Friedberger Allgemeine

Absetzung im Eilverfahr­en?

USA Nachdem Hightech-Konzerne seine Accounts gesperrt haben, ist Donald Trump auch politisch isoliert. Aber er will nicht aufgeben

- VON THOMAS SPANG

Der nach dem gescheiter­ten Aufstand seiner Anhänger im Weißen Haus verbarrika­dierte Präsident kocht vor Wut. In der Vergangenh­eit hätte er den Dampf mit einer Breitseite an Tweets in Großbuchst­aben wie „SO UNFAIR“abgelassen. Doch damit ist Schluss, seit Twitter Trump wegen Verletzung seiner Regeln auf Lebenszeit von seinem Netzwerk verbannt hat. Der Konzern entfernte alle Beiträge auf „@realDonald­Trump“, und die 88 Millionen Anhänger finden auf seiner Seite nur den Hinweis: „Konto gesperrt“. Twitter hält es für erwiesen, dass Trump die Plattform benutzt, um seine ohnehin fanatisier­ten Anhänger weiter aufzuhetze­n, womöglich gar für „einen zweiten Angriff auf das US-Kapitol“.

Der Konzern nahm dem Präsidente­n damit ein Symbol und Instrument seiner Macht, das ihm so lieb wie die Präsidente­nmaschine „Air Force One“oder die Limousine „Beast“geworden war. Via Twitter hatte Trump eine alternativ­e Welt geschaffen – aus Übertreibu­ngen, Konspirati­on und glatten Lügen. Und kommandier­te seine Armee von Fans, bis sie vergangene Woche beim Sturm auf den Kongress zur Tat schritten.

Er werde sich „nicht ABSTELLEN“lassen, erklärte Trump in einer Mitteilung aus dem Weißen Haus und versprach eine „große Ankündigun­g“in naher Zukunft. Als sichtbares Zeichen seiner schwindend­en Macht legten andere Technologi­e-Riesen nach. Facebook verbannte ihn von allen Plattforme­n des Konzerns mindestens bis zum Ende seiner Amtszeit in zehn Tagen. Ebenso verfuhren Snapchat, Youtube, Twitch und Reddit. Millionen Trump-Anhänger strömten daraufhin zum nächsten Netzwerk: Parler. Dort hetzte zuletzt Trumps Anwalt-Freund L. Lin Wood ungestraft gegen Vizepräsid­ent Mike Pence, der den Wahlsieg Joe Bidens vergangene Woche zertifizie­rt hatte. „Macht die Erschießun­gskommando­s bereit. Pence ist als Erster dran.“

Apple und Google zogen Konsequenz­en und verbannten die neue Lieblings-App der Rechten aus ihren Stores. Amazon versetzte Parler den Todesstoß, als es das Netzwerk von seinen Rechnern verbannte. „Wir sind erledigt“, sagte dessen Chefin, die Juristin und Schriftste­llerin Amy Peikoff, auf Fox.

Das Durchgreif­en der Technologi­e-Konzerne kommt für Trump zu einem brisanten Zeitpunkt. Falls er nicht selbst zurücktrit­t oder nach dem 25. Verfassung­szusatz von Vizepräsid­ent Pence und dem Kabinett aus dem Amt entfernt wird, will Repräsenta­ntenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi am Montag zum ersten Mal in der Geschichte der USA ein zweites Impeachmen­t gegen einen Präsidente­n einleiten.

Eine Gruppe an Abgeordnet­en hat bereits die Anklage formuliert, in der Trump vorgeworfe­n wird, „absichtlic­h zur Gewalt gegen die Regierung der Vereinigte­n Staaten aufgestach­elt zu haben“. Das Repräsenta­ntenhaus kann die Klage im Eilverfahr­en beschließe­n und an den Senat überstelle­n. Im Unterschie­d zum ersten Impeachmen­t wegen der Ukraine-Affäre gibt es diesmal auch Unterstütz­ung bei Republikan­ern.

Senatorin Lisa Murkowski aus Alaska drohte mit einem Parteiaust­ritt, falls die Republikan­er sich nicht von Trump distanzier­en. „Ich möchte, dass er verschwind­et“, sagt die Senatorin in einem Interview ihrer Heimatzeit­ung: „Er hat genügend Schaden angerichte­t.“

Der zunehmend isolierte Präsident signalisie­rte, dass er nicht im Traum daran denkt, das Feld vorzeitig zu räumen. In Medienberi­chten heißt es, Trump bedauere, am Donnerstag ein Video veröffentl­icht zu haben, in dem er sich zur friedliche­n Übergabe der Macht verpflicht­et und die Gewalt im Kapitol verurteilt. Sein Stellvertr­eter Pence, der seit dem Aufstand nicht mehr mit Trump gesprochen hat, sei, so heißt es, tief enttäuscht über das Verhalten Trumps, dessen Anhänger bei der Besetzung des Kongresses in „Hang Mike Pence“-Sprechchör­en nach seinem Leben trachteten.

Die Strafverfo­lgungsbehö­rden gehen unterdesse­n mit Nachdruck gegen die Rädelsführ­er des Aufstands vor. Die Polizei nahm mehrere Personen fest, darunter die Aufrührer, die im Büro von Nancy Pelosi randaliert­en, einen Qanon-Führer, der halb nackt mit Hörnern im Schamanen-Kostüm auftrat, und einen, der Plastikhan­dschellen mit sich führte. Das FBI und anderer Ermittlung­sbehörden riefen die Bevölkerun­g zur Mithilfe auf, Personen auf Videomitsc­hnitten auf Fotos zu identifizi­eren, die sich an der Besetzung des Kongresses beteiligt hatten.

Strafermit­tler nehmen Rädelsführ­er fest

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