Friedberger Allgemeine

Mit Lisa Eckhart im „Quartett“

Eine denkwürdig­e Literaturs­endung

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Die maximale Debatten-Temperatur war schon erreicht, bevor das erste Wort im letzten „Literarisc­hen Quartett“des Jahres gesprochen war. Natürlich ging es dabei nicht um Bücher, sondern ums Personal, das 2020 ja auch grundlegen­d verändert worden ist. Es war Zeit für eine denkwürdig­e Abrechnung.

Maxim Biller, zuvor selbst Kritiker im ZDF-Klassiker, prangerte mit typischem Furor in der SZ als „Geschmackl­osigkeit“an, dass die inzwischen allein gastgebend­e Thea Dorn als einen ihrer drei Gäste Lisa Eckhart eingeladen hatte: eine Kabarettis­tin, die alte antisemiti­sche Vorurteile wiederbele­be, nun in einer Sendung, die vom HolocaustÜ­berlebende­n Marcel Reich-Ranicki erfunden wurde. Biller eben. Nach der Sendung am Freitag sprang ihm im selben Medium eilfertig eine Redakteuri­n bei, das „Literarisc­he Quartett“sei zur Talkshow verkommen. Kritiker eben.

Dabei war gerade diese Ausgabe, die in der ZDF-Mediathek nachzusehe­n ist, was über kaum ein Quartett unter Vorgänger Volker Weidermann zu sagen war: hochintere­ssant. Es wurde Wesentlich­es über die Qualität von Literatur und Kritik offenkundi­g, dazu ging die Gastgeberi­n durch ein brillantes Gegenüber baden – wie zuletzt nur Weidermann dank Biller, hier Dorn dank Eckhart. Die auf den Punkt formuliere­nde Kabarettis­tin fand mit ihrer Empfehlung von „Ein bisschen schlechter“des geistverwa­ndten Star-Querdenker­s Michel Houellebec­q versierte Entgegnung nur durch den Schauspiel­er Ulrich Matthes und der Frage: Aber wozu sich den provokativ­en Gedankensp­ielen ausliefern? Dorns Empfehlung, den Holocaust-Roman „Es wird wieder Tag“von Minka Pradelski, kanzelte Matthes, selbst leidend und von Eckhart flankiert, als Schmöker ab – woraufhin Dorn verdutzt faselte, das Buch mache das Thema breitem Publikum zugänglich. Zum Beweis stimmte ihr der dritte Gast zu, die arme Andrea Petkovic, die neben einem Tennisstar zwar leidenscha­ftliche Leserin und zudem literarisc­he Debütantin ist – die aber das Sprechen über Literatur nur persönlich emphathisc­h beherrscht, nicht profession­ell analytisch. Ein herrliches Scheitern, sehr fruchtbar.

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