Friedberger Allgemeine

Eine ehrliche Delikatess­e

Kartoffeln sind tolle Knollen. Der experiment­ierfreudig­e Landwirt Alexander Fuchs baut auch rotfleisch­ige oder violette Sorten an, alles in Bio. Experiment­e sind seine Sache

- VON ANDREA SCHMIDT FORTH

Schrobenha­usen Bruno, ein italienisc­her Freund unserer Familie, war Gastronom in München und ein Gourmet. Doch fragte man ihn nach seinem Leibgerich­t, wünschte er sich stets „eine gute gekochte Kartoffel mit einem Stück Butter“. Auch Peter Glandien lässt auf die Kartoffel, für manche nur eine stärkehalt­ige Knolle, nichts kommen: „Kartoffeln sind eine einfache, ehrliche und preiswerte Delikatess­e.“Wer Qualität sucht, findet sie beim Bauern seines Vertrauens, in Hofläden, am Stadtmarkt, in gut sortierten Bioläden oder bei Versandhän­dlern wie Glandien, der in der Nähe von Landsberg ausgesucht­e Naturwaren vertreibt. Dazu gehören dutzende besonderer Kartoffels­orten aus Franken, Frankreich, der Heide, von den Kanaren und – ja – aus dem Wittelsbac­her Land. Ist schließlic­h Süddeutsch­lands größtes zusammenhä­ngendes Kartoffela­nbaugebiet.

Kartoffeln schmecken nicht nur gut, sondern sind auch gesund: Bereits eine mittelgroß­e Kartoffel liefert den halben Tagesbedar­f eines Erwachsene­n an Vitamin C, dazu signifikan­te Mengen an Vitamin B, Eisen, Kalium und Zink. Eigentlich ein Herbstgemü­se, speichern sie, gut gelagert, den ganzen Winter ihre wertvollen Nährstoffe. Im September geerntete Lagerkarto­ffeln gibt es bis ins Frühjahr hinein.

„Die Tentation geben wir sogar erst im Mai in den Handel“, erzählt Alexander Fuchs, der Glandien von seinem Hof in Schrobenha­usen aus beliefert. Die Tentation, der Name kommt aus dem Französisc­hen und heißt „Versuchung“, ist eine wohlschmec­kende festkochen­de Sorte, laut Fuchs „ideal für Kartoffels­alat und Bratkartof­feln“und besonders lang lagerfähig, weil sie „extrem keimruhig“ist. Um diese Spezialitä­t noch „ruhiger“zu machen, baut Fuchs sie auf Moorböden bei Brunnen an, wo seine Mutter herkommt. Mindestens 20 Sorten Speisekart­offeln kultiviere­n der Bioland-Landwirt und seine Frau, dazu Pflanzkart­offeln für den eigenen Bedarf und den Verkauf an andere Biobauern sowie spezielle Sorten für die Kartoffelc­hips-Herstellun­g.

Etwa ein Viertel der Felder ist dem Anbau von Biokartoff­eln gewidmet, auf weiteren 40 Hektar wachsen noch mal rund 20 Sorten Gemüse von Buschbohne­n bis zur Schwarzwur­zel. Das geht natürlich nur mit Unterstütz­ung. Eva und Alexander Fuchs kooperiere­n mit anderen Landwirten, bauen auf deren Äckern an, wenn es die Fruchtfolg­e erfordert, helfen Kollegen mit ihren Maschinen bei der Feldarbeit oder geben Klee fürs Milchvieh im Austausch für Wirtschaft­sdünger.

Aktuell ist die Ernte eingefahre­n. Allein 250 Tonnen Lagerkarto­ffeln sind im Stadel in riesigen Holzkisten bis zur Decke gestapelt. Doch die Hauptarbei­t hat erst begonnen: „Vor Weihnachte­n bis nach Silvester ist die Nachfrage besonders groß, da wird am meisten gekocht“, erzählt Alexander Fuchs. Deshalb wird fleißig sortiert und abgepackt. Von Montag bis Samstag fährt der Lkw die Ware zu den Abnehmern aus: darunter drei Biogroßhän­dler, sechs Abokisten, in Augsburg die „Rollende Gemüsekist­e“, mehrere Hofläden und Vermarktun­gsgemeinsc­haften.

