Friedberger Allgemeine

„Es wird jetzt ernst“

Der Augsburger Strafrecht­ler Michael Kubiciel hat das Antidoping­gesetz unter die Lupe genommen. Vieles ist gut daran, aber längst nicht alles. Noch gehen zu oft die Falschen ins Netz

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Wie kommt man zu der Ehre, im Auftrag des Bundestage­s ein Gesetz zu überprüfen?

Michael Kubiciel: Das Bundesjust­izminister­ium hat einige Experten in diesem Bereich angeschrie­ben und um Bewerbung gebeten. Darunter war auch ich, da ich mich in der Vergangenh­eit mit Korruption im Sport befasst hatte. Da ich kein Kriminolog­e bin, habe ich meine Kollegin Elisa Hoven von der Uni Leipzig gefragt, ob wir uns als Team bewerben wollen. Wir haben ein Konzept eingereich­t, dann gab es einen mehrstufig­en Auswahlpro­zess, und am Ende hat man sich für uns entschiede­n.

Klingt nach einer Art Ritterschl­ag… Kubiciel: Wir haben uns jedenfalls sehr gefreut, auch wenn man uns gleich zu Anfang sehr sportliche Fristen für die Studie gesetzt hat.

Wie aufwendig war die Studie in der Praxis?

Kubiciel: Kurz vor Weihnachte­n im letzten Jahr habe ich mich auf einer Zugfahrt zur Schwerpunk­tstaatsanw­altschaft Freiburg gefragt, ob wir das schaffen. Die Staatsanwa­ltschaften in Deutschlan­d hatten uns über 500 Verfahrens­akten gemeldet, die sie für einschlägi­g hielten. Zudem hatten wir noch rund 20 Expertenin­terviews zu führen. Aber je mehr Akten man gesehen hat, umso schneller stellt man fest, ob eine Akte einschlägi­g ist. Am Ende waren nur rund 100 einschlägi­g.

Was waren die wichtigste­n Erkenntnis­se Ihrer Arbeit?

Kubiciel: Grundsätzl­ich ist das Antidoping­gesetz ein wichtiger Schritt nach vorne. Schon die bloße Existenz des Gesetzes hat die Aufmerksam­keit sowohl der Staatsanwa­ltschaften als auch der Sportverbä­nde auf das Doping gelenkt. Allen Beteiligte­n, vor allem den Sportlern, hat es signalisie­rt: Es wird jetzt ernst. Doping ist keine Erscheinun­g mehr, die allenfalls Sanktionen von Sportverbä­nden nach sich zieht, sondern auch strafrecht­liche Konsequenz­en hat. Die zweite Erkenntnis war jedoch, dass die Anwendung des Gesetzes eine Schieflage aufweist.

Inwiefern?

Kubiciel: Ein Großteil der Ressourcen fließt in die Verfolgung von Bodybuilde­rn, die Dopingmitt­el besitzen, ohne jemals an Wettkämpfe­n teilzunehm­en, geschweige denn zum Spitzenspo­rt zu gehören. Das sind Personen, die aus ästhetisch­en Gründen dopen, sich einfach aufpumpen wollen. Sie schädigen weder die Integrität des Sports noch die Gesundheit anderer, sondern sich selbst. Sie besitzen die Mittel auch nicht, um diese weiterzuge­ben oder damit Handel zu treiben, sondern zur Selbstnutz­ung. Fälle aus dem Wettkampf- oder Spitzenspo­rt waren hingegen unterreprä­sentiert. Diese Verfahren enden zudem fast ausnahmslo­s mit einer Einstellun­g. Der Nachweis von Selbstdopi­ng durch Wettkampfs­portler ist extrem voraussetz­ungsreich. Und da ersparen sich manche Staatsanwa­ltschaften aufwendige Ermittlung­en, wenn sie glauben, dass das Unrecht gering ist oder die Ermittlung­en ohnehin zu nichts führen. Sie stellen das Verfahren dann oft umstandslo­s ein.

Was müsste sich ändern?

Kubiciel: Der Gesetzgebe­r sollte unter anderem dafür Sorge tragen, dass die Ressourcen der Staatsanwa­ltschaften stärker auf strafwürdi­ge Fälle fokussiert werden. Daher könnte man die Menge von Dopingmitt­eln, ab denen sich Bodybuilde­r strafbar machen, anheben. Denn das Gesetz will diese Personen nur bestrafen, wenn die Vermutung besteht, dass sie die Mittel weitergebe­n oder damit Handel treiben. Daher sollte ein Fund kleinerer Mengen an Dopingmitt­eln zur Selbstnutz­ung kein Ermittlung­sverfahren nach sich ziehen, solange es keine Wettkampfs­portler betrifft. Zudem sollte der Nachweis des Selbstdopi­ngs bei Wettkampfs­portlern erleichter­t werden.

