Friedberger Allgemeine

Ein Spiel wie Müller

Der FC Bayern und RB Leipzig liefern sich ein wildes Spitzenspi­el. Nicht immer feinfüßig, aber mit selten hoher Intensität. Klar, dass Münchens Original da seinen Spaß hat

- VON TILMANN MEHL

München Mitte der zweiten Halbzeit reichte es dann Hansi Flick endgültig. Der Mann ist die personifiz­ierte Geduld. Aber irgendwann ist auch bei ihm Schluss mit lustig. Oder auch mit gar nicht mal so lustig. Flick hatte bereits zwei Mal lange und intensive Blicke hinüber zur Leipziger Trainerban­k geworfen. Dort war ja auch allerhand zu sehen. Mit Julian Nagelsmann ein Verantwort­licher, der 90 Minuten seine Mannschaft stehend antrieb, jede Entscheidu­ng des Schiedsric­hters lautstark kommentier­te und auch mit Kritik an seinen eigenen Spielern recht offen umging. Dazu noch sämtliche Ersatzspie­ler, Co-Trainer, Physiother­apeuten und allerhand andere Angestellt­e, die heutzutage unter dem Sammelbegr­iff „Staff“subsumiert werden – sie alle taten es Nagelsmann gleich. Ein einziges Zetern und Anpeitsche­n über das komplette Spiel hinweg. Schließlic­h also genügte es dann Flick. Trotz des mal wieder menschenle­eren Stadions hatte er Probleme damit, zu seinen Spielern durchzudri­ngen. „Jetzt bleib doch endlich einmal sitzen und kommentier nicht alles“rief er der Leipziger Bank zu und könnte damit jeden Einzelnen gemeint haben.

Leipziger dies- und jenseits der Spielfeldb­egrenzung gingen das Spiel in München derart intensiv an, dass nicht auf sämtliche gesellscha­ftliche Konvention­en Rücksicht genommen werden konnte. Sie wurden für ihren forschen Auftritt beim 3:3 immerhin mit einem Punkt belohnt, und hätte Nagelsmann nicht ab der 60. Minute angefangen, Personal für das Champions-LeagueSpie­l am Dienstag gegen Manchester United zu schonen: Die Liga hätte wahrschein­lich einen neuen Tabellenfü­hrer.

So aber retteten sich die Bayern immerhin zu einem Zähler. Hauptveran­twortliche­r dafür war Thomas Müller, der seine Mannschaft in der ersten Halbzeit für zumindest eine Minute in Führung gebracht hatte und in der 75. Minute mit einem Kopfball für den Endstand sorgte. Nicht zu vergessen sein Fehlpass, mit dem er das 0:1 durch Christophe­r Nkunku einleitete. Es war ein Spiel, das wie gemacht schien für Müller. Die Leipziger gingen im Mittelfeld derart engagiert zu Werke, dass Zweikampf auf Zweikampf folgte und dementspre­chend häufig der Ball eigenwilli­ge Wege nahm. Wege, die niemand besser erahnen kann als Müller. Seine beiden Treffer allerdings entsprange­n feiner

Vorarbeite­n von Kingsley Coman. Auch deswegen strich Flick den Außenstürm­er heraus – und tadelte somit auch zart dessen Konkurrent­en: „Wir haben vier Außenstürm­er, die eine sehr gute Qualität haben. Im Moment ist Kingsley Coman der, der Akzente setzt, der Tore macht, der Torgefahr ausstrahlt, der Tore vorbereite­t, der einen guten Blick für den Raum hat. Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht. Das ist das Niveau, das wir von allen wünschen.“Eine Botschaft wohl vor allem an Leroy Sané, der gegen Leipzig in der Anfangsfor­mation stand, allerdings keine nennenswer­ten Offensivak­tionen beisteuert­e und immer wieder Ermunterun­g benötigte, um diese lästige Defensivar­beit zu verrichten.

Weil Flick zudem auch noch den angeschlag­enen Lucas Hernández ersetzen musste und im Mittelfeld der vor kurzem als überschüss­ig empfundene Javi Martínez neben Leon Goretzka agierte (ehe Jamal Musiala für den verletzten Spanier eingewechs­elt wurde), offenbarte­n die Münchner nun schon zum wiederholt­en Male erhebliche Löcher. „Da müssen wir uns im Trainertea­m Gedanken machen, ob wir vielleicht etwas anpassen“, so Flick. Möglicherw­eise also werden die MünchDie ner bis zur Winterpaus­e nicht mehr gar so viel Platz hinter ihrer Viererkett­e lassen. In der vergangene­n Saison war dieser Kniff zwar einer der Hauptgründ­e für das dominante Spiel der Bayern, da konnten die Münchner aber auch noch Spiel für Spiel auf das gleiche Personal zurückgrei­fen. Diesmal zeigten sich doch erhebliche Abstimmung­sprobleme zwischen Niklas Süle und Jérôme Boateng.

Auf der anderen Seite des Spielfelde­s degradiert­en dagegen Dayot Upamecano und Ibrahima Konaté Top-Torjäger Robert Lewandowsk­i zum Statisten. Dass die Münchner trotzdem zu drei Toren kamen, zeugt von den vielerlei Möglichkei­ten der Bayern zu Treffern zu kommen. Eine besondere Qualität des alten und neuen Tabellenfü­hrers. Bayern München Neuer – Pavard, Boa teng (84. Richards), Süle, Alaba – Goretz ka, Javi Martínez (25. Musiala) – L. Sané (64. Gnabry), Müller, Coman (83. Douglas Costa) – Lewandowsk­i RB Leipzig Gulacsi – Mukiele (72. Olmo), Konaté, Upameca no, Angeliño – Adams – Haidara (78. Sör loth), Sabitzer (72. Kampl) – Kluivert (78. Orban), Forsberg (62. Poulsen), Nkunku Tore 0:1 Nkunku (19.), 1:1 Musiala (30.), 2:1 Müller (34.), 2:2 Kluivert (36.), 2:3 Forsberg (48.), 3:3 Müller (75.) Schieds richter Daniel Siebert (Berlin)

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Thomas Müller sorgt für den Schlusspun­kt: Der Offensivma­nn setzte sich energisch gegen Leipzigs Abwehr durch und köpfte die feine Flanke Comans zum 3:3 ins Tor. „Am Ende können wir damit leben, müssen wir damit leben“, so Müller. Klar: Immerhin bleiben die Bayern so Tabellenfü­hrer.
Foto: Sven Hoppe, dpa Thomas Müller sorgt für den Schlusspun­kt: Der Offensivma­nn setzte sich energisch gegen Leipzigs Abwehr durch und köpfte die feine Flanke Comans zum 3:3 ins Tor. „Am Ende können wir damit leben, müssen wir damit leben“, so Müller. Klar: Immerhin bleiben die Bayern so Tabellenfü­hrer.

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