Friedberger Allgemeine

Wie sich eine Videothek noch immer halten kann

Freizeit In Lechhausen gibt es eine der letzten Einrichtun­gen ihrer Art in Augsburg. Inhaberin Renate Lochbrunne­r erzählt, warum sie trotz der Konkurrenz durch das Internet an ihrem Geschäft festhält

- VON LARA REILE

Betritt man die Videothek im Augsburger Stadtteil Lechhausen, fühlt man sich, als würde man eine Reise in die Vergangenh­eit unternehme­n – etwa 20 bis 30 Jahre zurück, in die Hochphase der Videotheke­n. Als Erstes erblickt man die hohen Regale, in denen hunderte DVD- und Blu-Ray-Hüllen nebeneinan­der aufgereiht sind. Für den perfekten Filmabend kann man sich am Eingang auch eine kühle Cola und Snacks mitnehmen. Weiter hinten stehen einige Kabinen, die fast wie Raumschiff­e anmuten und an deren Seitenwänd­en groß „Internetca­fé“steht. Dort kann man für wenige Cent einige Minuten ins Internet gehen. Die Kabinen erinnern an die Zeiten, als das Word Wide Web noch Neuland war und der Großteil der Menschen keinen Internetan­schluss zu Hause hatte. In der Mitte des Raumes hängt ein Schild, das auf die Abteilung mit den Erwachsene­n-Filmen im Keller verweist. Nur die Kunden, die kommen nicht mehr so zahlreich wie noch vor 30 Jahren.

Die Videothek wurde 1984 gegründet und ein Jahr später von Renate Lochbrunne­r und ihrem Mann Luitpold übernommen. Die beiden führten bereits eine Videothek in Donauwörth und wollten eine weitere in ihrer Heimatstad­t Augsburg eröffnen, auch weil das Geschäftsm­odell damals im Trend lag. Außerdem interessie­rten sich die Lochbrunne­rs in ihrer Freizeit für Filme und machten damit gewisserma­ßen ihr Hobby zum Beruf. Renate Lochbrunne­r erinnert sich gern an diese Hochphase des Videoverle­ihs zurück: „Das war eine schöne Zeit. Früher kamen alle 14 Tage Vertreter, die uns neue Filme präsentier­t haben. Wir Videotheka­re wurden umschwärmt.“

Nicht nur bei den Vertretern von Filmvertri­eben, sondern auch bei den Kunden war das Geschäftsm­odell beliebt. Das lag auch an den hohen Kaufpreise­n der VHS-Kassetten, denn für einen neuen Film musste man über hundert D-Mark bezahlen. Für Privatpers­onen rentierte es sich deswegen kaum, Filme zu kaufen, und stattdesse­n wurde lieber ausgeliehe­n. Früher seien Videotheke­n Selbstläuf­er gewesen, erzählt auch Jürgen Mayr, 55, Mitarbeite­r in der Videothek. Er arbeitet seit rund 20 Jahren in der Branche und hat die Veränderun­gen deutlich mitbekomme­n: „Heute muss man sich um die Kunden bemühen und sich immer wieder ihren Wünschen anpassen.“

Die Hochzeit der Videotheke­n gehört der Vergangenh­eit an, der Videokonsu­m hat sich ins Internet verlagert. Streamingd­ienste wie Netflix oder Amazon Prime wachsen immer weiter und auch Sexfilme lassen sich im Netz abrufen. Währenddes­sen schrumpft die Zahl der Videotheke­n kontinuier­lich. Das zeigt sich auch in Lechhausen. Renate Lochbrunne­r sagt, dass die Videothek sich nicht mehr länger nur über den Verleih und Verkauf von DVDs, Blu Rays und Videospiel­en finanziere­n kann. Nach und nach habe sie ihr Angebot erweitert, damit weiter Kunden in den Laden kommen. Inzwischen befindet sich dort zusätzlich ein Paketshop, ein Copyshop, das Internetca­fé und auch Getränke sowie Zigaretten

man kaufen. Die anderen Geschäftsz­weige dienen vor allem dazu, dass das Herzstück der Videothek, der Verleih und Verkauf von Filmen, weiterlauf­en kann.

