Es ist höchste Zeit, dass Löw endlich spricht
DFB-Direktor Oliver Bierhoff wirkt in diesen Tagen wie jemand, der in einem in Flammen stehenden Haus mit einem Feuerlöscher von einem Brandherd zum nächsten rennt. Schon vor der historischen 0:6-Packung gegen Spanien hatte Bierhoff in einer Pressekonferenz für einen wohlwollenderen Umgang mit der Nationalmannschaft geworben. Nach der Demontage in Sevilla und der internen Fehleranalyse, die ergab, dass man mit Löw weitermachen wolle, ist der Ex-Stürmer erneut der Erste aus dem DFB-Tross, der sich zu Wort meldete. Mit einem Powerpoint-Vortrag und dem Verweis, doch bitteschön nicht alles anhand eines Spiels zu bewerten.
Dass Bundestrainer Joachim Löw sich lange schweigend zurückhielt, missfällt nicht nur Bayern-Boss Karl Heinz Rummenigge. Der verweist zurecht darauf, dass der Trainer in der sportlich ersten Reihe steht und folglich als Erster eine Auskunft schuldig wäre. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass selbst die Ankündigung, dass Löw sich am Montag öffentlich äußern werde, ebenfalls zuerst von Bierhoff kommuniziert wurde. Fast schon beschwichtigend wirkten die Beteuerungen Bierhoffs, dass der Bundestrainer sich erklären werde.
Löw wird heute sein Schweigen brechen. Und doch scheint es, dass dieses lange Abtauchen des Bundestrainers ein Teil des Problems der Nationalmannschaft ist.
Eigentlich sollte es in Löws Interesse liegen, Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen, die ihm gemacht werden. Doch der 60-Jährige reagiert seit längerem bei Kritik dünnhäutig, phasenweise sogar abgehoben. Nach der verpatzten WM 2018 sprach er selbst diesen Wesenszug sogar an und sagte, dass er „stellenweise arrogant“agiert hätte. Diese Einsicht hat offenbar nicht lange angehalten. Als er im Oktober mit Kritik an seiner Person konfrontiert wurde, antwortete er „über den Dingen“zu stehen.
Nun wird Löw also sprechen. Erst, nachdem von außen Druck aufgebaut wurde. Erst, nachdem bekannt wurde, dass DFB-Präsident Fritz Keller sich wohl am liebsten im Sommer von ihm getrennt hätte. Erst, nachdem drei Wochen seit der höchsten Niederlage einer deutschen Mannschaft seit fast 90 Jahren vergangen sind.
Zu besprechen gibt es genug. Kritik an einer deutschen Mannschaft, die seit Jahren keinen begeisternden Fußball mehr spielt, obwohl ein Großteil der Spieler bei ihren Vereinen große Erfolge feiert, gibt es zur Genüge. Die Frage ist nur, ob Löw noch in der Lage ist, diese Kritik an sich ranzulassen, um sie konstruktiv zu verarbeiten. Sein langes und lautes Schweigen deutet auf etwas anderes hin.