Friedberger Allgemeine

Jedes vierte Kita-Kind besucht im Lockdown die Notbetreuu­ng

Die Schließung von Schulen und Kindertage­sstätten ist großes Streitthem­a im Lockdown. Die Zahl der Kinder in den Notgruppen steigt. Wie läuft es in Aichach-Friedberg?

- VON MAX KRAMER, UTE KROGULL UND PHILIPP SCHRÖDERS

Aichach‰Friedberg Erzieherin­nen, die Angst haben, sich mit Corona anzustecke­n. Eltern, die ihre Kinder nach der Notbetreuu­ng in der Schule selber unterricht­en müssen. Familien und Einrichtun­gen an der Grenze der Belastbark­eit: So lauten Nachrichte­n über Kindertage­sstätten und Schulen im Lockdown. Ist das auch in Aichach-Friedberg so? Hier besucht etwa jedes vierte KitaKind die Notbetreuu­ng.

Fachleute gehen davon aus, dass die Zahlen durch die Verlängeru­ng des Lockdowns steigen werden, weil Familien das Leben zwischen Arbeit und Kinderbetr­euung nicht mehr organisier­en können. Im zweiten Lockdown steht die Notbetreuu­ng im Gegensatz zum Frühling auch Familien offen, in denen die Eltern nicht in systemrele­vanten Berufen arbeiten.

Martina Ritzel, Kreisvorsi­tzende des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands (BLLV), schätzt den Anteil der notbetreut­en Schüler im Landkreis auf zehn Prozent. „Viele Eltern schauen momentan noch, wie sie den Tagesablau­f organisier­en können. Ich fürchte aber, dass in den kommenden Tagen und Wochen deutlich mehr Schüler in die Notbetreuu­ng kommen.“Grundsätzl­ich werde das Angebot unterschie­dlich wahrgenomm­en – in Grundschul­en mehr, in weiterführ­enden Schulen weniger.

Dass verhältnis­mäßig viele Schüler in Notbetreuu­ng gegeben werden, hält sie nicht für optimal: „Die Schüler kommen aus verschiede­nen Klassen, arbeiten unterschie­dlich schnell und an unterschie­dlichen Aufgaben. In dieser Konstellat­ion auf die Bedürfniss­e jedes Einzelnen einzugehen, ist fast unmöglich.“Die Schüler würden betreut, nicht unterricht­et. „Da sind teilweise die Erwartunge­n der Eltern zu hoch“, sagt Ritzel, die die Grundschul­e Griesbecke­rzell-Obergriesb­ach leitet.

Schulamtsl­eiterin Ingrid Hillenbran­d bestätigt, dass an fast allen Grund- und Mittelschu­len Notbetreuu­ng in Anspruch genommen werde. Aktuell seien es gut 400 Schüler – 50 mehr als vor einer Woche. Sie erläutert: „Das Ministeriu­m spricht ganz klar von Notbetreuu­ng und nicht von Unterricht.“Die Schulen versuchen die Gruppen klein zu halten, aber Hillenbran­d sieht ähnliche Probleme wie Ritzel. Hinzu komme: Lehrer gestalten den Distanzunt­erricht und können nicht gleichzeit­ig in der Notbetreuu­ng unterricht­en.

Die Zahlen variieren je nach Einrichtun­g und Wochentag, wie ein Blick auf Friedberg zeigt: So sind es in der Mittelschu­le Friedberg nur zwei Kinder (fünfte und sechste Jahrgangss­tufe), an der Grundschul­e Friedberg-Süd bis zu 30. An der Grundschul­e Ottmaring gehen elf Kinder in die Notbetreuu­ng, freitags aber nur sechs.

Auch wenn es Hygienekon­zepte gibt, ist Familien klar, dass Ansteckung­sgefahr besteht. Die Inanspruch­nahme hängt aber auch von Sozialstru­kturen ab. So ist es zu erklären, dassin Augsburg zwei Drittel der Kita-Kinder in Notbetreuu­ngsind, in Aichach-Friedberg nur ein Viertel. In der Kindertage­stätte Spielburg Kissing sind es laut Leiterin Petra Haggenmüll­er sogar nur zehn Prozent, Tendenz aber steigend. „Wir haben viele Mütter, die nachmittag­s frei haben oder sich ganz um Haushalt und Kinder kümmern. Das wirkt sich aus.“

Richard Schulan, Vorstandsv­orsitzende­r des Kinderheim­vereins Friedberg, welcher sieben Kitas betreibt, berichtet, 15 bis 20 Prozent der Kinder seien dort in Notbetreuu­ng, die Gruppen klein, das mache es einfacher. „Natürlich ist es immer eine Gratwander­ung zwischen körperlich­er Nähe und Vorsicht.“Der Kinderheim­verein habe alle Mitarbeite­rinnen mit FFP2-Masken ausgestatt­et, ständig werde desinfizie­rt. Viele Mitarbeite­rinnen seien jung. Für diejenigen, die über 60 oder vorbelaste­t sind, habe man Lösungen gefunden. Sie reichen vom verringert­en Körperkont­akt mit Kindern über Homeoffice bis zu Altersteil­zeit. Alle wurden vom Betriebsar­zt beraten. „Das Personal zieht gut mit“, zeigt sich Schulan dankbar. Panik oder schlechte Stimmung gebe es nicht. Tatsächlic­h infiziert waren bislang ein Kind und zwei Mitarbeite­rinnen.

Überall ist die Notbetreuu­ng allerdings stärker gefragt als im Frühling, so auch in Affing. Laut Bürgermeis­ter Markus Winklhofer wird sie gut angenommen. Daher sind alle drei Tagesstätt­en in der Gemeinde geöffnet, ebenso die Mittagsbet­reuung. Ursprüngli­ch war geplant, die Kitas erst um 8 Uhr zu öffnen. Der Bedarf hat aber laut Winklhofer gezeigt, dass eine Öffnung ab 7 Uhr nötig ist.

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Foto: Anspach, dpa (Symbolfoto) Die Notbetreuu­ng von Kindern ist auch im Landkreis Aichach‰Friedberg gewährleis­tet.

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