Jedes vierte Kita-Kind besucht im Lockdown die Notbetreuung
Die Schließung von Schulen und Kindertagesstätten ist großes Streitthema im Lockdown. Die Zahl der Kinder in den Notgruppen steigt. Wie läuft es in Aichach-Friedberg?
AichachFriedberg Erzieherinnen, die Angst haben, sich mit Corona anzustecken. Eltern, die ihre Kinder nach der Notbetreuung in der Schule selber unterrichten müssen. Familien und Einrichtungen an der Grenze der Belastbarkeit: So lauten Nachrichten über Kindertagesstätten und Schulen im Lockdown. Ist das auch in Aichach-Friedberg so? Hier besucht etwa jedes vierte KitaKind die Notbetreuung.
Fachleute gehen davon aus, dass die Zahlen durch die Verlängerung des Lockdowns steigen werden, weil Familien das Leben zwischen Arbeit und Kinderbetreuung nicht mehr organisieren können. Im zweiten Lockdown steht die Notbetreuung im Gegensatz zum Frühling auch Familien offen, in denen die Eltern nicht in systemrelevanten Berufen arbeiten.
Martina Ritzel, Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), schätzt den Anteil der notbetreuten Schüler im Landkreis auf zehn Prozent. „Viele Eltern schauen momentan noch, wie sie den Tagesablauf organisieren können. Ich fürchte aber, dass in den kommenden Tagen und Wochen deutlich mehr Schüler in die Notbetreuung kommen.“Grundsätzlich werde das Angebot unterschiedlich wahrgenommen – in Grundschulen mehr, in weiterführenden Schulen weniger.
Dass verhältnismäßig viele Schüler in Notbetreuung gegeben werden, hält sie nicht für optimal: „Die Schüler kommen aus verschiedenen Klassen, arbeiten unterschiedlich schnell und an unterschiedlichen Aufgaben. In dieser Konstellation auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen, ist fast unmöglich.“Die Schüler würden betreut, nicht unterrichtet. „Da sind teilweise die Erwartungen der Eltern zu hoch“, sagt Ritzel, die die Grundschule Griesbeckerzell-Obergriesbach leitet.
Schulamtsleiterin Ingrid Hillenbrand bestätigt, dass an fast allen Grund- und Mittelschulen Notbetreuung in Anspruch genommen werde. Aktuell seien es gut 400 Schüler – 50 mehr als vor einer Woche. Sie erläutert: „Das Ministerium spricht ganz klar von Notbetreuung und nicht von Unterricht.“Die Schulen versuchen die Gruppen klein zu halten, aber Hillenbrand sieht ähnliche Probleme wie Ritzel. Hinzu komme: Lehrer gestalten den Distanzunterricht und können nicht gleichzeitig in der Notbetreuung unterrichten.
Die Zahlen variieren je nach Einrichtung und Wochentag, wie ein Blick auf Friedberg zeigt: So sind es in der Mittelschule Friedberg nur zwei Kinder (fünfte und sechste Jahrgangsstufe), an der Grundschule Friedberg-Süd bis zu 30. An der Grundschule Ottmaring gehen elf Kinder in die Notbetreuung, freitags aber nur sechs.
Auch wenn es Hygienekonzepte gibt, ist Familien klar, dass Ansteckungsgefahr besteht. Die Inanspruchnahme hängt aber auch von Sozialstrukturen ab. So ist es zu erklären, dassin Augsburg zwei Drittel der Kita-Kinder in Notbetreuungsind, in Aichach-Friedberg nur ein Viertel. In der Kindertagestätte Spielburg Kissing sind es laut Leiterin Petra Haggenmüller sogar nur zehn Prozent, Tendenz aber steigend. „Wir haben viele Mütter, die nachmittags frei haben oder sich ganz um Haushalt und Kinder kümmern. Das wirkt sich aus.“
Richard Schulan, Vorstandsvorsitzender des Kinderheimvereins Friedberg, welcher sieben Kitas betreibt, berichtet, 15 bis 20 Prozent der Kinder seien dort in Notbetreuung, die Gruppen klein, das mache es einfacher. „Natürlich ist es immer eine Gratwanderung zwischen körperlicher Nähe und Vorsicht.“Der Kinderheimverein habe alle Mitarbeiterinnen mit FFP2-Masken ausgestattet, ständig werde desinfiziert. Viele Mitarbeiterinnen seien jung. Für diejenigen, die über 60 oder vorbelastet sind, habe man Lösungen gefunden. Sie reichen vom verringerten Körperkontakt mit Kindern über Homeoffice bis zu Altersteilzeit. Alle wurden vom Betriebsarzt beraten. „Das Personal zieht gut mit“, zeigt sich Schulan dankbar. Panik oder schlechte Stimmung gebe es nicht. Tatsächlich infiziert waren bislang ein Kind und zwei Mitarbeiterinnen.
Überall ist die Notbetreuung allerdings stärker gefragt als im Frühling, so auch in Affing. Laut Bürgermeister Markus Winklhofer wird sie gut angenommen. Daher sind alle drei Tagesstätten in der Gemeinde geöffnet, ebenso die Mittagsbetreuung. Ursprünglich war geplant, die Kitas erst um 8 Uhr zu öffnen. Der Bedarf hat aber laut Winklhofer gezeigt, dass eine Öffnung ab 7 Uhr nötig ist.