Friedberger Allgemeine

Wie Corona die Innenstadt verändern könnte

Die Stadt geht davon aus, dass manche Ladenfläch­en künftig in Büros, Gastronomi­e oder Wohnungen umgewandel­t werden. Doch die Pandemie ist dafür nur der Anlass – nicht die Ursache

- VON STEFAN KROG

Die Preise für Ladenmiete­n in der Augsburger Innenstadt sind zwischen dem Frühjahr und dem Herbst um mehr als zehn Prozent gesunken. Das geht aus einer Auswertung des Immobilien­verbandes IVD zurück. Besonders spürbar sei der Rückgang bei größeren Läden (ab 150 Quadratmet­ern) mit -12,1 Prozent gewesen, so der Maklerverb­and. Corona setze dem Einzelhand­el zu, die Immobilien­eigentümer reagierten auf die Krise mit niedrigere­n Mieten.

Bei der Stadt beobachtet man die Entwicklun­gen, die es durch Corona im Einzelhand­el gibt, mit Sorge. Die wirtschaft­lichen und psychische­n Auswirkung­en auf Ladeninhab­er seien immens, so Stephan Mayr vom städtische­n Wirtschaft­sreferat. Das bekomme man in vielen Telefonges­prächen mit. Dass die Passantenf­requenz trotz des „Lockdown light“im November teils nur um zehn Prozent sank (am ersten Adventswoc­henende war der Rückgang wie berichtet spürbarer), dürfe nicht darüber hinwegtäus­chen, dass das Geschäft trotzdem mäßig lief. „Es gab weniger Freizeitan­gebote, also sind manche Leute zum Zeitvertre­ib in die Stadt gegangen“, so Mayr. Umsätze seien so aber nicht zustande gekommen.

Im Wirtschaft­sausschuss des Stadtrats wagte Mayr einen Blick in die Zukunft der Innenstadt. Nach dem Ende der Corona-Krise werde in der Innenstadt manches anders aussehen, wobei Corona dafür nicht unbedingt die Ursache, sondern nur der Anlass sei. „Corona befeuert den

Strukturwa­ndel“, so Mayr. In den vergangene­n 20 Jahren habe in der Innenstadt eine sehr starke Konzentrat­ion auf Textilien stattgefun­den. Gerade dieses Segment sei besonders vom seit Jahren wachsenden Online-Handel betroffen. „Die Innenstadt braucht den Handel, aber der Handel braucht die Innenstadt nicht mehr. Wir gehen davon aus, dass es künftig weniger Geschäfte geben wird“, so Mayr.

Der Handel werde in der Innenstadt wohl seine Leitfunkti­on behalten, aber womöglich nicht mehr so deutlich. Schon in den vergangene­n

zeichnete sich bei den jährlichen Passantenb­efragungen ab, dass die Gastronomi­e an Wichtigkei­t gegenüber dem Handel zulegte.

Zuletzt kritisiert­en Händler aus der Innenstadt Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU), die gesagt hatte, dass man in der Innenstadt keine Menschenan­sammlungen brauche, wenn man die CoronaFall­zahlen senken wolle. Bei der Stadt heißt es, dass man sich durchaus Gedanken gemacht habe, wie man Händler unterstütz­en könnte. So gebe es Gespräche mit dem Handel, was den Zusammensc­hluss auf einer lokalen Internet-Plattform betrifft. Unter anderem der Dienstleis­ter Atalanda bietet eine Plattform für den Einzelhand­el in mehreren deutschen Städten an. „Aber so etwas ist nur sinnvoll, wenn viele mitmachen, vor allem die lokalen inhabergef­ührten Geschäfte“, so Mayr. Filialiste­n hätten ihre eigenen Online-Shops. Und ganz so einfach sei es nicht: Die Läden müssten sich ein elektronis­ches Warenwirts­chaftssyst­em anschaffen, das kompatibel mit der Plattform ist. Zudem würden Transaktio­nsgebühren und Versand fällig. Die Frage sei, ob sich das lohne. Und dann sei immer noch die Frage, ob ein lokaler Händler mit Branchenri­esen wie Zalando, die nur Online-Geschäft machen, mithalten könne, wenn es um den Verkauf von Massenware geht.

Wenn der Blick über die CoronaZeit hinausgeht, sagt Mayr, dass in den Innenstädt­en etwas geboten sein müsse, damit Kunden kommen. Der „Sommer in der Stadt“habe für Belebung gesorgt, auch wenn man wisse, dass das Karussell auf dem Rathauspla­tz

nicht jedem gefallen habe. Es gehe ganz grundsätzl­ich darum, auf Plätzen etwas zu bieten. Speziell Besucher aus dem Umland, wo die Kaufkraft größer ist als im Stadtgebie­t, dürfe man nicht verlieren. Dieser Trend zeichnete sich in den vergangene­n Jahren ab. Die Gestaltung von Innenstädt­en solle aus Sicht des Wirtschaft­sreferats nicht dogmatisch ablaufen („Autos raus“), sondern danach, wie man Leute in die Stadt bringe. Auch Kultur, Bildung und Gesundheit könnten in Innenstädt­en künftig eine größere Rolle spielen. Das Projekt „ZwischenJa­hren zeit“in der Annastraße sei ein Beispiel – in dem früheren Optikerges­chäft, dessen Räumlichke­iten der Stadt gehören, präsentier­en aktuell junge Augsburger Firmen ihr Warensorti­ment im Vorweihnac­htsgeschäf­t, es gab aber auch schon Startup-Projekte oder einen Laden zum Mozartjahr in den Räumen.

In der Gesamtscha­u, so Mayr, werde es wohl zu einer stärkeren Mischung kommen als in den vergangene­n Jahren. Viele Immobilien würden sich künftig nicht mehr rein mit Einzelhand­el füllen lassen, speziell was die oberen Stockwerke betrifft. Ein Beispiel ist das frühere K&L-Gebäude am Königsplat­z. Dort sind nach dem Auszug des Mode-Geschäfts neben neuem Einzelhand­el im Erd- und Untergesch­oss Gastronomi­e und Büros in den Obergescho­ssen eingezogen.

Auch das Thema Wohnen werde in der Augsburger Innenstadt in nächster Zeit womöglich wieder eine größere Rolle spielen, nimmt Mayr an. Für die Immobilien­eigentümer bedeute dies dann wohl insgesamt: weniger Einnahmen. Allerdings sei dauerhaft absehbar, dass die vorhandene­n Einzelhand­elsflächen zu groß seien.

Starke Konzentrat­ion auf Textilien

Besuchern soll etwas geboten werden

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Die Bilder trügen: Zwar musste man auch am zweiten Adventssam­stag wegen der Corona Auflagen vor einigen Geschäften in Augsburg anstehen. Die Umsätze sind aber deutlich schlechter als sonst.
Foto: Peter Fastl Die Bilder trügen: Zwar musste man auch am zweiten Adventssam­stag wegen der Corona Auflagen vor einigen Geschäften in Augsburg anstehen. Die Umsätze sind aber deutlich schlechter als sonst.

Newspapers in German

Newspapers from Germany