Friedberger Allgemeine

Der König der Chöre ist tot

Gotthilf Fischers Motto war: Böse Menschen haben keine Lieder. Er kannte hunderte und sang mit anderen bis ins hohe Alter

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Stuttgart Gut sieben Jahrzehnte lang hat Gotthilf Fischer den Deutschen das gemeinsame Singen nahegebrac­ht. Für seinen eigenen Tod wünschte sich der Schwabe, „eines Tages dirigieren­d in die Kiste zu fallen“. Nun ist der „König der Chöre“im Alter von 92 Jahren in der Nähe von Stuttgart gestorben – und „dirigiert die Engel im Himmel“, wie er es einmal sagte. Ein typischer Fischer-Satz, humorvoll, selbstiron­isch, sympathisc­h.

Seine Managerin sagte am Mittwoch, Fischer sei am Freitag einfach eingeschla­fen. „Es war die Zeit und das Alter.“Bis ins hohe Alter sang er noch gemeinsam mit anderen Menschen, anders konnte er sich sein Leben gar nicht vorstellen. Das Singen und Dirigieren machte ihn glücklich. Und nicht nur ihn. Wo er auftauchte, brachte er mit wenigen aufmuntern­den Worten und liebenswür­diger Nachsicht oft auch solche Menschen zum Singen, die es sonst nicht taten – oder konnten.

Über die Jahrzehnte erwarb sich Fischer auf diese Weise Ehrentitel wie „Therapeut der wunden Seelen“. Mit so etwas könne er sehr gut leben, sagte er, auch rückblicke­nd, zu seinem 90. Geburtstag.

Geboren wurde Fischer am 11. Februar 1928 in Plochingen, 20 Kilometer westlich von Stuttgart. Sein Vater war Zimmererme­ister und Hobbymusik­er. Mit 14 gründete Fischer seinen ersten Chor, nach Kriegsende übernahm der Autodidakt im Alter von 17 Jahren die Leitung des Gesangvere­ins Concordia in Deizisau, später wurde er Leiter weiterer Gesangvere­ine. Bundesweit

lernte das Fernsehpub­likum die Fischer-Chöre 1969 in der ZDFSendung „Dreimal neun“mit Moderator Wim Thoelke kennen. Bald darauf erschien die erste Schallplat­te. Und der Weg zum ersten Millionena­uftritt war geebnet: Vor dem Endspiel der Fußball-WM 1974 in München ließ Fischer einen Chor von 1500 Menschen auf dem Rasen des Olympiasta­dions „Eviva España“anstimmen. Es folgten hunderte TV-Auftritte – und seine Sendung „Sing mit den Fischer-Chören“.

Rund um die Welt dirigierte Fischer zeitweise 62 000 Sängerinne­n und Sänger, vereint in Freundeskr­eisen der Fischer-Chöre. Mehr als 16 Millionen Schallplat­ten wurden verkauft. „Böse Menschen haben keine Lieder“, das Motto der Fischer-Chöre, war sein Credo.

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Foto: Marijan Murat, dpa So kannten und mochten ihn die Deutschen: Gotthilf Fischer während einer Chorprobe im Jahr 2018.

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