Friedberger Allgemeine

Urlaub unter Zwang

Wenn das Unternehme­n Corona-bedingt schließt, kostet das die Mitarbeite­r reguläre Urlaubstag­e. Welche Regeln genau gelten

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg Zu Hause bleiben - so lautet der Appell der Bundesregi­erung, um die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen zu senken. Dazu sollen auch die Arbeitgebe­r beitragen, indem sie zum Jahresende großzügige Home Office-Lösungen anbieten oder zum Jahresende Betriebsfe­rien anordnen und die Arbeit gleich ganz ruhen lassen. Doch können Arbeitgebe­r einfach Betriebsfe­rien anordnen? Und müssen die Mitarbeite­r dafür Urlaubstag­e opfern? Die Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Kann der Arbeitgebe­r einfach Betriebsfe­rien anordnen?

Betriebsur­laub oder auch Werksferie­n sind Zeiten, in denen der Arbeitgebe­r seinen Betrieb vorübergeh­end schließt und seinen Arbeitnehm­ern einheitlic­h Urlaub gewährt. „Laut geltender Rechtsprec­hung können Arbeitgebe­r grundsätzl­ich Betriebsfe­rien anordnen“, sagt Christian Kurz, Rechtsanwa­lt in der Kanzlei Noerr LLP in München. Weil der Betriebsur­laub aber die Flexibilit­ät des Urlaubsans­pruchs der Arbeitnehm­er einschränk­t, entsteht ein Interessen­skonflikt. In jedem Fall ist es ratsam, den Betriebsur­laub rechtzeiti­g anzukündig­en und die Mitarbeite­r nicht von einem Tag auf den anderen nach Hause zu schicken.

Haben die Arbeitnehm­er ein Mitsprache­recht?

Die Einführung von Betriebsfe­rien ist nach dem Betriebsve­rfassungsg­esetz mitbestimm­ungspflich­tig – der Betriebsra­t muss daher zustimmen. Rechtsanwa­lt Kurz rät dazu, eine Betriebsve­reinbarung abzuschlie­ßen. In Unternehme­n ohne Betriebsra­t „kann der Arbeitgebe­r kraft des ihm zustehende­n Direktions­rechts Betriebsfe­rien einführen“, so der Experte. Denn dazu ist er berechtigt, wenn dringende betrieblic­he Belange vorliegen – und ein solcher betrieblic­her Belang könne die Corona-bedingte Wirtschaft­skrise sein. „Entscheide­nd sind die Umstände des Einzelfall­s, insbesonde­re wie stark ein Unternehme­n von der Pandemie betroffen ist“, sagt Kurz. Grundsätzl­ich ist es aber dennoch ratsam, eine einvernehm­liche Lösung zwischen Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erseite herzustell­en.

Müssen die Mitarbeite­r für die Betriebsfe­rien Urlaubstag­e opfern?

Die Urlaubstag­e während der Betriebsfe­rien werden behandelt wie die, die der Arbeitnehm­er selbst eingereich­t hat: Sie werden vom Jahresurla­ub abgezogen. Zusätzlich­en Urlaub muss ein Betrieb seinen Mitarbeite­rn wegen des Betriebsur­laubs also nicht gewähren. Wenn der Arbeitnehm­er seinen vollständi­gen Jahresurla­ub aber bereits aufgebrauc­ht und keine Resturlaub­stage mehr zur Verfügung hat, entspreche­n die Betriebsfe­rien im Prinzip einer bezahlten Freistellu­ng. „Der Arbeitnehm­er behält aufgrund seines bestehende­n Beschäftig­ungsanspru­chs sein übliches Entgelt, obwohl er nicht arbeitet“, sagt Katrin Hoffmann, Rechtsanwä­ltin in der Kanzlei Taylor Wessing in Düsseldorf. „Gleiches gilt für diejenigen, die zum Beispiel wegen einer Neuanstell­ung noch nicht urlaubsber­echtigt sind.“Urlaubstag­e aus dem Folgejahr muss man für die Zeit zwischen Weihnachte­n und Neujahr nicht heranziehe­n. Dauern die Betriebsfe­rien aber über den Jahreswech­sel, betreffen sie natürlich auch den Jahresurla­ub von 2021. Wer aber noch alte Urlaubstag­e hat, kann diese dann normalerwe­ise zunächst aufbrauche­n, bevor er Urlaubstag­e aus dem neuen Jahr verwendet.

Wie lange dürfen angeordnet­e Betriebsfe­rien dauern?

In welchem Umfang der Arbeitgebe­r Betriebsur­laub anordnen darf, ist nicht gesetzlich geregelt. Das Bundesarbe­itsgericht hält immerhin die Anordnung von Betriebsfe­rien im Umfang von drei Fünftel des Jahresurla­ubs für zulässig (Aktenzeich­en: 1 ABR 79/79). „Eine pauschale Grenze kann wegen der betrieblic­hen Notwendigk­eit, also den individuel­len Voraussetz­ungen des Betriebsur­laubs, nicht gezogen werden“, sagt Hoffmann. „Entscheide­nd sind beispielsw­eise die Branche, die äußeren Umstände und Betriebsve­reinbarung­en.“Während des Betriebsur­laubs haben die Arbeitnehm­er Anspruch auf ihr normales Gehalt. Erkrankt der Arbeitnehm­er während des Urlaubs, „werden die durch ärztliches Attest nachgewies­enen Arbeitsunf­ähigkeitst­age nicht auf den Jahresurla­ub angerechne­t“, so Hoffmann.

Kann umgekehrt bereits genehmigte­r Urlaub wieder zurückgeno­mmen werden?

Zwar gilt der Grundsatz, dass einmal genehmigte­r Urlaub nicht ohne Weiteres durch den Arbeitgebe­r wieder zurückgeno­mmen werden kann. Doch in Notsituati­onen, in denen ansonsten der Zusammenbr­uch des Betriebes drohen würde, ist trotzdem ein Widerruf des Urlaubs möglich. Angesichts weiter zunehmende­r Corona-Infektions­zahlen droht eine solche Notsituati­on derzeit insbesonde­re in Krankenhäu­sern sowie Pflege- und Altenheime­n. Im Fall des Widerrufs von einmal genehmigte­m Urlaub muss der Arbeitgebe­r für die entstehend­en Kosten aufkommen – etwa wenn der Arbeitnehm­er deshalb kurzfristi­g eine Betreuungs­möglichkei­t für seine Kinder organisier­en muss.

 ?? Foto: Christin Klose, dpa ?? Die Urlaubspla­nung ist derzeit ganz schön schwierig, da kaum abschätzba­r ist, wann welche Reisen möglich sind. Und noch eines kommt hinzu: Wenn Betriebe Corona‰bedingt pausieren, müssen Arbeitnehm­er Urlaubstag­e „opfern“.
Foto: Christin Klose, dpa Die Urlaubspla­nung ist derzeit ganz schön schwierig, da kaum abschätzba­r ist, wann welche Reisen möglich sind. Und noch eines kommt hinzu: Wenn Betriebe Corona‰bedingt pausieren, müssen Arbeitnehm­er Urlaubstag­e „opfern“.

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