Warten auf ein Wirtschaftswunder
Der Wirtschaftsraum Augsburg könnte die Corona-Krise meistern, sagen Experten. Dies liegt an den vielen mittelständischen Unternehmen und einem guten Branchenmix. Dennoch gibt es Sorgen
Die Corona-Pandemie schränkt das öffentliche Leben weiter ein. Auch zu Beginn des neuen Jahres bleiben viele Geschäfte erst einmal geschlossen. Die Sorge ist groß, dass heimische Unternehmen im neuen Jahr vor der Pleite stehen und viele Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren. Vertreter der regionalen Wirtschaftskammern und Gewerkschaften sehen trotz der Alarmzeichen mit Zuversicht nach vorne. Sie verweisen auf unterschiedliche Aspekte, die die Wirtschaftsregion stark machen. Die Krise lasse sich meistern, sagen sie.
Michael Leppek, Chef der IG Metall Augsburg, spricht davon, dass die Wirtschaftsregion „leider krisenerfahren“sei. Das klinge negativ, biete aber auch Chancen. „In der Vergangenheit ist es immer gelungen, Übergänge zu gestalten und Beschäftigung in neuen Bereichen aufzubauen“, sagt der Gewerkschaftsführer. Dazu brauche es ein gemeinsames koordiniertes Vorgehen, bei dem die Betroffenen mitgenommen und Zukunftsbilder beschrieben würden. Das sei in der Vergangenheit gut gelungen. Leppek sagt: „Deswegen bin ich optimistisch, dass es auch diesmal gelingt“.
Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) heißt es, dass sich der Großteil der Unternehmen auch dank staatlicher Hilfen erfolgreich gegen die Krise gestemmt habe. Matthias Köppel, Leiter des Geschäftsfelds Standortpolitik, betont: „Es ist nun wichtig, dass die Unternehmen auch jetzt schnelle Hilfe bekommen“. Anlass zur Zuversicht geben laut Köppel Ankündigungen der Politik, die Augsburg unterstützt. Die Hightech Agenda Plus, die in den kommenden Jahren 92 Millionen Euro für Künstliche Intelligenz vorsieht, habe für einen enormen Schub gesorgt und bereits erste Projekte zur Umsetzung auf den Weg gebracht. Das zeige, dass bei allen Unsicherheiten viele Unternehmen nicht ausschließlich im Krisenmodus arbeiten, sondern bereits in die Zukunft blicken.
Hoffnung für den Wirtschaftsstandort Augsburg mache in der Tat die „Hightech Agenda Plus“als wichtiges Instrument des Freistaats für die Region, sagt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Hand(Hwk). Allerdings müsse das Programm auch für kleine und mittlere Unternehmen laufen. Wagner: „Handwerksbetriebe werden sich nur beteiligen, wenn nicht nur die Partner aus der Wissenschaft umfangreich gefördert werden, sondern auch die Firmen“.
Wagner sieht die Region grundsätzlich gut aufgestellt. Das liege an einem breiten Mix aus Branchen und vielen mittelständischen Unternehmen, die erfahrungsgemäß in Wirtschaftskrisen verhältnismäßig robust sind. Gut sei, dass es vor allem das Handwerk gebe, sagt Wagner: „Die Wirtschaftsregion wird von dem starken Handwerk und seiner Rolle als Stabilitätsfaktor, als
Arbeitgeber und Ausbilder weiterhin profitieren“. Solange es die Pandemielage zulasse, müsse das Handwerk weiterarbeiten dürfen. Wichtig sei ferner, dass die Kunden sowie die öffentliche Hand dem Handwerk die Treue hielten und keine Aufträge stornierten.
Zuversicht strahlt auch Erdem Altinisik aus. „Es ist nicht die erste Krise in der Region“, sagt der Geschäftsführer der Gewerkschaft Verdi. Es gebe viele Branchen, die nur sehr gering betroffen seien, oder auch einige, die besser dastünden als zuvor und zu den Gewinnern der Krise zählten. „Mit etwas gesundem Optimismus werden wir auch diese Krise überstehen“, sagt Altinisik.
Wenn es nun darum geht, mit welchen Erwartungen die Wirtschaft ins Jahr 2021 geht, gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen. IGMetall-Chef Leppek sagt: „Wir als IG Metall wollen in den anstehenden Tarifrunden eine Mischung aus stabilem Einkommen und weiteren Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung. Auch brauchen wir eine gute Perspektive für die Auszubildenden.“In vielen Betrieben müsse man die Beschäftigung absichern und gleichzeitig in Zukunft investieren. Ulrich Wagner sieht schwierige Perspektiven für einzelne Unternehmen. Dies geht aus den Ergebnissen der jüngsten Umfragen hervor: „Auf die kommenden Monate blicken unwerkskammer sere Handwerksunternehmen mit Sorge. Die Erwartungen sind insgesamt gedämpft.“Die von den Schließungen betroffenen Betriebe bräuchten wirksame und vor allem schnelle Hilfe.
IHK-Vertreter Köppel sieht ebenfalls große Hürden, bevor der Wirtschaftsmotor wieder volle Fahrt aufnimmt: „2021 wird für die Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen kein einfaches Jahr. Viele Branchen müssen sich auf eine Berg- und Talfahrt einstellen.“Die wirtschaftliche Entwicklung hänge eng mit der Tragweite der Corona-Maßnahmen zusammen: Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens schlagen sich unmittelbar auf die Geschäfte im Tourismus, den Einzelhandel und bei den Veranstaltern nieder. Man habe lernen müssen, erst einmal weiter mit dem Coronavirus zu leben, sagt Verdi-Mann Altinisik: „Die Unterschiedlichkeit unserer Branchen, die wir bei Verdi vertreten, lässt allerdings keine einheitliche Einschätzung zu“. Wichtig werde es sein, wie die Tarifrunden verlaufen. Es bleibe beim Groß- und Einzelhandel abzuwarten, wie sich gerade die Lage auf diesem Sektor gestaltet. Man wisse um die Sorgen der Händler.
Und was bleibt vom Jahr 2020 besonders im Gedächtnis haften? Altinisik: „Besonders getroffen hat die Krise in finanzieller Hinsicht Geringverdiener und in dieser Gruppe diejenigen, die in einem Arbeitsverhältnis ohne Tarifbindung stehen beziehungsweise nicht gewerkschaftlich organisiert sind“. Köppel: „Die Corona-Krise hat alles überlagert und die Unternehmen im Frühjahr kalt erwischt“. Wagner: „Bislang hat das schwäbische Handwerk die pandemiebedingten Krisenfolgen vergleichsweise gut gemeistert, was natürlich damit zu tun hat, dass viele Gewerke auch während der Lockdowns weiterarbeiten durften und dürfen.“Leppek: „Alle Beteiligten (Arbeitgeber, Betriebsräte, Gewerkschaft, Arbeitsagentur, Verbände, Politik) haben schnell und gemeinsam gehandelt, sei es bei Gesundheitsschutz, bei Kurzarbeit als Beschäftigungsbrücke oder bei der Erarbeitung von konkreten Zukunftsthemen für die Region“.