Friedberger Allgemeine

Wie die Rettung aus dem Weitmannse­e ablief

Am Samstag bricht ein 50-Jähriger durch das Eis des Gewässers in Kissing. Auch seine Frau muss gerettet werden. Ein Helfer berichtet über den Einsatz und den Ärger mit Schaulusti­gen. Und wer bezahlt die Rechnung?

- VON PHILIPP SCHRÖDERS

Kissing Gefrorene Seen können tückisch sein. Das hat sich am Samstag in Kissing am Weitmannse­e gezeigt. Ein Ehepaar brach durch die Eisdecke und musste mit Unterkühlu­ngen ins Krankenhau­s gebracht werden. Stefan Paul vom DLRG Kreisverba­nd Augsburg und AichachFri­edberg zog die 50-Jährige aus dem eiskalten Wasser.

Mit drei weiteren Kollegen habe er an dem Tag Dienst am Weitmannse­e gehabt, wie er berichtet. Er selbst habe mit einem weiteren Ehrenamtli­chen im Stützpunkt am Westufer die Stellung gehalten, während die zwei anderen am Seesteg nach dem Rechten sahen. Etwa um 14.15 Uhr sei dann im Stützpunkt die Nachricht eingegange­n, dass zwei Menschen auf dem Eis eingebroch­en seien. Also habe Paul sich sofort in das Einsatzfah­rzeug gesetzt und sei in Richtung der Einbruchss­telle gefahren. „Unterwegs habe ich noch die Leitstelle informiert, die aber auch bereits einen Anruf bekommen hatte.“

In dieser Zeit hätten bereits zwei Frauen mit Unterstütz­ung seiner DLRG-Kollegen vom Steg den 50-jährigen Mann aus dem Wasser gezogen. Laut dem Rettungssc­hwimmer nutzten sie unter anderem eine Holzleiter, die für Notfälle am Ufer bereitsteh­t. „Die Frau lag zu dieser Zeit flach auf dem Eis, um das Gewicht möglichst breit zu verteilen“, sagt Paul. Der Rettungssc­hwimmer habe sich auf einem aufblasbar­en Rettungssc­hlitten, ähnlich einem Schlauchbo­ot, zu ihr vorgearbei­tet – soweit es ging. Eine Kollegin Pauls habe ihn dabei eingewiese­n.

„Das Eis war da schon sehr dünn“, sagt Paul. Mit einem Wurfsack sei es ihm gelungen, die 50-Jährige zu sich zu ziehen. Dabei sei dann auch das Eis um die beiden herum eingebroch­en. Die Feuerwehr Kissing habe sich aber derweil mit einem Aluminiumb­oot zu der Einbruchst­elle vorgearbei­tet und darin die 50-Jährige und die Retter letztlich ans Ufer gebracht. „Dort ist dann die Frau an den Rettungsdi­enst übergeben worden.“

Matthias Rawein, Kommandant der Freiwillig­en Feuerwehr Kissing, erklärt, dass er und seine Kameraden ein Flachwasse­rschubboot genutzt hätten, um die Frau und die DLRG-Leute aus dem See zu holen. „Das hat Rollen und schwimmt einfach, wenn das Eis einbricht.“Das sei dann auch am Ende, kurz bevor die Feuerwehrl­eute die Rettungsst­elle erreicht hatten, passiert: Das Boot brach zur Hälfte durch die Eisdecke. Mit einem langen Seil hätten es die Feuerwehrl­eute vom Ufer aus wieder an Land gezogen. „Die Zusammenar­beit zwischen DLRG, Wasserwach­t und Feuerwehr hat hervorrage­nd funktionie­rt“, sagt Rawein.

Was dem Kommandant­en aber übel aufstieß, war das Verhalten einiger Schaulusti­ger. „Schon beim Einsatz sind die Leute zum Teil nicht zur Seite gegangen.“Als die Feuerwehr dann in Absprache mit Polizei und Bürgermeis­ter Spaziergän­ger anwies, die Eisfläche zu räumen, seien die Einsatzkrä­fte rüde angegangen worden. „Teilweise hieß es, ob wir unsere Übung nicht an einem anderen Tag abhalten können. Die hatten gar nicht mitbekomme­n, was da vorher passiert war. Andere warfen uns vor, dass wir sie vom Eis schicken, weil sie keine Masken trugen“, sagt Rawein.

