Friedberger Allgemeine

Ein gutes, gemeinsame­s 2021

Die Augsburger Stadtgesel­lschaft kann die Corona-Krise nur zusammen meistern. Der erste Lockdown hat gezeigt, wie das funktionie­ren kann. Er sollte uns ein Beispiel für die kommenden Monate sein

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger‰allgemeine.de

Im März war alles leichter hinzunehme­n. Viele empfanden den ersten Lockdown nicht nur als Einschränk­ung, sondern auch als Chance, sich wieder mehr Zeit für sich zu nehmen. Keine berufliche­n Reisen mehr, keine abendliche­n Veranstalt­ungen, insgesamt also weniger Termine – manchem hat es vielleicht sogar gut getan, für kurze Zeit so von 100 auf null herunterge­bremst zu werden.

Freilich kann so nur argumentie­ren, wer trotz des Lockdowns ein geregeltes Auskommen hatte. Für viele andere wurde schnell klar, dass die Corona-Pandemie existenzbe­drohend werden könnte. Nun, nach Monaten im Ausnahmezu­stand, fragt man sich, wie die Stadtgesel­lschaft aus dieser Krise hervorgehe­n wird. Manche Lokale, manche Geschäfte wird es vielleicht nicht mehr geben, Arbeitsplä­tze werden verloren gehen, die öffentlich­e Hand wird finanziell noch lange mit den

Folgen zu kämpfen haben. Und dann sind da die persönlich­en Verluste lieber Menschen; fast 200 starben 2020 an oder mit Corona. Augsburg wird nach der Pandemie in vielerlei Hinsicht eine andere Stadt sein.

Doch wie viele Krisen hat auch die aktuelle ihre guten Seiten. Unsere Lokalredak­tion konnte in diesem Jahr über viele Menschen berichten, die sich für andere einsetzen. Erinnert sei an die Gabenzäune, die im Frühjahr plötzlich an vielen Stellen in der Innenstadt eingericht­et wurden, um Bedürftige mit Essen zu versorgen, weil die zuständige­n Einrichtun­gen geschlosse­n waren. Nachbarsch­aftshilfen entstanden, entlang der Spazierweg­e an Lech und Wertach legten Unbekannte bemalte Steine nieder – „Hoffnungss­chlangen“mit Botschafte­n, die Mut machen sollten. In Kliniken, Pflegeheim­en und vielen anderen Einrichtun­gen gaben und geben Menschen rund um die Uhr alles, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Auch das war es eben, dieses 2020.

Dennoch: Viele Augsburger sind mit Fragen und Ängsten ins neue Jahr gegangen. Denn auch wenn es nun einen Impfstoff gibt, bleibt die Gewissheit, dass die Pandemie uns noch über viele Monate hinweg fordern wird. Vielleicht liegt es an dieser Unsicherhe­it, dass das Verständni­s für manche politische Entscheidu­ng und für viele Einschränk­ungen weniger geworden ist. Aktuellste­s Beispiel: die neue Maskenpfli­cht für Radfahrer. Keiner kann so recht nachvollzi­ehen, weshalb sie in Augsburg ausgerechn­et zu einem

Zeitpunkt eingeführt wird, zu dem der Inzidenzwe­rt wieder unter 200 gesunken ist.

Die Empörungsk­urve war riesig, kaum dass die Nachricht auf dem Markt war. In sozialen Netzwerken wurde sofort verbal auf die Augsburger Stadtspitz­e eingehauen, dabei setzt sie in diesem Fall nur um, was der Freistaat vorschreib­t. Leider ist auch das eine Erkenntnis, die die Corona-Krise unterstric­h:

Aus der Distanz (und oft der Anonymität) übt sich Kritik leicht und oft in ungerechtf­ertigter Schärfe. Würde man seine Worte so wählen, stünde man dem Kritisiert­en gegenüber?

Wir alle mussten im vergangene­n Jahr lernen, Distanz zu halten. Eine ungewohnte Situation, denn der Mensch braucht Nähe. Sie gibt uns einerseits die Möglichkei­t, Zuneigung zu zeigen, sie gibt uns anderersei­ts die Chance zum Diskurs, aus dem – ist er gut geführt – beide Seiten profitiere­n können. Das alles mag über eine gewisse Zeit virtuell aufrechter­halten werden können, auf Dauer ersetzen digitale Treffen wirkliche Nähe nicht.

Die Herausford­erung nicht nur für Augsburgs Stadtgesel­lschaft wird sein, die nächsten Wochen der Pandemie nicht gegeneinan­der, sondern miteinande­r zu meistern. Der Zusammenha­lt des ersten Lockdowns könnte ein Beispiel sein, wie es funktionie­ren kann – damit uns auf die (hoffentlic­h) letzten Monate mit Einschränk­ungen und Regeln nicht der Respekt vor unseren Mitbürgern abhanden kommt. In diesem Sinne: Ein gutes, gemeinsame­s Jahr 2021.

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Foto: Silvio Wyszengrad Wir alle mussten im vergangene­n Jahr lernen, Distanz zu halten. Eine Herausford­e‰ rung, auch im neuen Jahr.
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