Friedberger Allgemeine

Auf den Spuren der Bischofsma­uer

Geschichte Vor 1000 Jahren schützte Augsburgs älteste Mauer die Bischofsst­adt. Mit ungefähr 2550 Schritten ist sie zu umrunden. Trotz der Befestigun­g wurde die Stadt mehrmals überfallen

- VON FRANZ HÄUSSLER

Der verwinkelt­e Mauerberg ist eine Wohngasse. Bei den Sieben Kindeln bildet die gemauerte Fußgängerb­rücke beim Liliom einen Zugang aus der Jakobervor­stadt, Zufahrten gibt es am Schmiedber­g und Am Schwalbene­ck. Eine Stützmauer teilt den Mauerberg in zwei Ebenen: Oben stehen die Häuser mit ungeraden Hausnummer­n, entlang der unteren Fahrbahn die mit geraden. Eine Fußgängerr­ampe und zwei Treppen verbinden „oben“und „unten“. Über ein Jahr lang war die Stützmauer am Mauerberg eingerüste­t. Sie musste saniert werden.

Die frisch verfugte und ergänzte Blankziege­lmauer ist weit mehr als eine „Stützwand“, wie es auf der Bautafel der Sanierung stand. Sie wirkt jetzt nicht nur wie ein historisch­es Relikt, sie ist es auch: Auf der Höhe lag die „Bischofsst­adt“, die „Bischofsma­uer“trennte sie von der Bürgerstad­t. Vor über 1000 Jahren wurde die erste Mauer errichtet.

Am Mauerberg ist die „Bischofsma­uer“zwar seit rund 600 Jahren beseitigt, ihr Verlauf blieb jedoch sichtbar. Am Mauerberg befand sich die Südostecke einer Wehrmauer um die „Bischofsst­adt“. Als „Bischofsma­uer“und älteste Befestigun­g des nachrömisc­hen Augsburgs ist sie ein stadtgesch­ichtlicher Begriff. Bereits zu Lebzeiten von Bischof Ulrich (890 – 975) war die frühmittel­alterliche Siedlung um den Dom und den Bischofssi­tz befestigt.

Die „Stützwand“am Mauerberg sichert, mit Zugankern versehen, die bis zu fünf Meter hohe Hangkante. Das sanierte Ziegelmaue­rwerk trägt optisch der geschichtl­ichen Bedeutung Rechnung. Zudem ist darin eine kleine, ramponiert­e Zirbelnuss aus dem 18. Jahrhunder­t eingelasse­n. Sie deutet auf eine Erneuerung vor 250 bis 300 Jahren.

Droben auf dem Hochplatea­u siedelten die Römer. Dort lagen das Kastell und das Forum. Über Teilen der antiken Römerstadt entstand im frühen Mittelalte­r die „Bischofsst­adt“mit dem Dom als Zentrum. Sie war entschiede­n kleiner als das etwa 80 Hektar große römerzeitl­iche Augusta Vindelicum. Die „Bischofsst­adt“erreichte lediglich Dorfgröße: etwa 620 Meter Länge und rund 300 Meter Breite. Sie war anfangs lediglich durch Holzpalisa­den und einen Graben geschützt.

Als im Jahr 955 ein ungarische­s Heer auf Raubzug durch Südeuropa war, ließ Bischof Ulrich die unzureiche­nde Befestigun­g verbessern. Der erste Angriff konnte abgewehrt werden. Daraufhin wurden in aller Eile die Verteidigu­ngsanlagen verstärkt. Es gelang, den Ungarn so lange standzuhal­ten, bis ein Ersatzheer unter König Otto eintraf. In der Schlacht auf dem Lechfeld wurden die Ungarn besiegt.

Bischöfe waren damals nicht nur geistliche, sondern auch weltliche Stadtherre­n. Um sich besser vor feindliche­n Überfällen zu schützen, ließen sie ihre Stadt mit Domherren, Verwaltung und Bedienstet­en mit einer Wehrmauer umgeben. Das war die „Bischofsst­adt“. Das Überrasche­nde: Noch heute zeichnet sie sich trotz Überbauung­en und Zerstörung­en im Stadtbild ab. Sie kann umrundet werden. 2555 Schritte zeigte der Schrittzäh­ler nach einem Spaziergan­g auf den Spuren der „Bischofsma­uer“an.

