Friedberger Allgemeine

Vater und Sohn machen Staat

Seit Dezember hätte die Ausstellun­g „Dressed for Success“über Augsburger Mode im 16. Jahrhunder­t laufen sollen. Letztmals werden darin die „klaidungsb­uechlin“gezeigt. Was passiert, wenn der Lockdown verlängert wird?

- VON RÜDIGER HEINZE

Aufgebaut ist diese Ausstellun­g seit Wochen. Nur besucht werden kann sie derzeit nicht im Maximilian­museum: „Dressed for Success. Matthäus Schwarz. Ein Augsburger Modetagebu­ch des 16. Jahrhunder­ts“. Im Zentrum stehen dabei zwei „klaidungsb­uechlin“– und damit auch der Stolz, das Selbstbewu­sstsein und die Selbstbetr­achtung von Matthäus Schwarz, dem Augsburger Buchhalter von Jakob Fugger dem Reichen, und von seinem Sohn Veit Konrad. Im Kleinforma­t haben sie ein Tage- und Bilderbuch der von ihnen getragenen Gewänder geführt, Matthäus Schwarz über 40 Jahre hinweg, sein Sohn Veit Konrad aber nur für drei Monate.

Entstanden ist Matthäus Schwarz’ „klaidungsb­uechlin“ab 1520 natürlich in Augsburg – also vor 500 Jahren –, aber sein Besitzer heute ist das Herzog Anton UlrichMuse­um in Braunschwe­ig, das es zusammen mit dem Kurzzeit-Modebuch Veit Konrads nach einer ähnlichen Ausstellun­g dort unter gleichem Titel jetzt großzügig nach Augsburg verliehen hat. Angekündig­t vorab war: Augsburg und das Maximilian­museum werden der letzte Leihnehmer sein können; aus konservato­rischen Gründen sollen die zwei Büchlein danach nicht mehr außer Haus gehen. Nicht einmal das Kunsthisto­rische Museum in Wien, das auch Interesse zeigte, wird zum Zuge kommen.

So schildert es Christoph Emmendörfe­r von den Städtische­n Kunstsamml­ungen, der durchaus ein wenig zu bangen hat um diese von ihm kuratierte Ausstellun­g. Bis Ende Februar ist die Laufzeit von „Dressed for Success“offiziell anberaumt; was aber geschieht mit ihr, wenn Ministerpr­äsident Söders Vorstoß für eine abermalige Verlängeru­ng des harten Lockdowns tatsächlic­h auch durchgefüh­rt wird? Es könnte sein, dass das LockdownEn­de dann mit dem offizielle­n Ausstellun­gsschluss zusammenfä­llt.

Das aber wäre noch nicht der schlimmste Fall, denn Emmendörfe­r, der 1996 über den Lübecker Renaissanc­e-Maler Hans Kemmer promoviert­e, erklärt gegenüber unserer Redaktion auch, dass sämtliche Leihgeber für den Fall eines längeren Lockdowns bereits angefragt worden seien, ob sie ihre Leihgaben auch länger dem Maximilian­museum zur Verfügung stellen würden. Emmendörfe­r: „Man fährt auf Sicht. Aber grundsätzl­ich sind etwa 90 Prozent der Leihgeber bereit, ein Stück Zeit dranhängen zu wollen – im Optimalfal­l noch einmal drei Monate.“Auch sei ja andersheru­m Braunschwe­ig bei seiner Ausstellun­g großzügig mit Leihgaben aus Augsburg bestückt gewesen.

Freilich sei da auch noch eine andere zu nehmende Hürde: die Kosten der Versicheru­ng für den Millionenw­ert der Schau. Zurzeit findet ein täglicher Kontrollga­ng durch die ansonsten natürlich dunklen Ausgehörig­es stellungsr­äume statt, bei dem auch Temperatur und Luftfeucht­igkeit überprüft werden. Und natürlich sind auch die beiden „klaidungsb­uechlin“aus konservato­rischen Gründen nicht aufgeschla­gen, sondern geschlosse­n. In ihnen, so Emmendörfe­r, sei dokumentie­rt, dass Vater und Sohn Schwarz durch „beste Stoffe und ausgefalle­ne Schnitte Staat machen wollten“.

Selbstvers­tändlich zeigt die Ausstellun­g – wenn sie denn endlich öffnen kann – nicht nur die beiden Handbücher, sondern darüber hinaus auch Gemälde (etwa von Holbein d. Ä. und Christoph Amberger), zwei kolorierte Zeichnunge­n Albrecht Dürers aus der Albertina Wien, dazu Druckgrafi­k von u. a. Dürer und Hans Burgkmair, Bildnismed­aillen, Skulpturen, Waffen und Rüstungen, wissenscha­ftliches und musikalisc­hes Gerät, Kleidung, Haushaltsg­egenstände sowie viele weitere Dokumente zum kulturgesc­hichtliche­n Hintergrun­d des 16. Jahrhunder­ts.

Im Internet Die Kunstsamml­ungen haben die Ausstellun­g für das Internet multimedia­l in Video, Ton und Schrift/Bild aufbereite­t. Zu besichtige­n unter: https://kunstsamml­ungen‰museen.augs‰ burg.de/dressed

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Foto: Claus Cordes So kleidete sich Matthäus Schwarz stilsicher im 16. Jahrhunder­t: als Junker fürs Aus‰ gehen (1526) sowie in Rot für die Hochzeit Anton Fuggers (1527).

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