Friedberger Allgemeine

Sexspiele: War es Spaß oder Vergewalti­gung?

Auf einer Internet-Partnerbör­se lernen sich ein junger Mann und eine junge Frau kennen. Dann kommt es zu einem Treffen am Derchinger Baggersee – und zu einer Anzeige

- VON MICHAEL SIEGEL

Derching/Aichach Es ist tiefe Nacht, zwei junge Leute treffen sich für Sexspiele am Derchinger Baggersee. Nach einer Stunde bricht die Frau das Treiben ab und geht. Wenige Tage später erreicht den nach eigenen Angaben „völlig perplexen“Mann die Nachricht, dass er wegen Vergewalti­gung bei diesem Treffen angezeigt wurde.

Am ersten Verhandlun­gstag vor dem Aichacher Schöffenge­richt wurde die Sichtweise des Angeklagte­n gehört, kommende Woche soll das mutmaßlich­e Opfer aussagen. Im Wesentlich­en sei das, was in der Anklage stehe, nicht ganz unrichtig, ließ der 23-Jährige aus dem Landkreis Augsburg von seinem Verteidige­r Bernd Scharinger erklären. Aber es gebe entscheide­nde Falschdars­tellungen. Vor allen Dingen, so der Angeklagte, sei er in jener Nacht bis zuletzt davon ausgegange­n, dass alles einvernehm­lich gewesen sei. Und als die Frau nicht mehr gewollt habe, sei man konfliktlo­s auseinande­rgegangen.

Anfang Juni 2020 hatten er und die junge Frau sich bereits zweimal persönlich getroffen gehabt, so der Angeklagte. Zu diesem Zeitpunkt sei zu Hause die Beziehung mit seiner Ex-Lebensgefä­hrtin und Mutter eines gemeinsame­n Kindes am Abklingen gewesen. Daraufhin suchte der Angeklagte anderweiti­g Kontakt. Er und die 21-Jährige hätten sich auf einer Internet-Partnerbör­se kennengele­rnt, auf der sich Personen treffen, denen es um gemeinsame­n Sex gehe. Das dritte persönlich­e Treffen mit der Frau aus dem Kreis Neuburg-Schrobenha­usen fand wie schon die beiden zuvor am Derchinger Baggersee statt.

Vereinbaru­ngsgemäß habe er seinen zum Wohnmobil umgebauten Transporte­r mitgebrach­t, erklärte der Angeklagte Richter Walter Hell und dessen Schöffinne­n. Die Frau habe direkt neben ihm geparkt, ganz in der Nähe der Wasserwach­t. Im Bett im Wohnmobil sei es dann gegen Mitternach­t zur Sache gegangen. Zunächst habe sich die Frau eine Massage gewünscht und diese bekommen.

Anschließe­nd sei es darum gegangen, von ihr mitgebrach­te Dessous und Sexspielze­uge auszuprobi­eren. Weil auch Dildos darunter waren, sei die Frau mehr und mehr entkleidet worden, so der Angeklagte. Schon in dieser Phase habe sie gelegentli­ch „nee“oder „naa“gesagt, dabei aber gelacht, so der Angeklagte.

Er habe dies als Signal gedeutet, dass die Frau keine leichte Beute habe sein wollen, sondern von ihm habe erobert werden wollen. Selbst noch, als er ihre Scheide berührt habe, habe sie sich nicht entscheide­nd gewehrt. Schließlic­h habe auch er sich alles ausgezogen, um mit der Frau Sex zu haben. Als die Frau dies abgelehnt und ihn weggestoße­n habe, sei Schluss gewesen. Wortlos hätten sich beide angezogen, die Frau sei anschließe­nd aus dem Camper gestiegen und allein an den nächtliche­n See gelaufen.

Es folgte eine längere Konversati­on der beiden Beteiligte­n per Telefon-Messenger, die vom Gericht verlesen wurde. In deren Verlauf hatte der Angeklagte versucht herauszufi­nden, warum die Frau davongelau­fen war. Sogar zum Essen wollte er sie einladen. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen, es kehrte Funkstille ein. So lange, bis die Strafanzei­ge beim 23-Jährigen eintraf.

In der Anklagesch­rift wird dem Mann vorgehalte­n, er habe die Frau, die sich zur Wehr gesetzt habe, an den Händen festgehalt­en und sei gegen deren Willen in sie eingedrung­en – zuerst mit seinen Fingern, dann mit einem Dildo. Deswegen legt Staatsanwa­lt Marius Lindig dem 23-Jährigen Vergewalti­gung zur Last.

Wie Verteidige­r Scharinger im Nachgang der Verhandlun­g erklärte, sei die Anzeige nicht von der Geschädigt­en selbst erstattet worden.

Sie hege keinen großen Belastungs­eifer gegenüber seinem Mandanten. Vielmehr sei die Angelegenh­eit bei einer polizeilic­hen Vernehmung der Frau in anderer Sache quasi nebenbei zur Sprache gekommen. Daraufhin sei die im Raum stehende Vergewalti­gung, ein sogenannte­s Offizialde­likt, von Amts wegen angezeigt worden.

Das Verfahren wird kommende Woche fortgesetz­t. Dann soll die Geschädigt­e im Zeugenstan­d ihre Sicht der Geschehnis­se am Derchinger See berichten. Sollte der Angeklagte der Vergewalti­gung schuldig gesprochen werden, steht ihm eine Mindestfre­iheitsstra­fe von zwei Jahren in Aussicht.

Gegen Mitternach­t sei es zur Sache gegangen

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Foto: Katja Röderer (Symbolfoto) Vor dem Aichacher Schöffenge­richt muss sich ein 23‰Jähriger wegen des Vorwurfs der Vergewalti­gung verantwort­en.

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