1999 übernahm Fuchs den Hof und stellte auf Biobetrieb um. Fuchs, inzwischen 49 Jahre alt, hat es nicht bereut. Auch wenn die Arbeit in der Landwirtsc­haft nie ausgeht. „Ein Biobauer muss noch mehr planen und vorausscha­uend agieren, weil er weniger Mittel zur Verfügung hat und die Zeitfenste­r für manche Maßnahmen der Schädlings­bekämpfung kleiner sind“, erklärt Fuchs. Beispiel Kartoffelk­äfer: Der frisst ein ganzes Feld im Handumdreh­en ab, wenn man den richtigen Zeitpunkt verpasst, um ihn entweder mit einer speziellen Maschine abzuschütt­eln oder um den Larven mit einem Extrakt des Neembaums den Garaus zu machen. „Im konvention­ellen Anbau kann man im Zweifel immer noch synthetisc­he Spritzmitt­el anwenden.“

Im Bioanbau sind Herbizide und Pestizide tabu. Gedüngt wird mit Gülle, Mist oder organische­n Düngern und über die traditione­lle Fruchtfolg­e mit Kleegras und Leguminose­n. „Die Kartoffel ist zwar ein Starkzehre­r, die Kunst besteht jedoch darin, sie nicht zu stark zu düngen, sondern sie am Ende des

Wachstums sogar ein bisschen hungern zu lassen, bis sie sich mit ihren feinen Wurzelhärc­hen Nährstoffe, Spurenelem­ente und Aromen erschließt. So nimmt sie in der Regel auch nur so viel Nährsalze und damit auch Wasser auf, wie sie sinnvoll verarbeite­n kann, und wächst nicht zu schnell. Das schmeckt man.“

Wann Kartoffeln erntereif sind, hängt von mehreren Faktoren ab: der Größe, dem Stärkegeha­lt und dem Wetter. Sonne hilft, wenn noch etwas Stärke fehlt, Regen kann helfen, wenn eine Kartoffel schon sehr viel Stärke hat, diese wieder zu „verdünnen“. Auf jeden Fall darf ein Bauer nicht faul sein, sondern muss regelmäßig Proben nehmen und den Stärkegeha­lt prüfen.

Alexander Fuchs, der bis vor kurzem selbst Kartoffela­nbauberate­r war, probiert gern immer wieder neue Sorten aus, wie etwa die Chateau (französisc­h Schloss), eine „sehr gute neue Sorte aus Holland, tiefgelb, festkochen­d, ein bisschen ein Sensibelch­en, bei Krautfäule nicht sehr robust, aber insgesamt ein Gewinn für die Kartoffelw­elt“.

Von Karsten Ellermann, dem niedersäch­sischen Kartoffelb­auern, der maßgeblich mit an der Rettung der beliebten Sorte „Linda“beteiligt war, hat er dieses Jahr die Sorte „Heidemarie“mit in sein Sortiment aufgenomme­n. Aber auch alte Sorten wie die Salatkarto­ffel Nicola weiß er nach wie vor zu schätzen. Nur mit der Augsburger Gold war er nicht ganz glücklich: Wenn eine alte Sorte nicht gut gepflegt wurde, hat sie viele Virosen und das wirkt sich auf Ertrag und Qualität aus.

Gern stellt er einmal im Jahr seinen Hof für die „Sortenscha­u“des Biolandber­aters Christian Landzettel zur Verfügung, zu dem Interessen­ten bis aus Österreich und der Schweiz nach Schrobenha­usen kommen, um sich über Neuerungen in der Zucht auszutausc­hen. Die Verbrauche­r sind anspruchsv­oller geworden, stellt er fest. Es kommt längst nicht mehr allein auf den Geschmack an, sondern genauso auf die Optik, die Lagerfähig­keit und die Resistenz gegen Krautfäule.

Fuchs Favoritin ist die Sorte Laura: knallgelb mit roter Schale, vorwiegend festkochen­d, im Geschmack buttrig und gut. Sie stammt aus der Kartoffelz­ucht Böhm, die auch die Kartoffels­orte Linda hervorbrac­hte. Aus dem Boden holt man sie „mittelfrüh“. Wenn sie gekocht ist, sollte man sie gleich verspeisen, denn sie dunkelt sonst nach, sagt Fuchs. Er kennt seine Kartoffeln eben wie kein Zweiter.

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Foto: Andrea Schmidt Forth Alexander Fuchs kennt sich mit Kartoffeln aus. Der Biobauer aus Schrobenha­usen ex perimentie­rt auch gerne.

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