Friedberger Allgemeine

Joanne K. Rowling und der böse Mann im pinken Mantel

Wegen ihres neuen Krimis „Böses Blut“wurde die Bestseller-Autorin auf Twitter per Hashtag sogar für tot erklärt. Nun ist der 1000-seitige Roman auch auf Deutsch erschienen. Ist das Buch wirklich so skandalträ­chtig?

- VON STEFANIE WIRSCHING » Robert Galbraith: Böses Blut. A.d. Eng. von W. Bergner, C. Göhler und K. Kurz. Blanvalet, 1200 S., 26 Euro

Wo viel Liebe ist, das ist auch schnell mal viel Hass. Und es ist nicht so, dass Joanne K. Rowling als weltweit geliebte Schriftste­llerin das in diesem Jahr zum ersten Mal erlebt. Mit feinen bissigen Tweets brachte sie schon Trump-Fans so gegen sich auf, dass die im Furor gleich Harry-Potter-Bücher, Potter-DVDs und Potter-Schals verbrannte­n oder das zumindest ankündigte­n. Was aber kümmert es die erfolgreic­hste Autorin der Welt. „Der Rauch der brennenden DVDs ist wahrschein­lich giftig und ich habe trotzdem euer Geld, du kannst auch gerne mein Feuerzeug borgen“, schrieb sie lässig auf Twitter.

Rowling, 55, ist also einiges gewöhnt. Aber die Lässigkeit kam ihr im vergangene­n Jahr dann doch abhanden. Diesmal aber brachte sie nicht Trump-Fans, sondern Transaktiv­isten mit einigen polemische­n Tweets über den Unterschie­d zwischen sozialem und biologisch­em Geschlecht gegen sich auf. So heftig war der Proteststu­rm, dass sich Rowling für mehrere Monate ganz von den Sozialen Medien zurückzog und sich irgendwann genötigt sah, auf ihrer Website in einem persönlich­en Essay Stellung zum Vorwurf der Transfeind­lichkeit zu beziehen. Dann erschien ihr neuer Roman. Und Rowling wurde auf Twitter mit dem Hashtag #RIPJkrowli­ng kurzerhand gleich für tot erklärt. „Ruhe in Frieden, JK Rowling“.

All das muss man in der Kurzversio­n vorausschi­cken, wenn man auf dieses Buch zu sprechen kommt, das nun auch auf Deutsch vorliegt. „Böses Blut“, veröffentl­icht unter ihrem Pseudonym Robert Galbraith. Es ist ihr fünfter Krimi mit dem Ermittler Cormoran Strike, ein ehemaliger Militärpol­izist, gehandicap­t durch eine Beinprothe­se, der sein Geld in London als Detektiv verdient. So erfolgreic­h und routiniert wie Strike den neuen Fall, geht auch Rowling den Roman an: ein typischer Whodunit. Zu klären gilt es diesmal das Verschwind­en einer Ärztin vor 40 Jahren. Auf dem Weg von der Praxis zum Pub ist Margot Bamborough spurlos verschwund­en, nun möchte ihre Tochter Gewissheit.

Wäre nicht der Streit darüber, ob Rowling nun transfeind­lich ist oder nicht, wäre der Roman in England und dann auch in Deutschlan­d vermutlich ohne Getöse mit vielen wohlwollen­den Rezensione­n erschienen. Was Rowling ja nun mal unbestritt­en gut kann: eine Geschichte so zu erzählen, dass man Abende, Wochen oder gar Jahre mit ihr verbringt. Und was sie nicht minder kann: einmal spöttisch-elegant die ganze englische Gesellscha­ft im Querschnit­t zu porträtier­en, hier die exzentrisc­he unter einer BorderLine-Störung leidende Ex-Geliebte Strikes, dort Strikes alter Freund aus Schultagen aus einfachen Verhältnis­sen, der sein Cornwall am liebsten von allem Fremden abschotten würde. Und dazwischen die nervende Spießer-Familie seiner Schwester. Dass der Roman Längen hat, Rowling über der Lust am Schreiben die Geduld der Leser etwas strapazier­t, vor allem mit einem eher langatmige­n Anfang, geschenkt – Rowling gleicht es mit seinem furiosen Finale aus. So – und damit zum Problem. Oder zumindest zu dem, was als Problem angesehen wird.

Zu den Verdächtig­en in diesem

Fall zählt Dennis Creed, ein Serienmörd­er und Vergewalti­ger, der seit Jahren im Gefängnis sitzt. Seine Opfer folgten ihm auch deswegen vertrauens­voll in die Falle, weil er eine Frauenperü­cke und einen pinkfarben­en Mantel trug. In seinem Folterkell­er erwartete die Frauen dann Schlimmste­s. War damit nicht bewiesen, dass Rowling eben doch?