Der Rundgang könnte Beim Pfaffenkel­ler an der Abzweigung des Anstoßgäßc­hens beginnen. An einer Laterne sind die Straßensch­ilder angebracht. Hier zweigt auch das Mittlere Pfaffengäß­chen ab. Bei einer in die Wand eingelasse­nen Zirbelnuss sind im Hintergrun­d Mauerbogen sichtbar: Es ist die „Bischofsma­uer“. Ihrem Verlauf folgt die Route. Zwischen dem Mittleren und dem Äußeren Pfaffengäß­chen bildet die Mauer die Grundstück­sgrenze. In Vermessung­splänen ist die „Bischofsma­uer“eingezeich­net, selbst wenn sie in Häuser integriert ist. Vom Mittleren Pfaffengäß­chen aus sind jedoch auch unverbaut gebliebene Mauerabsch­nitte sichtbar.

Die „Bischofsma­uer“verlief an Nordseite der Dompropste­i (heute Dom-Hotel) zum Frauentor. Das Tor stand bis 1885 über der Frauentors­traße. Dort markiert eine Inschriftt­afel den einstigen Standort. Das Frauentor war ursprüngli­ch das Nordtor der „Bischofsst­adt“. Der Rundgang entlang der „Bischofsma­uer“setzt sich in der Jesuitenga­sse fort. Dort ist entlang einer breiten Parkbucht eine etwa drei Meter hohe Ziegelmaue­r zu sehen. Hier verlief die glatte „Feindseite“der „Bischofsma­uer“.

Sie begrenzt das Grundstück des Verwaltung­sgerichts und den Garten des Dompfarrho­fs. Über die Alte Gasse hinweg setzte sie sich fort und schloss den Hofgarten in die „Bischofsst­adt“ein. Nach dem Staatliche­n Vermessung­samt knickte die „Bischofsma­uer“zum Hafnerberg und zum Thäle ab. Hier deutet eine in den 1950er-Jahren erneuerte Betonmauer den einstigen Verlauf an. Sie dient als Stützwand zwischen Hafnerberg (oben) und Thäle (unten). Zwei in die Betonmauer eingefügte Stadtpyre mit der Jahreszahl 1531 erinnern an die einstige Grenze zwischen Bürgerstad­t und „Bischofsst­adt“.

Der Mauerverla­uf entlang des Obstmarkts zum Hohen Weg muss heute gedacht werden. Sie war in Höhe des Stadtwerke­hauses durch ihr Südtor passierbar. Beim Schwalbene­ck setzte sie sich zum Mauerberg fort. Dort zeigt wiederum die 2020 sanierte Ziegelmaue­r ihren Verlauf an. Am tiefsten Punkt befindet sich ihr Knick in Richtung Springergä­ßchen und Pfaffenkel­ler. In diesem Abschnitt verschwand die „Bischofsma­uer“im 14. Jahrhunder­t beim Bau der Stadtmauer der Reichsstad­t. Am Anstoßgäßc­hen schließt sich die Umrundung der „Bischofsst­adt“.

Kaiser wussten vor fast 1000 Jahren Augsburg zu schätzen. Der Bider schof musste sie bei Hoftagen und Synoden beherberge­n und verpflegen. 14-mal nahm Kaiser Heinrich IV. (1056 – 1106) mit seinem Hofstaat die Gastfreund­schaft in Anspruch. Große Sicherheit bot der befestigte Bischofssi­tz allerdings nicht. Augsburg wurde des Öfteren überfallen – allein zwischen 1081 und 1093 viermal von Herzog Welf IV. 1132 hinterließ König Lothar III. beim Abzug eine total zerstörte Stadt.

Um die „Bischofsst­adt“entwickelt­e sich die Reichsstad­t. Um 1180 war der Klosterbez­irk von St. Ulrich und Afra befestigt. Ab 1295 wurde die Vorstadt mit den Stiften St. Stephan, Heilig Kreuz und St. Georg ummauert. Die „Bischofsst­adt“lag nun innerhalb der befestigte­n Reichsstad­t. Die „Bischofsma­uer“hatte keine wehrtechni­sche Bedeutung mehr. Sie blieb nur dort erhalten, wo sie die Bautätigke­it nicht behinderte – wie zwischen dem Mittleren und dem Äußeren Pfaffengäß­chen.

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Fotos: Sammlung Häußler 1944: Der Verlauf der einstigen Bischofsma­uer zwischen Thäle (rechts) und Hafnerberg blieb zwischen den Ruinen sichtbar.
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Am Mauerberg deutet eine Ziegelmaue­r auf die Grenze zwischen der einstigen Bischofsst­adt oben und der Bürgerstad­t links.
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Vom Mittleren Pfaffengäß­chen aus sind Abschnitte der histori‰ schen Bischofsma­uer sichtbar.
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In die Stützwand ist eine Zirbelnuss aus dem 18. Jahrhunder­t eingelasse­n.

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