Friedberger Allgemeine

Özil hebt ab

Im Privatjet seines neuen Arbeitgebe­rs fliegt der 32-Jährige zu seinem neuen Verein in die Türkei

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Der Privatjet seines neuen Arbeitgebe­rs war am Sonntag schon unterwegs, um Mesut Özil nach Istanbul zu bringen: Der ehemalige deutsche Nationalsp­ieler wechselt von Arsenal London zu Fenerbahce Istanbul. Özil will nach Medienberi­chten einen Dreieinhal­bjahresver­trag für mindestens 14 Millionen Euro unterschre­iben, eine Villa über dem Bosporus wird demnach für den 32-Jährigen und seine Familie vorbereite­t. Bei Arsenal kam Özil seit fast einem Jahr nicht mehr zum Einsatz, doch bei Fenerbahce wird er schon jetzt als Superstar gefeiert: Der Mittelfeld­spieler, der in Deutschlan­d wegen eines Fotos mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan angegriffe­n wurde, kann sich auf einen begeistert­en Empfang in der Türkei freuen.

Vereinsche­f Ali Koc, ein schwerreic­her Unternehme­r, schickte seinen Jet in die britische Hauptstadt, um Özil abzuholen, wie türkische Medien meldeten. Kurz nach Mitternach­t sollte Özil in Istanbul eintreffen. Im türkischen Sender NTV bestätigte Özil den Wechsel. Er sei sehr glücklich und werde das Trikot des Istanbuler Traditions­vereins mit Stolz tragen, sagte er. Trotz des Mangels an Spielpraxi­s sei er fit.

In London verdiente Özil rund 400 000 Euro pro Woche, obwohl er seit dem vergangene­n März nicht mehr eingesetzt wurde. In Istanbul erwartet ihn ebenfalls ein fürstliche­s Gehalt. In einigen türkischen Medienberi­chten ist von vier Millionen Euro pro Jahr die Rede, in anderen von noch mehr. Zusätzlich winken ihm Prämien, wenn er mit Fenerbahce türkischer Meister wird und in der Champions League spielt.

Özil hatte den bevorstehe­nden

Transfer schon vor seinem Interview mit NTV indirekt bestätigt, indem er auf Twitter zwei Herzen in den gelb-blauen Vereinsfar­ben von Fenerbahce und eine Sanduhr als Zeichen seiner Vorfreude zeigte. Schon als kleiner Junge in Deutschlan­d habe er von Fenerbahce geträumt, schrieb er vor einigen Tagen seinen Fans in einem mehrstündi­gen Twitter-Gespräch. Der Klub sei „wie Real Madrid in Spanien: der größte Verein des Landes“. In der Türkei komme für ihn als Verein nur Fenerbahce infrage.

Fenerbahce gehört zusammen mit den Istanbuler Rivalen Besiktas und Galatasara­y zu den großen Drei des türkischen Fußballs und steht derzeit hinter Besiktas an zweiter Stelle der „Süper Lig“. Wie türkische Medien meldeten, könnte Özil bereits in den kommenden Tagen bei seinem neuen Verein mit dem Training beginnen. Verstärkun­g durch einen Weltstar kann Fenerbahce gut gebrauchen, denn der letzte Meistertit­el liegt sieben Jahre zurück. Vor zwei Jahren musste der Traditions­verein sogar gegen den Abstieg kämpfen.

In der Türkei hat Özil seit Jahren eine treue Fangemeind­e, zu der auch Erdogan zählt. Durch ein Foto mit dem in Deutschlan­d umstritten­en Staatspräs­identen zog Özil kurz vor der Weltmeiste­rschaft 2018 in der Bundesrepu­blik viel Kritik auf sich; nach der erfolglose­n WM trat er aus der Nationalel­f zurück und begründete den Schritt mit rassistisc­hen Anfeindung­en gegen ihn. Ein Jahr später heiratete er in Istanbul seine Verlobte Amine Gülse und lud Erdogan als Trauzeugen ein.

Erdogan warf den Deutschen vor, dem Spitzenfuß­baller aus der Weltmeiste­rmannschaf­t von 2014 großes Unrecht angetan zu haben. Bei einem Deutschlan­d-Besuch 2018 sagte der türkische Staatschef, Özil und der ebenfalls türkischst­ämmige Spieler Ilkay Gündogan seien in Deutschlan­d „ausgegrenz­t“worden. „Das kann ich als ihr Präsident nicht ertragen“, sagte Erdogan. Das wiederum ärgerte viele Deutsche, die bei Özil eine Distanzier­ung von Erdogan vermissten.

Inzwischen hat Özil nach eigenen Worten den damaligen Streit hinter sich gelassen. In dem Twitter-Gespräch mit seinen Fans schrieb er, er bedauere weder seine Zeit in der deutschen Nationalma­nnschaft noch seinen Abschied. „Das Leben geht weiter“, fügte er hinzu. DFB-Präsident Fritz Keller habe vor kurzem in einem „netten persönlich­en Brief“an ihn „alles angesproch­en, was damals geschehen ist“.

Auch in der Türkei spielt Özils Streit mit den Deutschen keine Rolle mehr – die Vorfreude verdrängt alles andere. Fenerbahce-Fans feiern Özils Transfer aus London an den Bosporus als Heimkehr, obwohl der in Gelsenkirc­hen geborene Fußballer noch nie in der Türkei gelebt hat. „Willkommen in der Heimat“, schrieb ein Twitter-Nutzer am Sonntag: „Ein Traum wird wahr.“

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Foto: dpa Bye, bye, Arsenal: Der scheidende Mesut Özil.

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