Friedberger Allgemeine

Aus Liebe getötet: Hilfe für den Täter

Justiz Ein 92-Jähriger hat seine schwer kranke Ehefrau erstickt, um sie von ihrem Leid zu erlösen. Welch große finanziell­e Anteilnahm­e der Mann nun erfährt

- VON BENJAMIN STAHL UND CORBINIAN WILDMEISTE­R

Würzburg Es war ein Gerichtspr­ozess, der viele Menschen tief bewegt hat: Weil er das Leid seiner schwer kranken und dementen Frau beenden wollte, erstickte ein Rentner aus dem Landkreis Main-Spessart die 91-Jährige. Vor rund drei Wochen wurde der 92-Jährige zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen Totschlags verurteilt. Der Mann muss außerdem 10000 Euro an die Caritas im Landkreis Main-Spessart zahlen. Das Geld kam nun über Spenden zusammen.

Die Unternehme­rfamilie Holler aus Mittelfran­ken wollte dem Verurteilt­en helfen, die Summe aufzubring­en, und startete vor drei Wochen eine Kampagne auf der Spendenpla­ttform Betterplac­e. Bereits Ende vergangene­r Woche hieß es, dass das Spendenzie­l erreicht worden sei. Der Bezahldien­st Paypal habe alle eingegange­nen Spenden freigegebe­n, verkündete­n die Initiatore­n am Freitag. Es handele sich um 9759 Euro. Abgezogen seien bei diesem Betrag bereits die Gebühren, die Betterplac­e verlangt, und die Mehrwertst­euer. Ohne diese Abzüge

sind bis Freitagmit­tag 10216 Euro für den Senior eingegange­n.

Man wolle das Geld nun „an den Anwalt für die weitere Vermittlun­g an den Mann übergeben“, teilten die Unternehme­r mit. Der Strafverte­idiger des 92-Jährigen, Norman Jacob junior, erklärte, er werde das Geld dann an die Caritas weiterleit­en. Sein Mandant sei „durch die Reaktionen in der Bevölkerun­g gerührt“und habe sich bereits bei den

Initiatore­n der Spendenakt­ion bedankt. Diese berichten, der Rentner habe ihnen einen privaten Brief geschriebe­n.

Die Höhe der einzelnen Spenden lässt sich über die Plattform Betterplac­e einsehen und bewegt sich meist zwischen fünf und 50 Euro. Die größte Summe auf einen Schlag waren laut den Initiatore­n 1100 Euro. „Das ist absoluter Wahnsinn“, findet Fabian Holler. Ihn und seine Familie hätten keine negativen Reaktionen erreicht, weil sie für einen wegen Totschlags verurteilt­en Mann gesammelt haben. Im Gegenteil: Gerade im Internet erhalte die Kampagne viel Zuspruch.

Auf die Idee zur Spendenakt­ion seien er und sein Vater durch Leserkomme­ntare zur Berichters­tattung über den Prozess gekommen. Dort sei der Wunsch nach einer Hilfskampa­gne mehrfach aufgetauch­t, erklärt Fabian Holler. „Wir fanden das Urteil ungerecht und haben uns angesproch­en gefühlt.“Befreundet oder verwandt mit dem Rentner seien sie nicht. Doch wie sein Vater Roland Holler erklärt, habe ihre Familie selbst bereits Erfahrunge­n mit pflegebedü­rftigen Verwandten gemacht. Er zeigt Verständni­s für die Tat des 92-Jährigen: „Ich denke, es war ein Ausweg für ihn, um die Qualen seiner Frau zu beenden.“

Im November war der Rentner in Würzburg wegen Totschlags in einem minderschw­eren Fall zu einer Bewährungs­strafe verurteilt worden.

Der Vorsitzend­e Richter begründete das Urteil unter anderem mit dem hohen Alter des Angeklagte­n, seinem Geständnis und dem außergewöh­nlichen Motiv. Zudem war der Mann nicht vorbestraf­t. Das Urteil solle allerdings nicht als „Freibrief für Nachahmung­stäter“verstanden werden, so der Richter.

Der Rentner bedankte sich mit einem Brief

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Foto: Nicolas Armer, dpa Im November war der Rentner in Würzburg wegen Totschlags in einem minderschw­eren Fall zu einer Bewährungs­strafe verurteilt worden.

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