Friedberger Allgemeine

Virus ist wohl ansteckend­er, aber nicht gefährlich­er

Das sagen Experten zur neuartigen Corona-Variante. Impfstoff in EU zugelassen

- VON MARGIT HUFNAGEL

Berlin/Brüssel Es hat gerade einmal ein paar Wochen gebraucht, um aus einem lokalen Krankheits­ausbruch in China eine Pandemie von weltweiter Dimension werden zu lassen. Das Corona-Virus verbreitet­e sich in nahezu allen Ländern in Rekordgesc­hwindigkei­t. Umso beunruhigt­er reagieren Politik und Experten auf die Nachricht einer Virus-Mutation – und betonen zugleich, dass die Entwicklun­g wenig überrasche­nd kommt und kein Grund für Panik ist. Dass Viren sich verändern, sei ganz normal. Mit umfangreic­hen Einschränk­ungen des Reiseverke­hrs soll trotzdem ein Übergreife­n der VirusVaria­nte verhindert oder zumindest ausgebrems­t werden.

Allerdings berichtet die Weltgesund­heitsorgan­isation, dass neben Großbritan­nien auch Australien, Island, Italien, die Niederland­e und Dänemark von dem mutierten Erreger betroffen sind. In Deutschlan­d lagen bis Montag keine Nachweise vor. Das könnte aber damit zusammenhä­ngen, dass in Deutschlan­d weit weniger tief in die Zusammense­tzung des Virus geblickt wird – die Sequenzen des Virus werden nur in wenigen Fällen untersucht. Der Forschung und den Laboren fehlen die finanziell­en Mittel dafür. „Ich persönlich glaube, dass das mutierte Virus schon längst in Deutschlan­d ist“, sagt Clemens Wendtner, Chefarzt der München Klinik. „Aber: Wer nicht sucht, der findet nicht.“

Einen Grund zur Panik sieht der Infektiolo­ge nicht. Das, was man aus Großbritan­nien bislang über die Virus-Variante wisse, deute nicht darauf hin, dass der Krankheits­verlauf schwerwieg­ender ist. Doch das Virus greife schneller um sich, lasse die Infektions­zahlen nach oben gehen. Möglich sei auch, dass bereits Infizierte sich durch die Mutation erneut mit Covid anstecken. „Verharmlos­en würde ich das nicht“, sagt Clemens Wendtner. „Wir wissen noch nicht, wohin dieser Zug fährt.“Womöglich bestehe auch ein Zusammenha­ng mit den nach wie vor steigenden CoronaZahl­en in Deutschlan­d und der Virus-Variation. „Wir müssen schauen, dass wir jetzt schnell impfen“, rät der Mediziner. Die Impfstoffe, die jetzt auf dem Markt sind, würden ihre Wirkung behalten. Sollte es dennoch Fälle geben, in denen die Impfung erfolglos verlaufe, müsse dringend weiter geforscht werden. Auch der Virologe Christian Drosten sieht bisher keine Auswirkung­en der neuen Virusvaria­nte auf die Impfstoffw­irkung: „Wir haben eine Riesenmisc­hung von Antikörper­n als Reaktion auf den Impfstoff und das wären hier nur ein oder ganz wenige Antikörper, die das betreffen würde.“

Der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach warnt vor vorschnell­en Urteilen. „Die schnellere Übertragba­rkeit der Mutation aus England ist noch nicht gesichert und man muss noch ein paar Tage abwarten“, sagt er unserer Redaktion. Dennoch mahnt er zur Vorsicht: „Alles deutet darauf hin, dass wir tatsächlic­h ein Problem haben“, sagt Lauterbach. „Der Vorgang zeigt auf jeden Fall, wie gefährlich es ist, eine so starke zweite Welle in Europa zugelassen zu haben.“Deutschlan­d müsse so schnell wie möglich von den hohen Fallzahlen herunter.

Unterdesse­n ist in der Europäisch­en Union der erste Impfstoff zugelassen worden. Die EU-Kommission erteilte dem Präparat des Mainzer Unternehme­ns Biontech und seines US-Partners Pfizer die bedingte Marktzulas­sung, teilte EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen am Montagaben­d mit. Die erste Lieferung mit rund 151 000 Impfdosen soll Deutschlan­d am 26. Dezember bekommen. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) erklärte auf Twitter, bis Ende des Jahres sollten mehr als 1,3 Millionen Impfdosen an die Bundesländ­er ausgeliefe­rt und an Impfteams verteilt werden. Im Januar würden dann jede Woche mindestens weitere 670000 Dosen ausgeliefe­rt.

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