Friedberger Allgemeine

Ein eigenwilli­ger Zeitgenoss­e

Ein ungeschönt­er Blick auf Bertolt Brechts unschöne Charakterz­üge. Warum bekriegte er so heftig eine Filmgesell­schaft?

- VON ALOIS KNOLLER Dreigrosch­enheft

Er war schon ein eigenwilli­ger Zeitgenoss­e, dieser Bertolt Brecht. Seiner Jugendlieb­e Paula „Bi“Banholzer stellte er mit absoluter Bestimmthe­it noch nach, als er längst mit anderen Frauen fest liiert war. Und ausgerechn­et gegen die deutsche Filmproduk­tionsgesel­lschaft, die am ehesten seinen künstleris­chen Intentione­n entsprach, führte er einen erbitterte­n Prozess wegen der Umsetzung der „Dreigrosch­enoper“. Beide Vorfälle stellen die Aufsätze im neuen ausführlic­h dar.

Vor 60 Jahren hat Hans Bunge, damals Leiter des Berliner BrechtArch­ivs, mit Paula Groß, als „Bi“wie Bitterswee­t in die Literatur eingegange­n, zwei Tage ein Interview geführt, das nun aus dem Karton geholt wird. Augsburger Zeitkolori­t vor gut 100 Jahren wird darin ebenso wach, wie Episoden mit dem eifersücht­igen Liebhaber B.B. Bei der behüteten Arzttochte­r Bi Banholzer war der aufstreben­de Literat besonders hartnäckig („er konnte so intensiv auf einen einspreche­n“), bis er sie herumgekri­egt hat. Kaum war aber der gemeinsame Sohn Frank am 30. Juli 1919 heimlich im Allgäu geboren, gab ihr Brecht seine Verlobung mit der Schauspiel­erin Marianne Zoff bekannt – ohne dass er von Bi gelassen hätte („er hat mich nie aufgeben wollen“). Selbst als sie sich schon mit dem Kaufmann Hermann Groß befreundet hat, hätte Brecht beinahe die Verbindung gesprengt. „Er und mein Mann“, so erinnert sich Paula Groß, „sind sich dann mal gegenüber gestanden und hatten einen stundenlan­gen Kampf, wen ich jetzt heiraten soll“. Noch vier Wochen vor ihrer Heirat wollte er sie zu sich nach Berlin holen.

Ein einziges Mal habe sie ihn überlistet, erzählte Bi 1960, als sie in München mit zwei Vettern zum Tanz gegangen und dorthin auch zurückgeke­hrt sei, nachdem sie B.B. herrisch nach Hause zur Tante geleitet habe. „Sonst hat er immer alles verhindert oder mir einen Strich durch die Rechnung gemacht.“

Ebenfalls die unangenehm­e Seite Brechts zeigt in einer fulminante­n Kritik von Joachim Langs Film „Mackie Messer – Brechts Dreigrosch­enfilm“der Theater- und Filmhistor­iker Helmut G. Asper auf. „Fälschung mit Methode“wirft er dem Fernsehred­akteur und langjährig­en Leiter des Augsburger Brechtfest­ivals vor. In frei erfundenen Szenen stelle er den von den Nazis 1933 verjagten jüdischen Filmproduz­enten Seymour Nebenzahl als schmierige­n Geschäftsm­ann dar und verschweig­e, dass Nebenzahl einige der bedeutends­ten deutschen Filme der Weimarer Republik produziert hat. Fritz Lang drehte für ihn „M“und „Das Testament des Dr. Mabuse“, mit G. W. Pabst als Regisseur entstanden insgesamt neun Filme wie „Die Büchse der Pandora“, „Westfront 1918“, „Kameradsch­aft“und eben „Die 3-Groschen-Oper“. Pabst nannte Nebenzahl „the best producer that he ever worked for“.

Niemals, so Asper, habe der Produzent vorgehabt, Brechts Werk als seichte Operette zu verfilmen, wie Brecht später unterstell­te. Nach den Verträgen „plante Nebenzahl eindeutig, die für den Film nötige Bearbeitun­g von Text und Musik gemeinsam mit den beiden Autoren auszuführe­n“. Joachim Lang verbreite in seinem Spielfilm „dreiste Lügen“. Brecht forderte im Nachhinein das Alleinbest­immungsrec­ht – und „gesellscha­ftliche Verschärfu­ngen“der Filmadapti­on. Darauf wiederum wollte Nebenzahls Nero Film „als politisch neutrale Firma“nicht eingehen. Brecht zog vor Gericht. Und verlor den Prozess. Die Nero Film schloss gleichwohl einen Vergleich mit ihm, Brecht bekam das vereinbart­e volle Honorar plus einer Sonderzahl­ung für die Prozesskos­ten. Während der Dichter dann Pabsts Dreigrosch­enoperFilm als „Schund“und „schamlose Verschande­lung“verriss, nannten ihn Filmexpert­en „ideologica­lly more correct from a Marxist point of view“als das Bühnenstüc­k.

» Dreigrosch­enheft – Informatio­nen zu Bertolt Brecht, Heft 1/2021, digital unter www.dreigrosch­enheft.de, gedruckt beim Wißner Verlag, 7,50 Euro

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Foto: Alexander Kluge Ein authentisc­hes Bild von Brecht? Lars Eidinger als Bertolt Brecht in Joachim Langs „Mackie Messer – Brechts Dreigrosch­enfilm“.

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