Gesundheitsamt prüft hunderte QuarantäneFälle
Die Stadt wusste bei rund 650 Infizierten nicht, ob sie noch noch zu Recht in Isolation sitzen oder nicht. Die Aufarbeitung kommt voran. Dass Augsburg erst spät Soldaten zu Hilfe holte, ärgert auch Markus Söder
Dass es im Augsburger Gesundheitsamt Probleme bei der CoronaKontaktverfolgung gegeben hat, ist auch bis zu Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach München durchgedrungen. Dass der Freistaat die Ämter, die eine Schlüsselrolle bei der Pandemie-Bekämpfung spielen, nun enger an die Leine nimmt und klare Vorgaben für deren Arbeit macht, liegt aber nicht alleine an Augsburg. Aus zahlreichen Gesundheitsämtern wurde zuletzt bekannt, dass die Mitarbeiter mit ihrer Arbeit teils nicht mehr hinterherkommen. Söder sei jedoch, heißt es aus Regierungskreisen, ziemlich sauer darüber gewesen, dass die Stadt Augsburg länger gezögert hatte, die Bundeswehr als Hilfe zu holen. Die Soldaten wurden erst angefordert, als die Neuinfektionen schon in die Höhe schossen und das Gesundheitsamt bei der Kontaktverfolgung von Corona-Fällen mehrere Tage hinterherhinkte.
Zwischenzeitlich hat die Stadt reagiert, das Gesundheitsamt auf 130 Personen aufgestockt – und es arbeitet nun auch Fälle ab, über die der Überblick verloren gegangen ist. Bei rund 650 Corona-Infizierten in Augsburg war zuletzt unklar, ob sie zu Recht noch in Quarantäne sitzen oder ob man sie schon hätte entlassen müssen. Vorige Woche stellte das Gesundheitsamt auf die Schnelle ein Team aus sechs zusätzlichen Mitarbeitern zusammen, die sich um diese Fälle kümmern. Bis Montag hätten bereits 500 dieser „Altfälle“aus der Isolation entlassen werden können, sagt der Leiter der städtischen Corona-Taskforce, Stadtdirektor Thomas SchmidtTancredi. Wie viele der bereits abgearbeiteten „Altfälle“tatsächlich zu lange in Quarantäne waren, teilte die Stadt zunächst nicht mit.
Bei den über 500 Fällen, die jetzt erledigt werden konnten, habe es sich unter anderem um Personen gehandelt, denen die Entlassung bereits mündlich mitgeteilt, nun aber auch eine schriftliche Bestätigung nachgereicht wurde, so der Stadtdirektor. Es gebe Personengruppen,
welche die Regierung von Schwaben zuständig ist, die von der Stadt als Gesamtheit betrachtet würden, führt der Stadtdirektor dazu aus. Dazu zählten beispielsweise Bewohner von Altenheimen und Asyl-Gemeinschaftsunterkünften. Diese würden auch nicht einzeln, sondern als Gesamteinheit „entisoliert“. Ein weiterer Teil der Personen, die immer noch isoliert sind, litten unter Symptomen, sodass die Quarantäne-Dauer in diesen Fällen auch länger als zehn Tage andauern könne.
Rund 140 Personen befanden sich nach Angaben der Stadt am Montag „laut Aktenlage“noch in Quarantäne, obwohl der Zeitpunkt für die Entisolierung überschritten ist, so Schmidt-Tancredi. „Dabei handelt es sich um Personen, bei denen die erforderlichen Ermittlungen noch abgeschlossen werden konnten und die von daher auch noch nicht aus der Quarantäne entlassen werden konnten“, sagt der Stadtdirektor.
Derweil fragen sich manche, ob sich das Augsburger Nachverfolgungssystem nicht effektiver aufstellen ließe. So ist Christian Reeb, ein ehemaliger Stabsoffizier der Bundeswehr, mit einem Vorschlag an Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) herangetreten. Er schlägt vor, die Corona-Ermittler in einer großen Messehalle unterzubringen, eventuell auch verstärkt durch Freiwillige. Nach dem Motto „nicht kleckern, sondern klotzen“wäre es so vielleicht möglich, die Infektionsketten im Griff zu behalten, meint der Ex-Offizier. Der Vorschlag ist nicht abwegig, die Stadt München geht seit wenigen Tagen diesen Weg. Dort arbeiten seit Anfür fang Dezember rund 500 Mitarbeiter der Stadt, Soldaten sowie Unterstützungskräfte von Polizei, Freistaat und Robert-Koch-Institut in einer Halle der Messe in Riem.
Die Stadt Augsburg habe sich für ein „atmendes System“entschieden, sagt dazu Thomas Schmidt-Tancredi. Der erhebliche Aufwuchs bei den Corona-Ermittlern auf rund 130 Personen sei durch die Abordnung von städtischen Mitarbeitern anderer Dienststellen vorgenommen worden. „Dabei sollten diese Personen ihren Aufgaben im Rahmen der Kontaktpersonennachverfolgung weiterhin von ihrem eigenen Arbeitsplatz aus erfüllen“, erklärt er. Dieses habe dazu geführt, dass die technische Ausrüstung bereits vorhanden war und gerade keine Großraumbüros mit einer entsprechenden Infektionsgefährdung entstannicht den seien, so der Stadtdirektor. Fest steht indes, dass das Gesundheitsamt sein System, wie Infizierte und Kontaktpersonen erfasst werden, noch einmal umstellen muss.
Lange Zeit wurde mit Excel-Listen gearbeitet. Im Herbst erst stellte das Amt die Arbeit dann auf eine Datenbank um, die ein Mitarbeiter der Stadt selbst programmiert hatte. Diese Datenbank sei gut an die Erfordernisse der Mitarbeiter angepasst, begründete Reiner Erben die Eigenentwicklung. Nun aber verpflichtet der Freistaat alle Gesundheitsämter, die vom Bund zur Verfügung gestellte Seuchen-Software „Sormas“zu nutzen. Wie die Stadt auf Anfrage bestätigt, werden die Mitarbeiter nun auf dieses neue Programm umgeschult. Die selbst entwickelte Datenbank wird dann nicht mehr gebraucht.