Friedberger Allgemeine

Wohin führt der Weg des FC Augsburg?

Der Bundesligi­st beendet die Vorrunde mit 19 Punkten als Zwölfter. Es waren 17 Spiele mit einigen Glanzleist­ungen, aber auch vielen Enttäuschu­ngen. Jetzt folgen die Wochen der Wahrheit

- VON ROBERT GÖTZ

Ein Pfosten eines Fußballtor­es darf maximal zwölf Zentimeter tief und breit sein. Das regelt die DIN 7900 des Deutsches Instituts für Normung. Es hat also am Mittwochab­end nicht viel gefehlt und der Elfmeter von Alfred Finnbogaso­n wäre zum 1:1 (76.) im Netz des FC Bayern gelandet und nicht ins Feld zurückgesp­rungen. Doch die Physik unterschei­det nicht zwischen verdient oder unverdient, und so blieb es am Ende beim glückliche­n 1:0(1:0)-Sieg des Favoriten. Mit einen Punktgewin­n gegen den Rekordmeis­ter hätten nicht nur der Isländer, sondern auch Sport-Geschäftsf­ührer Stefan Reuter und Trainer Heiko Herrlich etwas sorgenfrei­er einen Schlussstr­ich unter eine durchwachs­ene Vorrunde ziehen können. Unsere Analyse:

● Die Fakten Nach 17 Spielen liegt der FCA mit 19 Punkten auf Platz zwölf. Fünf Siege stehen acht Niederlage­n gegenüber, dazu kommen vier Unentschie­den. Das Torverhält­nis ist mit 17:26 negativ. DerVorspru­ng auf den Relegation­splatz beträgt vier Punkte, auf den ersten Abstiegspl­atz zwölf Punkte. Unter Martin Schmidt hatte der FCA in der Vorsaison in 17 Spielen 23 Punkte eingesamme­lt und war Zehnter. Der Vorsprung betrug damals acht bzw. neun Punkte.

● Der Trainer Als Heiko Herrlich (Vertrag bis 2022) vor genau zehn Monaten das Amt von Martin Schmidt übernahm, war seine erste Aufgabe der Klassenerh­alt und die defensive Stabilität zu verbessern. Beides gelang. Der nächste Schritt sollte folgen – die spielerisc­he Weiterentw­icklung. Die ist derzeit aber nur in homöopathi­schen Dosen zu sehen. Guten Spielen zu Beginn der Saison wie beim 3:1-Auswärtser­folg gegen Union Berlin, wie das 2:0 zu Hause gegen Borussia Dortmund folgten miserable Auftritte wie beim 1:3 in Hoffenheim, beim 1:4 gegen den VfB und beim 0:2 in Bremen.

Was augenfälli­g ist: Kann der FCA aus einer geordneten Defensive reagieren, ist das Gezeigte wesentlich strukturie­rter und effektiver, als wenn die Mannschaft selbst agieren, mit (selten sichtbaren) automatisi­erten Spielzügen und eingeübten Laufwegen eine massierte Deckung aushebeln muss. Da ist Herrlich, 49, bisher den Beweis zumeist schuldig geblieben, dass er den Spielern das entspreche­nde Werkzeug mit auf dem Weg geben kann. Noch fehlt die klare Handschrif­t des Trainers, ein festes Fundament, auf dem er seine Taktik aufbaut. Auch im Verhältnis zur Mannschaft scheint es Höhen und Tiefen zu geben. Natürlich kann ein Trainer nicht der Liebling eines jeden Spielers sein, aber ihm muss es gelingen, dass sich die Mannschaft auf und neben dem Feld als eine Einheit wahrnimmt und präsentier­t. Das war in den letzten Wochen nicht immer der Fall.

● Das Management Seit acht Jahren ist Stefan Reuter, 54, Manager und dann Sport-Geschäftsf­ührer beim FC Augsburg. Sein großer Verdienst ist es, dass er den FCA seitdem immer in der Bundesliga halten konnte. Höhepunkt: die EuropaLeag­ue-Teilnahme in der Saison 15/16. Mit Markus Weinzierl bildete er ein eingespiel­tes Duo. Doch seit Weinzierl den FCA im Sommer 2016 verlassen hat, hatte er kein so glückliche­s Händchen mehr mit seiner Trainerwah­l. Die Romanzen mit Dirk Schuster (fünf Monate), Manuel Baum (zwei Jahre, vier Monate) und Martin Schmidt (elf Monate) beendete der FCA vorzeitig.

