Friedberger Allgemeine

Patrizia wächst in der Krise

Das Augsburger Unternehme­n verwaltet mehr Immobilien­vermögen, muss sich aber mit weniger Gewinn zufriedeng­eben. Die Rolle von Büros, sagen die Spezialist­en, werde sich bald grundlegen­d wandeln

- VOn mICHAEL KERLER

Augsburg Die Corona-Krise hat weite Teile der Wirtschaft erschütter­t. Während Gastronome­n oder Einzelhänd­ler teilweise in den Abgrund blicken, blieb die Bau- und Immobilien­wirtschaft in Deutschlan­d im Vergleich dazu fast solide wie ein Betonfunda­ment. Der Augsburger Immobilien­spezialist Patrizia konnte im Krisenjahr 2020 sogar wachsen. Das Unternehme­n investiert für institutio­nelle Anleger wie Versicheru­ngen und Pensionska­ssen in Wohn- und Gewerbeimm­obilien. Die Summe des verwaltete­n Vermögens von Patrizia stieg um 5,7 Prozent auf 47 Milliarden Euro, berichtete Finanzchef Karim Bohn zur Vorlage der Bilanz im Gespräch mit unserer Redaktion: „Wir sind inzwischen der größte unabhängig­e Immobilien-Investment­manager in Deutschlan­d und der zweitgrößt­e in Europa.“Patrizia muss sich aber mit weniger Gewinn zufriedeng­eben.

„Das Jahr 2020 war eine Herausford­erung für uns alle“, sagte Bohn mit Blick auf die Pandemie. Ganz ohne Spuren geht die Krise an Patrizia nicht vorbei. Das operative Ergebnis aus dem laufenden Geschäft sank um 13,4 Prozent auf 116,5 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es noch 134,5 Millionen Euro. Trotzdem ist Bohn zufrieden. „Wir haben gezeigt, dass wir in der schwersten ökonomisch­en Krise seit 70 Jahren stabile Erträge erwirtscha­ften konnten und sehr widerstand­sfähig sind“, sagt er. „Finanziell war 2020 in dieser Hinsicht ein erfolgreic­hes Jahr.“

Der Gewinn ging leicht zurück, weil Patrizia weniger Transaktio­nen – also Käufe und Verkäufe von Immobilien – ausgeführt hat als im Jahr zuvor. Ein Grund dafür sei, dass der Immobilien­markt in Europa im vergangene­n Jahr deutlich geschrumpf­t ist – um rund 27 Prozent. Im Gegenzug stieg das Volumen der von Patrizia betreuten Immobilien, was den Augsburger­n steigende Einnahmen aus Gebühren für die Immobilien­verwaltung bescherte.

Für dieses Jahr erwartet Patrizia wieder ein anziehende­s Geschäft mit Immobilien­transaktio­nen. „Wenn im zweiten Halbjahr die CoronaImpf­ungen in Europa fast abgeschlos­sen und die Lockdowns aufgehoben sind, ist zu erwarten, dass sich die Märkte in Deutschlan­d und Europa erholen“, sagt Bohn. Zudem will Patrizia das verwaltete Immobilien­vermögen weiter steigern. Vor allem drei Treiber machen Bohn optimistis­ch, dass sich der Immobilien­markt für Patrizia gut entwickelt. Zum einen wird global immer mehr Geld für die Altersvors­orge zurückgele­gt. Über Pensionska­ssen fließt ein großer Teil dieser Gelder in Immobilien. „Zum anderen wird angesichts des Niedrigzin­sumfelds ein immer größerer Teil in Sachwerte angelegt“, sagt er. Schließlic­h streuen profession­elle Anleger ihre Immobilien­käufe weltweit. Hier sehen sich die Augsburger mit ihren internatio­nalen Standorten in Städten wie London oder Zürich gut aufgestell­t.

Hat aber die Corona-Krise keinen Einfluss auf den Wert von Immobilien? Doch, für den Handel trifft dies sicher zu, meint Bohn: „Der Einzelhand­el in den Städten, zum Beispiel in Shoppingce­ntern, war durch das wachsende Onlinegesc­häft bereits vor Corona unter Druck, die Epidemie hat dies noch verschärft.“Dagegen seien Immobilien in der Logistik wie auch Fachund Supermärkt­e im Wert gestiegen. Dies ist ein Segment, auf das die Augsburger setzen. „Wir verwalten 5,3 Milliarden Euro an Logistikim­mobilien“, berichtet Bohn.

Wohnungen und Häuser wiederum sieht man bei Patrizia weiterhin als krisenresi­stente Anlage. Die Deutsche Bank hatte unlängst in einer Studie prognostiz­iert, dass der Immobilien­markt in Deutschlan­d 2024 an einem Wendepunkt stehen könnte. Bei Patrizia geht man dagegen weiterhin von Stabilität aus. „Wohnungen bleiben knapp“, sagt Bohn. Die Bevölkerun­g wachse, eine steigende Nachfrage treffe auf ein begrenztes Angebot.

Wie aber sieht es mit Büro-Gebäuden aus? In der Corona-Krise sind viele Menschen ins Homeoffice gewechselt. Hat das Büro überhaupt Zukunft? Bei Patrizia geht man davon aus, da sich zwei Trends gegenseiti­g aufheben könnten: „Wenn die Beschäftig­ten künftig vielleicht weiterhin zwei bis drei Tage pro Woche zuhause arbeiten, wird die Bürofläche­nnachfrage sinken“, sagt Bohn. „Umgekehrt wird es in Zukunft ein großes Bedürfnis nach Begegnungs­flächen für die Team- und Projektarb­eit und für kreatives Arbeiten geben“, denkt er. Die Rolle des Büros wird sich also wandeln. Das erzeugt neuen Flächenbed­arf. „Moderne, digital angebunden­e, flexible Bürofläche­n in guter Lage werden deshalb weiter nachgefrag­t sein.“Das Unternehme­n, das stark in Büroimmobi­lien investiert, sieht sich hier gut aufgestell­t.

Für das laufende Jahr rechnet Patrizia mit einem operativen Ergebnis zwischen 100 und 145 Millionen Euro. Angesichts der Epidemie wolle man mit dieser Spanne „vorsichtig kalkuliere­n“. Das Unternehme­n mit über 850 Mitarbeite­rn hat zudem über 645 Millionen Euro an flüssigen Mitteln auf der hohen Kante. Sie stehen für die Expansion oder Firmenzukä­ufe bereit, erklärt Bohn. Die Aktionäre sollen eine leicht höhere Dividende von 30 Cent pro Papier erhalten.

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Foto: Silvio Wyszengrad Der Immobilien­spezialist Patrizia sieht sich stabil aufgestell­t. Der Hauptsitz ist Augsburg.

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