Wolfgang Sailer aus Königsbrun­n war zusammen mit seiner Ehefrau vor Ort, als sich der Unfall am Samstagnac­hmittag ereignete. „Ich konnte der Frau nur meinen Eishockeys­chläger reichen, um Schlimmere­s zu verhindern“, schildert er. Der Mann sei bereits ins Eis eingebroch­en gewesen. Sailer hebt vor allem das Engagement der beiden Frauen hervor, die geistesgeg­enwärtig die Eisleiter holten und an den Mann heranrobbt­en, um ihm zu helfen. „Die Ehefrau des Mannes war zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Wasser“, betont er. „Was die beiden Frauen da geleistet haben, verdient eine Auszeichnu­ng“, sagt

Sailer. Die Retter hätten sich jedoch um den Mann, der ins Wasser gefallen war, seiner Meinung nach noch besser kümmern können. „Bis der mit einer warmen Decke versorgt wurde, da verging eine ganze Ewigkeit und das, obwohl ein Großaufgeb­ot an Einsatzkrä­ften vor Ort war“, berichtet Sailer.

Bürgermeis­ter Reinhard Gürtner hat mittlerwei­le veranlasst, dass Warnschild­er am Weitmannse­e aufgestell­t werden, damit niemand mehr das Eis betritt. Laut Wolfgang Müller, Pressespre­cher des Landratsam­tes, sind die Kommunen, in deren Gebiet sich die Seen befinden, für die Warnschild­er verantwort­lich. „Das ist sinnvoll, weil die Gemeinden sich besser vor Ort auskennen und besser bewerten können, wo Gefahrenst­ellen sind.“Müller bittet um Verständni­s, dass es nicht möglich sei, ganze Seen abzusperre­n. „Es ist nur möglich, durch die Beschilder­ung an die Spaziergän­ger zu appelliere­n, dass sie die Eisflächen nicht betreten.“

Die Rettungsor­ganisation­en im Landkreis warnen ebenfalls eindringli­ch davor. Beispielsw­eise richtet sich die Wasserwach­t Friedberg bei Facebook mit einem Appell an die Spaziergän­ger: „Ihr gefährdet euch und die Einsatzkrä­fte. Schlimm genug, dass wir das in einem normalen Winter oft erleben müssen, aber in diesem Winter trifft uns das noch härter. Wir wollen keinem die frische Luft und die paar Sonnenstra­hlen verbieten, aber bitte geht um den See und nicht auf den See.“

Unterkühlu­ng ist eine große Gefahr beim Eiseinbruc­h. Laut Michael Jakob von der Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums Augsburg hat das Paar, das auf dem Weitmannse­e eingebroch­en ist, aber nichts Ernsteres davongetra­gen. „Sie sind nur zur Vorsorge ins Krankenhau­s gebracht worden“, sagt er.

Die Kosten für den Einsatz werden laut Markus Motzke, stellvertr­etender Bezirksvor­sitzender der Wasserwach­t, von der Krankenkas­se der Betroffene­n getragen. „Allerdings trifft das nur für die Organisati­on zu, die die Rettung durchgefüh­rt hat“, sagt er. Alle anderen beteiligen Einsatzkrä­fte müssten die Kosten aus ihrem eigenen Etat stemmen.

Bei den Feuerwehre­n werde der beispielsw­eise ganz von den Kommunen getragen. Andere Organisati­onen wie die Wasserwach­t seien zusätzlich auf Spenden und Mittel, die sie durch Dienste einnehmen, angewiesen.

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 ?? Fotos: Sabine Hämmer, Peter Holthaus ?? Die Feuerwehr Kissing, die DLRG und Passanten retteten ein Ehepaar, das in Kissing am Weitmannse­e ins Eis eingebroch­en war.
Fotos: Sabine Hämmer, Peter Holthaus Die Feuerwehr Kissing, die DLRG und Passanten retteten ein Ehepaar, das in Kissing am Weitmannse­e ins Eis eingebroch­en war.

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