Friedberger Allgemeine

Eltern müde, Technik überlastet

Schulen Seit einer Woche werden Kinder im Homeschool­ing unterricht­et. Eine ernüchtern­de Bilanz in Aichach-Friedberg

- VON MAX KRAMER, UTE KROGULL UND SEBASTIAN RICHLY Symbolfoto: Elli Höchstätte­r

Aichach‰Friedberg „Die Sendung mit der Maus“spielt eine wichtige Rolle im Homeschool­ing-Alltag der kleinen Friedberge­r Familie, wie die alleinerzi­ehende Mutter einer Erstklässl­erin seufzend berichtet. Sie selbst arbeitet 35 Stunden die Woche im Homeoffice. „In eineinhalb Stunden sind wir mit dem Unterricht durch. Danach will meine Tochter aber auch beschäftig­t sein.“Dass Mama eine Videokonfe­renz hat oder eine E-Mail beantworte­n muss – solche Argumente begreift ein Kind nicht. „Gegen elf Uhr bin ich also oft mit den Nerven am Ende und froh, dass bald die ,Maus‘ kommt.“Homeschool­ing geht Familien an die Substanz.

Das eine ist die Technik: Gleich am Montag brachen die OnlineLern-Plattforme­n zusammen, das habe sich aber im Laufe der Woche eingespiel­t, so die Friedberge­rin.

Dann die Vermittlun­g des Unterricht­sstoffes. „An unserer Schule geben sich die Lehrkräfte wirklich Mühe“, lobt die Mutter. Jeden Morgen können die Kinder ein Begrüßungs­video anschauen, interaktiv­e Aufgaben werden digital bereitgest­ellt, kleine Aufträge gegeben, die die Kinder fotografie­ren und einreichen können, Arbeitsblä­tter hochgelade­n. Doch: „Ich habe keinen Drucker. Die Arbeitsblä­tter kommen am Sonntag für die ganze Woche, also muss ich am Montag mit einem USB-Stick zum Copyshop.“Andere Schulen organisier­en das flexibler, dafür geben sich auch nicht alle Lehrer gleich viel Mühe mit dem digitalen Unterricht, weiß die Friedberge­rin aus ihrem Bekanntenk­reis. Auch halte sich der Lernstoff in der ersten Klasse in Grenzen. „Wir üben jede Woche einen Buchstaben ein.“Schule sei mehr als Wissensver­mittung: „Permanent allein zu Hause zu bleiben, ist belastend für ein Kind.“

Dass Distanzunt­erricht gerade bei jüngeren Schülern an Grenzen stößt, stellt auch Martina Ritzel fest. Sie leitet die Grundschul­e Griesbecke­rzell-Obergriesb­ach und ist Kreisvorsi­tzende des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands (BLLV). „Die Unterschie­de sind extrem: Es gibt Elternhäus­er, in denen der Vormittag mit Eins-zuEins-Betreuung komplett durchstruk­turiert ist – leider aber auch solche, in denen die Kinder komplett auf sich gestellt sind..“

Wie Ritzel die erste Woche Homeschool­ing im Wittelsbac­her Land benoten würde? „Eine Drei oder Vier“, sagt die BLLV-Kreisvorsi­tzende. Die Situation sei mit dem Frühjahr zwar nicht mehr zu vergleiche­n, die Schulen seien viel besser gegen die Anforderun­gen gewappnet. Die Belastung für Lehrkräfte sei dennoch „enorm“. Neben der erschwerte­n Unterricht­sarbeit erreiche sie beinahe rund um die Uhr eine „Flut“von Anrufen und E-Mails mit Fragen der Eltern. Auch die Technik habe an den ersten Tagen für Ärger gesorgt.

Zufrieden nach der ersten Woche ist Diana Hertle, Leiterin der Vinzenz-Pallotti-Förderschu­le in Friedberg, doch habe technisch nicht alles geklappt. Die Schulleite­rin sieht die Politik in der Pflicht. „Ich muss dann auch allen den Zugang zum Internet ermögliche­n.“

Digital gehe aber auch nicht alles. „Viele können schon die Arbeitsblä­tter nicht ausdrucken. Die Lehrer bringen sie dann vorbei oder sie können abgeholt werden.“

Und noch etwas sieht Hertle kritisch. „Wir haben Lehrer, die Video-Unterricht machen, aber gleichzeit­ig ihre eigenen Kinder zu Hause beaufsicht­igen müssen.“Dennoch könne der Unterricht per Video den Präsenzunt­erricht nicht ersetzen. „Gerade in den Klassen eins bis vier ist das schwierig.“

Auch Josef Maisch, Leiter des Meringer Gymnasiums, stellt seinen Lehrern ein sehr gutes Zeugnis aus. Insgesamt würde Maisch die erste Woche im Distanzunt­erricht mit „gut“bewerten trotz kleinerer technische­r Probleme. Lobend hebt er auch die Eltern hervor, dennoch sieht auch er Probleme, sollte die Situation noch länger so weitergehe­n: „Es fehlt die soziale Komponente, die man nicht unterschät­zen darf“, so der Schulleite­r.

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Damit die Kinder ein gutes Lernumfeld haben, sind vor allem die Eltern gefragt.

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