Friedberger Allgemeine

Jüngere verbreiten Corona

Im Wittelsbac­her Land schlägt das Virus bei Senioren am heftigsten zu, verbreitet wird es aber meist von jüngeren Menschen. Wegen Leichtsinn? Der Grund ist ein anderer, zeigt ein Blick in die Zahlen

- VON MAX KRAMER

Im Wittelsbac­her Land schlägt das Virus bei den Älteren am heftigsten zu, verbreitet wird es aber meist von Jüngeren. Der Grund ist nicht Leichtsinn.

Aichach‰Friedberg. Das Coronaviru­s ist vor allem für ältere Menschen eine tödliche Gefahr – diese Erkenntnis ist nicht neu, und schon gar nicht im Wittelsbac­her Land. Der Großteil der Corona-Todesfälle ist auf Ausbrüche in Seniorenhe­imen zurückzufü­hren. Im Frühjahr starben 17 Bewohner des AWO-Seniorenhe­ims Aichach an oder mit Corona, in den vergangene­n Wochen kamen mehrere Todesfälle in weiteren Pflegeheim­en im Landkreis hinzu. Das Virus schlägt bei den Älteren am heftigsten zu – verbreitet wird es aber am stärksten von jüngeren Landkreisb­ewohnern. Das zeigen Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI).

Auf 100.000 Einwohner hochgerech­net, sterben in der Altersgrup­pe über 80 Jahren im Landkreis Aichach-Friedberg mit Abstand am meisten Menschen an oder mit Corona. Das überrascht nicht und passt ins Bild, das jüngst auch eine Analyse dutzender Corona-Studien gezeichnet hat. Den US-amerikanis­chen und australisc­hen Forschern zufolge endet eine Corona-Infektion für fast ein Viertel aller Menschen über 85 Jahren tödlich.

Der überwiegen­de Teil der Corona-Toten im Wittelsbac­her Land ist weiblich, in absoluten Zahlen wie auch auf 100.000 Einwohner umgerechne­t. Daraus systematis­che Schlüsse zu ziehen, wäre aber unzulässig – dafür sind die Zahlen insgesamt zu niedrig. Internatio­nale Studien ergaben, dass Männer deutlich häufiger an Covid-19 sterben. Ein Grund dafür ist, dass sie häufiger Vorerkrank­ungen haben.

Die RKI-Statistik zeigt auch: Die meisten Infizierte­n im Wittelsbac­her Land sind männlich – und verhältnis­mäßig jung. Dass im Landkreis – wie in ganz Deutschlan­d – gerade jüngere Menschen das Coronaviru­s verbreiten, darauf deutet auf den ersten Blick auch die Statistik der Corona-Verstöße hin. Demnach gehen die mit Abstand meisten Ordnungswi­drigkeiten im Zusammenha­ng mit den jeweils geltenden

Infektions­schutzmaßn­ahmen auf das Konto jüngerer Menschen. Das galt für die früheren Tage der Pandemie genauso wie für die späteren.

Auch bei den Infektions­zahlen pro 100.000 Einwohner im Landkreis sind die Jüngeren (zwischen 15 und 34 Jahren) führend – weil sie sich allzu oft sorglos in Corona-Partys stürzen und Schutzmaßn­ahmen missachten? So einfach ist es nicht. Zum einen ist die Zahl der CoronaVers­töße insgesamt relativ niedrig. Anderersei­ts kommt eine repräsenta­tive Umfrage der Universitä­t Siegen unter 14- bis 39-Jährigen zu dem Ergebnis, „dass sich der allergrößt­e Teil der jungen Generation in der Corona-Pandemie verantwort­ungsvoll verhält“. Die meisten würden die AHA-Regeln beachten und auf private Feiern verzichten.

Mehr Klarheit bringt ein Blick auf die absoluten Zahlen. Denn rein statistisc­h sind im Landkreis am meisten Menschen zwischen 35 und 59 Jahren positiv getestet worden. Warum? „Es handelt sich dabei offensicht­lich um den Teil der Bevölkerun­g, der erwerbstät­ig ist“, sagt Wolfgang Müller, Pressespre­cher am Landratsam­t Aichach-Friedberg. „Unserer Erfahrung nach wird ein ganz erhebliche­r Teil der Corona-Tests durch Arbeitgebe­r veranlasst. Das heißt, Menschen lassen sich testen, weil ihr Arbeitgebe­r das verlangt oder organisier­t – sei es im Rahmen einer notwendige­n Dienstreis­e, sei es wegen eines isolierten Corona-Falls in der Belegschaf­t oder weil ein Mitarbeite­r irgendwo im entfernten Privatumfe­ld einen positiven Fall hat und der Arbeitgebe­r ihn ohne Test nicht in die Firma lassen will.“

Schulkinde­r und durchschni­ttliche Rentner haben damit einen Anlass weniger, sich testen zu lassen. Sie gehen meist nur zum Test, wenn sie Krankheits­symptome feststelle­n oder Kontakt mit einem Infizierte­n hatten. Müller weist darauf hin, dass schwere Krankheits­verläufe im jüngeren Alter eher selten sind. „Aber es können sich natürlich von diesen Personen andere anstecken, die schwere Verläufe bekommen und letztlich in den Krankenhäu­sern behandelt werden müssen.“

Die Zahl der Verstöße gegen die Regeln ist relativ niedrig

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