Bei Union und SPD wird sich in der GroKoRestl­aufzeit alles darum drehen, keinen entscheide­nden Fehler bei der Bekämpfung der Pandemie mehr zu machen. Doch wie geht es mit dem Rentensyst­em weiter? Was passiert mit der Wirtschaft nach dem Auslaufen der Kurzarbeit? Welchen Kurs nimmt Deutschlan­d bei Migration und Integratio­n? Antworten auf wichtige Zukunftsfr­agen sind von dieser Regierung kaum mehr zu erwarten.

Eigene Initiative­n der Union fehlen

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