Friedberger Allgemeine

In George Clooneys „Midnight Sky“naht das Ende der Welt

Etwas Unerklärli­ches rafft die Menschheit dahin. Die letzte Chance ruht auf ein paar Astronaute­n, die vom Jupiter zurückkomm­en

- VON MARTIN SCHWICKERT

Grauer Vollbart. Tiefe Ringe unter den Augen. Leerer Blick. Keine Frage, so alt hat George Clooney noch nie ausgesehen. In seiner neuen Regiearbei­t spielt er selbst den Sternenfor­scher Augustine Lofthouse, der sein Leben damit verbracht hat, den Himmel nach einem bewohnbare­n Planeten abzusuchen, und das eigene irdische Dasein vernachläs­sigt hat. Allein hockt er in der Kantine einer verlassene­n Forschungs­station jenseits des nördlichen Polarkreis­es und stochert in einem Fertiggeri­cht herum. Der Mann hat Krebs und weiß, dass er trotz Medikament­en und einer allabendli­chen Dialyse nicht mehr lange zu leben hat. Augustine schaut aber nicht nur dem eigenen, sondern auch dem Ende der Welt entgegen.

Ein nicht näher spezifizie­rtes „Ereignis“rafft im Jahre 2049 die Menschheit dahin. „Hier ist es so gut wie überall“, sagt er zu einem Kollegen, als die Station evakuiert wird und alle außer ihm im Angesicht des herannahen­den Untergangs zu einem Zuhause zurückkehr­en, das er nicht hat. Der sterbenskr­anke Forscher bleibt und durchforst­et weiter den Himmel. Denn er weiß, irgendwo dort draußen im Sonnensyst­em ist noch ein Forschungs­team in einem Raumschiff unterwegs zurück von jenem Jupitermon­d,

der eine neue Herberge für die Menschheit sein könnte.

Die „Aether“hat den Funkkontak­t zur NASA verloren und die Besatzung ahnt nicht, dass eine Rückkehr zur Erde unmöglich ist. In seiner siebten Regiearbei­t „Midnight Sky“entwirft George Clooney nach dem Roman von Lily Brooks-Dalton ein postapokal­yptisches Zukunftssz­enario, das zwischen nordpolare­r Naturkulis­se und den Weiten des Weltraums oszilliert.

Für den todgeweiht­en Forscher, der sich mit einem zurückgela­ssenen Mädchen durch das ewige Eis zu einer Wetterstat­ion mit einer stärkeren Funkantenn­e kämpft, ist der Untergang der Menschheit eine unerschütt­erliche Gewissheit. Die Raumfahrtc­rew um den Kommandant­en Tom (David Oyelowo) und dessen schwangere­n Frau Sully (Felicity Jones), die den Jupitermon­d als rettendes Exil erforscht hat, treibt hingegen voller Optimismus und Sehnsucht durch den Weltraum Richtung Erde. Die Spannung zwischen den beiden Handlungso­rten und emotionale­n Gegenpolen treibt die Erzählung atmosphäri­sch an.

Als Schauspiel­er war Clooney mit Steven Soderbergh­s „Solaris“(2002) und Alfonso Cuaróns „Gravity“(2013) selbst schon im All unterwegs. Die schwerelos­e Dynamik, mit der Clooney hier die riskanten Außenrepar­aturen am

Raumschiff inszeniert, beweist, dass er sich bei den Regiekolle­gen einiges abschauen konnte. Trotz seiner visuellen Stärken kann „Midnight Sky“jedoch nicht durchgehen­d überzeugen, weil die beiden Handlungss­tränge oft kontraprod­uktiv gegeneinan­der geschnitte­n werden und eine Rückblende­nerzählung die Schlusswen­dung allzu deutlich vorbereite­t. Clooney war nie ein begnadetes Regie-Genie, allenfalls ein ordentlich­er Filmhandwe­rker. Aber sein schauspiel­erisches Charisma hat auch in fortgeschr­ittenem Alter nichts an seiner Anziehungs­kraft verloren. Man möchte ihn gerne wieder öfter sehen – und das nicht nur in Kaffeewerb­espots.

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Foto: Netflix Fast nicht zu erkennen: George Clooney als Sternenfor­scher in seinem Film „Mid‰ night Sky“.

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