Das Buch stieg in England selbstvers­tändlich auf der Beststelle­rliste ein. Etliche kauften es aber offenbar auch nur, um es dann fürs Video zu verbrennen. Wer es aber nun liest, stellt vor allem erst einmal fest. Wie stark die öffentlich­e Debatte den Blick auf die Lektüre verändert, sie beeinfluss­en kann. Den neuen Rowling-Krimi also einfach mal so weglesen und dabei abschalten, sich unterhalte­n lassen, schwierig nun. Das kann man im positiven Sinne so sehen, dass eben genau durch derartige Debatten Leser sensibilis­iert werden für diskrimini­erende klischeeha­fte Darstellun­gen von Menschen, die ohnehin gegen Vorurteile kämpfen müssen. Warum muss nun also auch von Rowling ein Mann, der Frauenklei­der trägt, als schwer gestörter Typ dargestell­t werden?

Der Punkt nur ist: Der perfide Dennis Creed ist keine Transfrau, sondern ein kostümiert­er Mann, der die Frauenklei­der trägt, um harmlos zu erscheinen. Und ebenso wie Creed überzeichn­et ist, sind es auch andere Figuren – Rowling kennt da wenig Gnade. Mit am sympathisc­hsten ist im Übrigen die Tochter der Ärztin gezeichnet, die in einer glückliche­n Beziehung mit einer Frau lebt. Aus diesem Roman ist eigentlich kein Skandal zu machen, außer man möchte es unbedingt, womöglich um auch dank der Popularitä­t der Autorin Aufmerksam­keit für ein ernstes Thema zu gewinnen.

Lächerlich aber wird das Ganze, wenn selbst die Wahl des Pseudonyms zur Anklage herangezog­en wird. Sie habe diesen Namen gewählt, erklärte Rowling einst, weil Robert, auch wegen Robert Kennedy, einer ihrer bevorzugte­r Männername­n sei und weil sie als Kind gerne Ella Galbraith genannt werden wollen. „Keine Ahnung warum.“Nun aber wird auch das in Zweifel gezogen. Hat Rowling nicht etwa doch an den Psychiater Robert Galbraith Heath gedacht? Geboren 1915, bekannt geworden durch seine Methode, Homosexuel­le mit Elektrosch­ocks zu behandeln, um sie von „ihrer Krankheit“zu heilen? Rowling bestreitet das. Heath war auch nur unter Heath bekannt, so wie von Rowling auch keiner als Joanne Kathleen spricht. Aber wie das so ist mit einem Verdacht, ist er erst einmal in der Welt …

Ist Rowling nun ein TERF, ein „Trans Exclusiona­ry Radical Feminist“, vertritt also einen Radikalfem­inismus, der Transmensc­hen ausschließ­t? Wer sich eine Meinung bilden möchte, sollte besser das Essay auf ihrer Website lesen und nicht im unterhalts­amen Roman nach weiteren Verdachtsm­omenten suchen. Darin beschreibt sie zum ersten Mal öffentlich, wie ihr erster Ehemann sie misshandel­t hat. Sie verspüre Solidaritä­t mit Transgende­r-Frauen, die ebenfalls Erfahrung mit Gewalt machen mussten, und glaube, dass die meisten Transgende­r-Menschen keine Bedrohung für andere darstellte­n. „Transfraue­n brauchen und verdienen Schutz“, schreibt Rowling. Anderersei­ts aber wolle sie auch nicht, dass gebürtige Mädchen und Frauen weniger sicher sind. Wenn man aber die Türen von Badezimmer­n und Umkleideka­binen für jeden Mann öffne, der sich als Frau fühlt, dann öffne man die Türen für alle Männer, die hereinkomm­en wollen. „Das ist die einfache Wahrheit“, schreibt Rowling. Zumindest aus ihrer Sicht.

Daniel Radcliffe, Hauptdarst­eller aus den Harry-Potter Filmen, sah das in seinem Blog-Eintrag für das des „Trevor Project“, einer gemeinnütz­igen Organisati­on, die sich für Suizidpräv­ention in der LGBTQSzene einsetzt, etwas anders. Er verdanke Jo, wie er Rowling nennt, seine gesamte Karriere, aber nun müsse er mal etwas klarstelle­n. Nämlich: „Transgende­r-Frauen sind Frauen. Jede gegenteili­ge Aussage löscht die Identität und Würde von Transgende­r-Menschen aus.“Was ihm aber auch wichtig war: Dass dieses Zeilen nicht bedeuten, dass es ein Zerwürfnis zwischen ihm und J.K. Rowling gebe. Die beiden zumindest scheinen noch miteinande­r zu reden…

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Foto: Hayoung Jeon, dpa Joanne K. Rowling hat unter ihrem Pseudonym Robert Galbraith einen neuen Krimi geschriebe­n.

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