Der Stammgast im Schaezlerpalais
Ausstellung Norbert Schessl hat im Festsaal die Installation „Übergangslösung“geschaffen. Auch wenn niemand das Kunstwerk gerade sehen kann, verändert Schessl es laufend
Die Museen der Städtischen Kunstsammlungen sind derzeit geschlossen, Ausstellungen schlummern im Verborgenen, weil Besucher nicht kommen dürfen. Einen Stammgast gibt es im Schaezlerpalais allerdings doch: Norbert Schessl, Steinmetz und Bildhauer aus Gaulzhofen (Landkreis Aichach-Friedberg), schaut regelmäßig vorbei. Im Festsaal des Hauses befindet sich seine Installation „Übergangslösung“, die er in einer Art Work in Progress betreut. Er arrangiert die 26 Granitplatten, die dort seit September liegen, wöchentlich neu, denn er sieht sein Kunstwerk als Gebilde, das sich wandelt – eine Übergangslösung eben, dies gleich in mehrfacher Hinsicht.
Ob in Dreierreihen als rechteckige Form oder in einer anderen Anordnung, durch die verschiedenen Nuancen der Farbe und den unterschiedlichen Lichteinfall durch die großen Fenster des Festsaals ergeben die gleich großen Platten nie eine einheitliche Fläche. Der Eindruck verstärkt sich durch eine Lücke, welche die Formation unterbricht. Das Arrangement sei jedoch nie beliebig oder wahllos, sondern Folge einer inneren Konsequenz, erläutert der Künstler. „Ich gehe damit um, was kommt und was sein könnte“, sagt er.
Mitten in dem verspielten Rokoko-Prunk des Festsaals, der im Museum den Übergang zur Katharinenkirche markiert, bilden die Platten einen schwarzen, nüchternen Fremdkörper. Dennoch integriert sich das Kunstwerk mit dem längeren Betrachten fast organisch in seine Umgebung, indem es sie in Spiegelungen aufnimmt und wiedergibt. Die Malereien, die goldenen StuckVerzierungen, die Fensterrahmen tauchen auf der schwarzen Fläche auf und verändern sich je nach Standpunkt des Betrachters. „Es ist eine Kunst, die ortsbezogen ist und sich mit dem Raum auseinandersetzt“, beschreibt Norbert Schessl den Effekt.
Erst wenn man sich dem GranitArrangement nähert, nimmt man die feinen Linien auf den Platten wahr. Es sind Hände, die Norbert Schessl zunächst schnell auf Papier skizzierte und dann mit dem Meißel in die Granitoberfläche ritzte. Schessls Stein-Zeichnungen gehen zurück auf Bill Violas Videoinstallation „Three Women“, die im letzten Jahr in der Moritzkirche gezeigt wurde und die drei Frauen zeigt, die einen Wasservorhang durchschreiten. So vage sind diese Zeichnungen mit ihren flüchtigen Linien, dass sie ebenso abstrakte Formen sein könnten wie auch Tierkörper, Hieroglyphen oder Landkarten. „Eine Betrachterin hat auf einer der Platten die Umrisse von Holland erkannt“, ist Schessl amüsiert und freut sich zugleich über die Offenheit der Interpretation, die seine Installation zulässt. Was der Betrachter jedoch nicht weiß: Auch die graue Rückseite der Platten enthält Gravuren seiner Skizzen, allerdings sind die Motive spiegelverkehrt und nicht komplett. „Dadurch sind sie nur ähnlich, aber nicht gleich“, gibt Schessl zu bedenken und ordnet auch dies als eine Form des Übergangs ein.
Dass seine Installation der Öffentlichkeit derzeit verborgen bleiben muss, „macht mir gar nicht so viel aus“, sagt Norbert Schessl. Der
Festsaal des Schaezlerpalais ist mittlerweile zur Dependance seines Ateliers geworden. „Neulich habe ich mit meinem Atem Stanniolschiffchen über die Platten segeln lassen“, erzählt er. Bei seinen wöchentlichen Besuchen dokumentiert er die Veränderungen mit Fotos, auch mit Selbstauslöseraufnahmen, die ihn über die Platten tänzelnd und schreitend zeigen. Das können im Übrigen auch die Besucher machen, wenn der Zugang zum Schaezlerpalais wieder möglich ist. Denn der
Titel „Übergangslösung“darf ausdrücklich auch ganz wörtlich genommen werden.
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Übergangslösung Im Schaezlerpalais nach jetzigem Stand bis 28. März zu sehen, wenn die Museen wieder öffnen dürfen. Über die Entstehung des Kunst werks spricht Norbert Schessl in einem Vi deo unter https://kunstsammlungen museen.augsburg.de/schessl. Außerdem gibt es in den (auch jetzt geöffneten) Museumsshops der Kunstsammlungen ein Leporello über die Arbeit zu kaufen.