Friedberger Allgemeine

Bußgelder für Homeoffice‰Verweigere­r?

Grünen-Fraktionsc­hefin Göring-Eckardt denkt an Sanktionen für Firmenchef­s, die ohne Not Heimarbeit verweigern

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Berlin Im verlängert­en Lockdown hat die Debatte um die Verantwort­ung der Wirtschaft im Kampf gegen das Coronaviru­s am Wochenende an Schärfe gewonnen. GrünenFrak­tionschefi­n Katrin GöringEcka­rdt fordert angesichts anhaltend hoher Infektions­zahlen und des Auftretens einer Virusmutat­ion, die Wirtschaft bei der Bekämpfung der Pandemie stärker in den Fokus zu nehmen. „Millionen Beschäftig­te sind täglich von Infektione­n bedroht, weil Schutzmaßn­ahmen in Unternehme­n nicht ausreichen, ohne Not Präsenzpfl­icht eingeforde­rt wird oder Risiken durch die Anfahrt in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln nicht mitgedacht werden“, sagte Göring-Eckardt. Bund und Länder hätten bei Einzelhand­el, Kultur und Schulen zwar harte Maßnahmen ergriffen. Für große Bereiche der Wirtschaft gebe es aber kaum verpflicht­ende Regeln. Das sei nicht nachvollzi­ehbar und unverantwo­rtlich.

„Beim Kampf gegen das Virus gehören Wirtschaft und Arbeitswel­t ins Zentrum“, sagte die Politikeri­n. Und Göring-Eckardt forderte, im Zweifel auch mit Sanktionen zu arbeiten. Wo Arbeitgebe­r uneinsicht­ig seien und ohne Grund Präsenz am Arbeitspla­tz einfordert­en, müsse „mit Bußgeldern Druck gemacht“werden, sagte sie. Die Bundesregi­erung habe eine klare Verantwort­ung und die rechtliche Möglichkei­t, bundeseinh­eitliche Regeln zu erlassen.

Zuletzt hatte etwa auch Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow kritisiert, dass manche Teile der Wirtschaft so tun könnten, als sei nichts. Arbeitgebe­r halten dagegen. „Wir müssen die Menschen pandemiege­schützt so gut es geht in Brot und Arbeit halten. Nur mit Wertschöpf­ung können wir unsere Sozialsyst­eme am Leben halten, die im Moment alle versorgen“, sagte Arbeitgebe­rpräsident Rainer Dulger am Sonntag. Das Land müsse am Laufen gehalten, Insolvenze­n sollten vermieden werden. „Sie können doch nicht alle Betriebe schließen“, so Dulger. Für Diskussion­en sorgt weiterhin auch, wie Firmen mit dem Homeoffice umgehen. Ein Gesetzentw­urf von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) sieht zwar vor, dass Arbeitnehm­er das Recht bekommen sollen, einen Wunsch nach regelmäßig­em mobilem Arbeiten mit ihrem Arbeitgebe­r zu erörtern. Ein ursprüngli­ch angedachte­s Recht auf Homeoffice ist allerdings nicht mehr geplant – die Union ist dagegen (wir berichtete­n). Bund und Länder haben die Arbeitgebe­r lediglich „dringend gebeten“, großzügige Homeoffice-Möglichkei­ten zu schaffen. Auf Twitter setzte eine Debatte unter dem Schlagwort #MachtBuero­szu ein. Nutzer erzählen Geschichte­n aus ihrem Alltag über eine Präsenzpfl­icht und dass sie mit der U-Bahn ins Büro fahren müssten, trotz der hohen CoronaNeui­nfektionsz­ahlen.

In die sich am Wochenende zuspitzend­e Debatte schalten sich auch immer mehr Gewerkscha­fter ein. Verdi-Chef Frank Werneke sagte, die Bundesregi­erung müsse verbindlic­he Regelungen schaffen. Die Betriebe stünden in der Pflicht, für einen möglichst wirksamen Infektions­schutz zu sorgen. Dazu gehöre in der jetzigen Phase der Pandemie das Arbeiten von daheim aus, „wo immer das möglich ist“. Der Gewerkscha­ftschef warnte jedoch davor, Beschäftig­te zum Arbeiten zu Hause zu verpflicht­en. „Viele Menschen, die mobil arbeiten, müssen stark improvisie­ren, haben vielleicht nicht einmal genug Platz für einen Schreibtis­ch.“Der Großteil der Betriebe, in denen es überhaupt möglich sei, habe zwar auf mobiles Arbeiten umgestellt, sagte Werneke. Es gebe aber auch „einen gewissen Anteil von Arbeitgebe­rn, die ihrer Verantwort­ung gegenüber den Beschäftig­ten nicht gerecht werden“.

In vielen Bereichen ist Homeoffice allerdings gar nicht möglich. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, Marcel Fratzscher, beziffert den Anteil der Beschäftig­ten in Deutschlan­d, die nicht von zu Hause aus arbeiten können, auf 60 Prozent. Arbeitgebe­rchef Dulger betonte, dass Unternehme­n und Beschäftig­te bereits viel erreicht hätten. „Dazu gehörten Pandemiepl­äne, vielfältig­e Homeoffice­und Datenschut­zregelunge­n und tarifliche Vereinbaru­ngen“, sagte er. Er beobachte bei Mitarbeite­rn, die einer Bürotätigk­eit nachgehen, „dass man nach einer langen Phase daheim gerne mal wieder in den Betrieb kommt, um auch mal wieder die Kollegen zu sehen – zwar nur mit Abstand, aber immerhin“.

Während Forderunge­n nach strikteren Vorgaben für Firmen lauter werden, wollen einige im Kampf gegen das Virus auch aktiv helfen. „Wir bieten an, dass unsere Ärzte und das medizinisc­he Fachperson­al die öffentlich­en Impfzentre­n schon in der ersten Impfphase unterstütz­en“, heißt es etwa von einer Daimler-Sprecherin. Und sie versprach in diesem Zusammenha­ng: „Unsere jahrelange­n Erfahrunge­n mit breit angelegten Impfungen und unsere vorhandene Infrastruk­tur bringen wir gerne schnellstm­öglich ein.“

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Foto: Britta Pedersen, dpa Während der Corona‰Krise arbeiten viele Menschen von zu Hause aus. Nun wird heftig diskutiert, ob nicht noch mehr Arbeitneh‰ mer das Büro und damit Kontakte meiden können.

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