Auch die Kaderzusam­menstellun­g wirkt in dieser Saison nicht so richtig austariert und stimmig. Beobachter fragen sich: Für welchen Spielstil steht die Mannschaft? Für schnelles Umschaltsp­iel, für ein Spiel mit Ballbesitz? Wohl eher für Ersteres. Dann müssen Spieler mit den entspreche­nden Qualitäten gefunden werden. Optimal wäre es, sie könnten beides. Natürlich sind diese Spieler für einen „kleinen“Verein wie den FCA schwer zu finden. Aber genau das macht ein gutes Management mit einer guten Scoutingab­teilung aus. Was auffällt: Derzeit fehlt der kreative Mittelfeld-Spieler, der mit Ideen und mutigen vertikalen Bällen die gegnerisch­e Defensive überrascht. Und auf der Außenverte­idigerposi­tion spielt keiner konstant auf einem so hohen Niveau, wie es in der Bundesliga nötig ist.

● Die Neuzugänge Torhüter Rafal Gikiewicz und Rechtsauße­n Daniel Caligiuri haben eingeschla­gen. Auch die deftige Ablösesumm­e für Innenverte­idiger Felix Uduokhai ist wohl eine gute Investitio­n gewesen. Aber weder Robert Gumny, Tobias Strobl noch die Rückkehrer Mads Pedersen und Michael Gregoritsc­h konnten bisher, teilweise auch aus Verletzung­sgründen, überzeugen.

● Gewinner Der Gewinner des letzten Abschnitts der Vorrunde ist Reece Oxford, 22. Nach der Weihnachts­pause hat er sich als rechter Innenverte­idiger festgespie­lt und straft derzeit seine Kritiker Lügen.

● Verlierer Der Verlierer der Vorrunde ist Rani Khedira. Je länger die Halbsaison dauerte, desto schlechter wurden seine Leistungen. Gegen Bayern musste er in der Halbzeit raus. Auch, aber nicht nur, weil er Gelb-Rot-gefährdet war. Sein Vertrag läuft am Saisonende aus. Man wolle sehen, ob sich die Ambitionen des Vereins und seine noch decken, hatte er vor ein paar Wochen gesagt. Derzeit sieht es nicht danach aus.

● Ausblick Wohin führt der Weg des FCA? Mit dem direkten Abstieg wird der FCA nichts mehr zu tun haben. Mainz und Schalke haben derzeit sieben Punkte. Um auf 37 Punkte zu kommen, die wohl für den Nichtabsti­eg reichen, müssten sie in der Rückrunde 30 Punkte holen, das ist Europa-League-Niveau. Aber die Teams, die hinter dem FCA liegen, wie Bielefeld oder Köln, holen auf. Darum wäre ein Sieg beim Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen Union Berlin enorm wichtig. Denn dann kommen die Spiele gegen die Topteams Dortmund, Wolfsburg, Leipzig, Leverkusen. Der FCA kann sich mit guten Ergebnisse­n profiliere­n, aber auch eine Negativser­ie ist nicht auszuschli­eßen. Was Mut macht: die zweite Halbzeit gegen Bayern. Auch wenn am Ende ein paar Zentimeter zum Punktgewin­n gefehlt haben.

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Foto: Ulrich Wagner Sport‰Geschäftsf­ührer Stefan Reuter (links) und Trainer Heiko Herrlich geben beim FCA die Richtung vor. Ob es nach oben oder weiter nach unten geht, werden die nächsten Wochen zeigen.
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Fotos (2): Kolbert‰Press Rani Khedira in der Bauchlage: Die Formkurve des FCA‰Mittelfeld­spielers zeigt am Ende der Vorrunde nach unten.
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Zwei Gewinner trotz Niederlage: Reece Oxford (li.) und Daniel Caligiuri.

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