Die Krankenschwester
„Das emotionalste Jahr meiner Laufbahn“
Für mich war 2020 das bislang emotionalste Jahr meiner beruflichen Laufbahn. Noch nie hat mich die Arbeit in der Intensivstation auch persönlich so berührt. Es ist in diesen Zeiten fast unmöglich, nach der Arbeit abzuschalten. Fast jeden Abend stelle ich mir die Frage, wie es am nächsten Tag wohl weitergeht, wie viele freie Betten wir noch haben, wie es den Patienten geht.
Gerade für Covid-19-Patienten, die keinen Besuch empfangen dürfen, sind wir, also das medizinische Personal, manchmal über Tage hinweg die einzigen Ansprechpartner, man baut eine Beziehung auf. Das ist schön und belastend zugleich. Denn viele von ihnen haben Angst. Todesangst. Angst davor, nicht mehr aufzuwachen, wenn wir ihnen sagen müssen, dass wir sie ins Koma legen, um sie zu beatmen. Sie schauen uns an und bitten uns, alles dafür zu tun, dass sie weiterleben dürfen. Wir tun alles. Nur leider können wir trotzdem nicht jedem helfen. Das verfolgt einen monatelang.
Diese emotionale Betroffenheit ist noch belastender als die vielen Überstunden, die wir seit Monaten schieben. Noch belastender als die Arbeit in Schutzkleidung, in der man schon nach zehn Minuten von Kopf bis Fuß durchgeschwitzt ist. Wir arbeiten an den Grenzen unserer Belastbarkeit und darüber hinaus. Das funktioniert, weil wir ein super Team sind, wir uns gegenseitig unterstützen und helfen. Nur gemeinsam stehen wir das durch. Aber irgendwann sind auch unsere Kräfte am Ende. Ich hoffe, dass wir die Pandemie mit den Impfungen besser unter Kontrolle bekommen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass die Impfbereitschaft bei vielen Menschen noch nicht sehr hoch ist. Sie sollten wissen, dass sie es nicht nur für sich tun. Sondern vor allem auch für andere.