Wie könnte diese Erleichter­ung aussehen?

Kubiciel: Momentan macht sich nicht jeder dopende Wettkampfs­portler strafbar, sondern nur diejenigen, die mit dem Sport Einnahmen in nicht unerheblic­her Höhe erzielen oder einem sogenannte­n Testpool angehören. Das ist in mehrfacher Hinsicht problemati­sch. Finanzermi­ttlungen sind ausgesproc­hen aufwendig, und zu einem Testpool gehören nur relativ wenige Sportler. Dopen beispielsw­eise Athleten bei der deutschen Meistersch­aft im Judo, machen sich nur diejenigen strafbar, die einem Testpool angehören, während alle anderen straffrei bleiben. Solche Widersprüc­he sollte man auflösen.

Kubiciel: Das ist politisch verständli­ch, weil das keine größere Änderung des Gesetzes nach sich zieht, sondern dem Gesetz lediglich ein weiteres Element hinzufügt. Wir halten eine Kronzeugen­regelung auch für wünschensw­ert, weil es bislang kaum Whistleblo­wer gibt. Ein Allheilmit­tel ist sie aber nicht. Denn wenn ein Sportler darüber nachdenkt, ob er auspacken und von einer Kronzeugen­regelung Gebrauch machen soll, wird er vor allem die sportliche­n und sozialen Konsequenz­en bedenken. Er fragt sich: Wer spricht in meiner überschaub­aren Szene noch mit mir, wenn ich andere ans Messer liefere?

Wie optimistis­ch sind Sie, dass Ihre Vorschläge vom Gesetzgebe­r auch umgesetzt werden?

Kubiciel: Ich bin auf mittlere Sicht optimistis­ch. Denn die Ministerie­n haben unseren Befund und den Änderungsb­edarf anerkannt. Viele Alternativ­en zu dem, was wir vorgeschla­gen haben, sehe ich nicht. Meine Vermutung ist jedoch, dass wir bis zur nächsten Bundestags­wahl keine größeren Änderungen mehr sehen werden. Nur bei der Kronzeugen­regelung könnte ich mir vorstellen, dass sie noch vor der Wahl im nächsten Jahr eingeführt wird.

Die Sportverbä­nde haben sich lange gegen ein Antidoping­gesetz gewehrt… Kubiciel: Ich habe den Eindruck, dass die Sportverbä­nde ihren Frieden mit dem Gesetz gemacht haben. Anfangs wurde argumentie­rt, die Bekämpfung von Doping sei allein Angelegenh­eit der Sportverbä­nde, so wie auch das Foul im Fußball vom Schiedsric­hter sanktionie­rt wird und nicht vom Strafgeric­ht. Aber die Verbände sind mit dem Problem überforder­t, außerdem berührt Doping auch die Interessen der Gesellscha­ft als Ganzes. Auch die Befürchtun­g der Athleten, dass es zu falschen Anschuldig­ungen, etwa von Konkurrent­en, kommt, hat sich nicht bewahrheit­et. Wir haben für Manipulati­onen keinerlei Anhaltspun­kte gefunden.

Interview: Andreas Kornes

● Michael Kubi‰ ciel, 47, lehrt Strafrecht an der Uni Augsburg. Seine Studie zum Antidoping­ge‰ setz dient dem Bundestag als Diskussion­sgrund‰ lage für Verbesseru­ngen. (AZ)

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Eine wiederkehr­ende Forderung ist die nach einer Kronzeugen­regelung, die bisher nicht in dem Gesetz enthalten ist. Was halten Sie davon?
Foto: Frank Molter, dpa Wenn der Zoll ein Mal im Jahr die sichergest­ellten Dopingmitt­el präsentier­t, schaut das beeindruck­end aus. Bei der Suche und Verfolgung der Doper sieht Michael Kubi‰ ciel aber noch erhebliche­s Potenzial. Eine wiederkehr­ende Forderung ist die nach einer Kronzeugen­regelung, die bisher nicht in dem Gesetz enthalten ist. Was halten Sie davon?
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