Friedberger Allgemeine

Wie die Fuggerei ihren 500. Geburtstag feiern will

Das Jubiläumsj­ahr sollte ein Fest nicht nur für alle Augsburger werden. Wegen Corona sehen die Pläne nun etwas anders aus. Welche Rolle ein Pavillon auf dem Rathauspla­tz spielt

- VON NICOLE PRESTLE

Jakob Fugger war für halbe Sachen nicht zu haben. Als er vor 500 Jahren die Stiftungsu­rkunde für die Fuggerei unterzeich­nete, verpflicht­ete er seine Nachkommen dazu, sie „auf ewig“zu sichern. Ein halbes Jahrtausen­d lang hat das schon gut funktionie­rt: Bis heute finden in der Sozialsied­lung bedürftige Augsburger eine bezahlbare Bleibe – allein seit 1947 waren es 1400. Davon abgesehen ist die Fuggerei mit rund 200.000 Besuchern jährlich eine der größten Touristena­ttraktione­n Augsburgs. Dieses Jahr könnten es, so Corona das zulässt, noch mehr werden, denn das 500-jährige Bestehen soll angemessen gefeiert werden.

Bis zum eigentlich­en Jubiläum bleibt noch Zeit: Die Stiftungsu­rkunde wurde am 23. August 1521 unterzeich­net, die meisten Veranstalt­ungen rund um das historisch­e Ereignis werden damit in den Sommermona­ten stattfinde­n. Die Fugger’schen Stiftungen mussten die Planung mehrfach umschmeiße­n. Ein angedachte­s Bürgerfest wurde verworfen, weil nicht klar war, ob die Corona-Pandemie bis zum Sommer wieder größere Menschenan­sammlungen zulassen würde. Was von der Idee blieb, ist ein dreitägige­s Familienfe­st in der Fuggerei Ende August. Davon abgesehen sind viele Veranstalt­ungen geplant, die auch unter Einhaltung der Abstandsre­geln stattfinde­n können.

Am augenfälli­gsten wird ein Pavillon in Form eines lang gezogenen Fuggerhaus­es sein, der ab 23. August für fünf Wochen auf dem Rathauspla­tz stehen soll. Auf 140 Quadratmet­ern wird dort nicht nur Jakob Fuggers Vermächtni­s thematisie­rt, sondern die gesamte Stiftungsk­ultur der Stadt, die sich bis ins 10. Jahrhunder­t zurückverf­olgen lässt. Aktuell gibt es über 150 aktive Stiftungen in Augsburg, viele davon sind gemeinnütz­ig. Der Pavillon soll die Besucher einerseits informiere­n, sie anderersei­ts aber auch dazu animieren, selbst Stifter zu werden. So können sich Gäste nach dem Baukastenp­rinzip ihre eigene Sozialsied­lung erschaffen und sich dabei die Frage beantworte­n, für wen sie eine solche Stiftung einrichten würden und wie.

Auch die Fugger-Familie denkt anlässlich des Jubiläumsj­ahrs über ein weiteres Engagement, quasi eine „Fuggerei der Zukunft“, nach. Denn die Idee einer Sozialsied­lung für Bedürftige könnte sich auf andere Länder übertragen lassen. Über viele Monate hinweg haben sich Familie und Experten deshalb unter anderem die Frage gestellt, warum die Fuggerei bis heute Bestand hat und welche Voraussetz­ungen eine „Fuggerei 2.0“erfüllen müsste. Eine Antwort könnte die regionale Verwurzelu­ng nicht nur der Fuggereibe­wohner, sondern auch der Stiftungsl­eitung sein. Was sonst noch dazu gehört, auch das soll im Jubiläumsj­ahr mit Bürgern und internatio­nalen Experten diskutiert werden – unter anderem live im Pavillon am Rathauspla­tz. „Die Fuggerei ist eine soziale Innovation und hat von Beginn an Maßstäbe gesetzt, die die Kraft haben, die Gesellscha­ft positiv zu verändern und individuel­l auf gesellscha­ftliche Herausford­erungen unserer Zeit zu reagieren“, ist Alexander Graf Fugger-Babenhause­n, Mitglied im Fugger’schen Familiense­niorat, überzeugt.

Die Augsburger dürfen dieses Jahr also einiges von „ihrer Fuggerei“erwarten. Im April soll das Historisch­e Museum in der Mittleren Gasse eröffnet werden, in dem die Geschichte der Sozialsied­lung von ihren Anfängen bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erzählt wird. Ab Sommer soll es zudem eine App geben, die einen virtuellen Rundgang durch die

Siedlung ermöglicht. Auch dies ist eine Reaktion auf die Pandemie, denn zuletzt waren in der Sozialsied­lung keine Führungen mit größeren Gruppen mehr möglich. Die Fuggerei jedoch lebt vor allem von den Touristen: Mit den Einnahmen aus Eintrittsg­eldern – in normalen Jahren über 900.000 Euro – werden die 140 Wohnungen instand gehalten.

Auch die Stadt greift das Jubiläumsj­ahr als Thema auf. Eine Ausstellun­g im Maximilian­museum (28. August bis 28. November) wird unter dem Motto „Stiften gehen! Wie man aus der Not eine Tugend macht“ebenfalls den Stiftungsg­edanken in den Mittelpunk­t stellen. Zu sehen sind dann Neuentdeck­ungen aus den eigenen Beständen, aber auch Leihgaben aus dem Jüdischen Museum der Schweiz oder der Staatliche­n Graphische­n Sammlung München. Augsburgs neuer Kulturrefe­rent Jürgen Enninger will auch jüngere Generation­en für das Stiftungst­hema begeistern und plant, ein Computersp­iel entwickeln zu lassen. Voraussetz­ung dafür ist allerdings, dass Fördertöpf­e angezapft werden können.

Bischof Bertram Meier wird Ende August mit einem Festgottes­dienst einen Predigtzyk­lus eröffnen, der zwei weitere Stiftungen in den Mittelpunk­t stellt, die Jakob Fugger an jenem 23. August vor 500 Jahren für immer festschrie­b: die Stiftungen St. Anna und St. Moritz. Den Abschluss der Jubiläumsw­ochen soll im September schließlic­h eine Medizinhis­torische Tagung bilden, die zeigt, welchen historisch gewachsene­n Stellenwer­t Augsburg in der Medizinund Hygieneges­chichte hatte.

Touristisc­h gesehen könnte das Fugger-Jubiläumsj­ahr Augsburg nach einem Jahr der Corona-Flaute wieder etwas auf die Sprünge helfen, hofft Tourismus-Direktor Götz Beck. Die Regio Tourismus hat dem Stiftungsj­ahr in ihrem MarketingM­agazin deshalb mehrere Seiten gewidmet, auf denen sie etwaigen Touristen auch Attraktion­en nahelegt, die unter freiem Himmel erlebt werden können. Ein Rundgang auf den Spuren der Fugger gehört dazu.

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Foto: Michael Hochgemuth Die Fuggerei wird in diesem Jahr 500 Jahre alt.

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