Die meisten Kunden kommen heute wegen des Paketshops vorbei, berichtet Lochbrunne­r. Pro Tag kämen im Schnitt nur noch etwa zehn Kunden, die tatsächlic­h Filme ausleihen wollen. Sie gehören meistens zur älteren Generation, für die Videotheke­n und Filmverlei­he noch fest zur Abendunter­haltung gehören. „Die bringt eine Mischung aus Nostalgie und Vorbehalte gegen neue Medien zu uns“, erklärt Jürgen Mayr. Manche kämen auch, um sich Horrorfilm­e auszuleihe­n, die aufgrund der Altersbesc­hränkung nicht im Fernsehen gezeigt werden. Auch wenn sie einen aktuellen, besonders begehrten Film ins Sortiment aufnehmen, wachse der Andrang wieder. Das Internetca­fé wird dagegen vor allem von Leuten genutzt, die sich selbst keinen Internetzu­gang leisten wollen oder sich nicht mit der Technik auseinande­rsetzen möchten. Oder die Besucher kommen vorbei, weil ihre eigenen Geräte zu Hause streiken. Das beobachtet auch Mayr: „Wenn es bei einem Internetan­bieter einen Ausfall gibt, merken wir das sofort. Dann leihen sich die Leute wieder DVDs aus.“

Die Videothek sei inzwischen mehr Hobby als Haupteinna­hmequelle, erklärt Renate Lochbrunne­r. Was würde ihr fehlen, wenn sie die Videothek nicht mehr betreiben könnte? „Auf jeden Fall der Kontakt mit den Kunden, den Austausch mit den Menschen“, meint die 65-Jährige. Früher seien Menschen aller Kulturen und aus jeder sozialen Schicht, „angefangen beim hochgebild­eten Studenten und Stadtrat“, in die Videothek gekommen. Sie habe es genossen, viele der Kunden gut zu kennen: „Teilweise kamen die Eltern zu uns in den Lakann den und später deren Kinder.“Auch deshalb findet sie es sehr schade, dass immer mehr Videotheke­n schließen müssen.

Trotz der düsteren Prognosen für die Zukunft der Videotheke­n bleibt Jürgen Mayr optimistis­ch: „Natürlich haben wir die Hoffnung, dass es in Zukunft wieder besser wird. Sonst würden wir zumachen.“Und vielleicht wird sich auch in diesem Geschäftsz­weig bald ein Trend abzeichnen, der andere gesellscha­ftliche Bereiche längst erreicht hat: die Rückkehr der 1980er und 1990er Jahre, wie sie zum Beispiel in der Mode und der Musik längst geschehen ist. Vielleicht kommt es dann wieder in Mode, DVDs aus der Videothek auszuleihe­n, statt die Filme auf Plattforme­n im Internet zu streamen. Wie es genau mit der Videothek weitergehe­n soll, muss die Tochter der Lochbrunne­rs entscheide­n, denn sie übernimmt das Geschäft in Lechhausen.

 ?? Foto: Daniel Weber ?? In Zeiten von Streaming Diensten wie Netflix oder Amazon Prime ein seltenes Bild: In ihrer Videothek in Lechhausen verleiht Renate Lochbrunne­r noch immer Filme und an  dere Medien. Das alleine rentiert sich allerdings nicht mehr.
Foto: Daniel Weber In Zeiten von Streaming Diensten wie Netflix oder Amazon Prime ein seltenes Bild: In ihrer Videothek in Lechhausen verleiht Renate Lochbrunne­r noch immer Filme und an dere Medien. Das alleine rentiert sich allerdings nicht mehr.

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