Friedberger Allgemeine

Der nächste Last‰Minute‰Deal

Nach sieben Jahren erreichen die Europäisch­e Union und China einen Durchbruch beim Investitio­nsabkommen. Peking hat sich bewegt und kassiert etliche Zwangsinst­rumente für Unternehme­n. Warum der Handelsver­trag so ambitionie­rt ist

- VOn DETLEF DREWES

Brüssel/Peking Die EU hat offenbar ein Faible für Last-Minute-Deals. An Heiligaben­d wurde das Handelsabk­ommen mit Großbritan­nien bekannt gegeben. Am heutigen Mittwoch werden Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und der chinesisch­e Parteichef Xi Jinping einen Durchbruch verkünden, der noch weitaus schwierige­r war: Peking und Brüssel haben ein Investitio­nsabkommen vereinbart, von dem EU-Offizielle am Dienstag sagten, es sei der „ambitionie­rteste“Handelsver­trag, den China je mit einem Drittstaat geschlosse­n habe.

Sieben Jahre dauerten die Verhandlun­gen, und auch die Hoffnung der deutschen EU-Ratspräsid­entschaft, den Vertrag innerhalb des sechsmonat­igen Vorsitzes bei einem Gipfeltref­fen auf deutschem Boden hinzukrieg­en, zerschlug sich. Als offizielle Begründung wurde auf die Pandemie verwiesen. Doch nun steht die Vereinbaru­ng, für die sich vor allem Peking massiv bewegt hat.

EU-Firmen müssen nicht länger hinnehmen, dass ihre Technologi­e dem Zugriff der chinesisch­en Konkurrenz preisgegeb­en wird. Bei den Staatsbeih­ilfen, die Pekings Führung eigenen Betrieben in großem zukommen lässt und damit den Wettbewerb verzerrt, sollen schon bald die gleichen Standards wie in der EU gelten. Transparen­z wird auf allen Gebieten versproche­n.

Als besonders weitreiche­nd werden jedoch die Zugeständn­isse Chinas bei den Arbeitnehm­errechten bewertet. Den Vereinbaru­ngen zufolge wird Peking „dauerhafte und nachhaltig­e Anstrengun­gen“zur Ratifizier­ung der Konvention der internatio­nalen Arbeitsorg­anisation ILO unternehme­n. Dazu gehört auch, dass das Regime nun unabhängig­e Gewerkscha­ften zulässt. Eine weitere Überraschu­ng: Künftig will China keine Zwangsarbe­it mehr dulden – für ein Land, das sich mit schweren Vorwürfen konfrontie­rt sieht, die unterdrück­te Minderheit der Uiguren als billige Arbeitskrä­fte zu versklaven, sei dies eine „erstaunlic­he Bewegung“, hieß es am Dienstag aus Kreisen der Europäisch­en Kommission. Denn gerade die bisherige Menschenre­chtspoliti­k der Führung in Peking hatte in den vergangene­n Jahren immer wieder eine engere Zusammenar­beit des Westens mit dem Land blockiert. Außerdem legte sich Peking auf langfristi­ge Ziele zur „nachhaltig­en Entwicklun­g“fest.

Die EU sichert den Unternehme­n und Investoren aus Fernost in gleichem Maße wie umgekehrt die Beseitigun­g von Barrieren für Engagement­s auf dem Binnenmark­t zu. Es soll einfachere und sichere rechtliche Rahmenbedi­ngungen für GeldUmfang geber von beiden Seiten geben. Und so, wie europäisch­e Investoren nun ohne Angst um ihr Geld in China einsteigen können, sollen Betriebe aus dem Reich der Mitte auf dem europäisch­en Markt tätig werden können.

Für beide Seiten geht es um weitreiche­nde Perspektiv­en. Schon bisher werden an jedem Tag Waren und Dienstleis­tungen im Wert von einer Milliarde Euro zwischen beiden Partnern abgewickel­t. Das klingt nach viel, aber erst der Vergleich mit den USA macht den aus chinesisch­er und europäisch­er Sicht möglichen Wachstumss­chub deutlich: Nur 2,1 Prozent der gesamten ausländisc­hen Direktinve­stitionen der EU gingen bisher an China, 30 Prozent in die USA.

Mit der für den heutigen Mittwoch erwarteten Verkündigu­ng des Abschlusse­s ist das Abkommen aber noch nicht unter Dach und Fach. Es muss zunächst vom Europäisch­en Parlament noch ratifizier­t werden. Und dort wollen die Abgeordnet­en ganz besonders auf die eingebaute­n Garantien achten. „Wir werden sehr genau hinsehen, ob China die Vorgaben einhält und wie sie kontrollie­rt werden“, sagte der Chef des Handelsaus­schusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), gegenüber der Süddeutsch­en Zeitung. Er sei sicher, dass Peking deshalb auf einen schnellen Abschluss gedrängt habe, „um zu verhindern, dass der neue US-Präsident Joe Biden mit der EU eine Allianz gegen China schmieden kann“.

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Foto: dpa, SIPA Asia via ZUMA Wire, Yu Fangping Der Handel zwischen der Europäisch­en Union und China soll in den kommenden Jah‰ ren erheblich ausgeweite­t werden.

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