Wie die AfD die CDU in die Zwickmühle bringt
Für die Christdemokraten geht es nicht um jene 86 Cent, um die die Rundfunkgebühr steigen soll, sondern um nicht weniger als die Zukunft und Machtoptionen im Osten. Was die drei Bewerber um den Parteivorsitz sagen
Berlin Vordergründig wird über eine Erhöhung der Rundfunkgebühren um monatlich 86 Cent gestritten – tatsächlich aber geht es um die Zukunft der CDU. Zumindest um die Zukunft der CDU in Ostdeutschland. Im Landtag von Sachsen-Anhalt will die CDU-Fraktion die Gebührensteigerung verhindern. In der Hauptstadt Magdeburg regieren die Christdemokraten in einem „Kenia-Bündnis“mit SPD und Grünen. Die beiden Koalitionspartner wollen der Erhöhung zustimmen: Denn andernfalls kann der neue Rundfunkstaatsvertrag in ganz Deutschland nicht in Kraft treten. Den müssen nämlich alle Landesparlamente absegnen. Ausgerechnet die rechtspopulistische AfD stellte sich in Magdeburg auf die Seite der CDU, die dadurch in die Bredouille geraten ist. Wie soll sie umgehen mit der ungewollten Unterstützung vom rechten Rand?
Über diese Frage ist in der CDU bundesweit ein heftiger Streit entbrannt. Vorläufiger Höhepunkt: Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der die Erhöhung mittragen will, hat am Freitag seinen Parteifreund, Innenminister Holger Stahlknecht, entlassen. Stahlknecht gilt als „Rädelsführer“derer, die hart bleiben möchten. Doch der Rauswurf hat die Lage keinesfalls beruhigt. In dieser Woche stehen zahlreiche Fraktions- und Koalitionstreffen an. Doch ob im Gebührenstreit eine Vorentscheidung vor der Abstimmung im Landtag Mitte kommender Woche fällt, ist ungewiss. Schließlich geht es eben um so viel mehr:
Es geht im Kern um den generellen Umgang der CDU mit der AfD. Und es geht um die Machtoptionen gerade im Osten der Republik. Viele Beteiligte und Beobachter fühlen sich bereits an den vergangenen Februar erinnert, als in Thüringen der FDP-Mann Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Nach einem heftigen Aufschrei trat Kemmerich zwar zurück, doch der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner und die CDUChefin Annegret Kramp-Karrenbauer gerieten massiv in die Kritik, weil sie die Zusammenarbeit mit der
AfD nicht verhindert hatten. „AKK“kündigte daraufhin sogar ihren Rücktritt an.
Die drei Bewerber um ihre Nachfolge positionieren sich ganz unterschiedlich zum Zoff in Sachsen-Anhalt. Norbert Röttgen sagte, die CDU lasse sich ihre Politikfähigkeit „von niemandem nehmen“. Was die anderen Parteien wann beantragten, könne nicht entscheidend sein. Ähnlich argumentiert Friedrich Merz: Es sei „vollkommen unwichtig“, welche Meinung die AfD zum Rundfunkbeitrag habe. Armin Laschet dagegen sagte: „Mit einer radikalen Rechtspartei darf es keinerlei Zusammenarbeit geben.“Die AfD könne niemals politischer Partner sein. Es gebe Momente, in denen eine klare Haltung gefragt sei.
Doch zum Unmut vieler Christdemokraten ist die Lage alles andere als klar. Sondern mächtig kompliziert. Gegen eine Erhöhung der Rundfunkgebühren ist die sachsenanhaltinische CDU seit langem. Die Ablehnung ist sogar Konsens mit SPD und Grünen und im Koalitionsvertrag von 2016 aufgenommen worden. SPD und Grüne sind davon abgekommen und nennen die im Rundfunkstaatsvertrag vorgesehenen zusätzlichen 86 Cent monatlich nun „maßvoll“. Die CDU, so argumentieren große Teil der Landtagsfraktion, sei schlichtweg bei ihrer Meinung geblieben. Die AfD sei erst viel später auf das Thema aufgesprungen – wohl wissend um das Konfliktpotenzial. Tenor: Wenn eine CDU-Forderung von der AfD geteilt werde, dann dürfe die Forderung doch nicht automatisch verbrannt sein.
Es ist eine gewaltige Zwickmühle, in der die CDU steckt und sie zeigt schmerzhaft, dass das Verhältnis zur AfD noch längst nicht zufriedenstellend geklärt ist. Viel diskutiert wurde in CDU-Kreisen am Montag ein Kommentar im jeglicher Nähe zur AfD unverdächtigen Berliner Tagesspiegel. Darin heißt es, die CDU dürfe sich ihre Konservativität nicht nehmen lassen: „Wenn eins plus eins gleich zwei ist, und die AfD das auch sagt, dann muss die CDU nicht behaupten, dass es drei sind.“
In der CDU gilt ein „Unvereinbarkeitsbeschluss“, der eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt – genauso auch mit der Linkspartei.
Das wirft für die CDU vor dem Superwahljahr 2021 ungeahnte Fragen auf. Nicht nur der Bundestag wird neu gewählt. Sondern es stehen auch Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen-Anhalt, MecklenburgVorpommern und Berlin an. Die aktuellen Umfragen sehen die CDU bundesweit zwar auf einem Höhenflug, verheißen aber wenig Gutes für den Osten. In Thüringen etwa kommen AfD und Linkspartei auf mehr als 50 Prozent. Und in Sachsen und Sachsen-Anhalt sind es schon jeweils 40 Prozent. Das heißt in der Praxis: Allenfalls durch eine Zusammenarbeit mit Grünen und SPD hat die CDU überhaupt noch Chancen auf eine Regierungsbeteiligung.
SPD und Grüne dagegen haben keine Scheu, Bündnisse mit der Linkspartei einzugehen. Das zeigen die Beispiele Berlin (SPD-geführte Koalition mit Linken und Grünen), Brandenburg (SPD-geführte Koalition mit der Linken von 2009 bis 2019) und Thüringen. Dort stellt die Linke mit Bodo Ramelow sogar den Ministerpräsidenten, den SPD und Grüne mit gewählt haben. Für die CDU bedeutet das: Im Osten werden die Machtoptionen immer weniger.
Erinnerungen an die KemmerichWahl
Sechs Landtagswahlen machen die Frage brisant