Die Bauverwaltung verteidigt ihren Standpunkt
Der Streit um Abriss und Neubau des Weinnests geht weiter. Nachdem der Architekt die Stadt Friedberg der Schikane bezichtigt hat, nimmt diese nun zum Vorwurf Stellung
Friedberg Der Friedberger Gregor Holzbrecher hat die Stadt Friedberg verklagt. Er möchte das ehemalige Weinnest abbrechen und neu aufbauen, hat jedoch keine Genehmigung erhalten. Begründet wird der Abriss damit, dass eine Sanierung fast unmöglich sei, unter anderem wegen der Gefahr für Nachbarhäuser. Der Architekt Selajdin Bajraktari spricht von „Schikane“, da sich die Verhandlungen seit Juni 2019 hinziehen. Die Bauverwaltung will den Vorwurf der Blockadehaltung nicht auf sich sitzen lassen. Baureferentin Lillian Sedlmair nimmt Stellung.
Das Weinnest ist kein Einzeldenkmal mehr, steht aber wie die gesamte Friedberger Altstadt unter Ensembleschutz. Was bedeutet das für Sanierung bzw. Abriss?
Die Altstadt verdanke ihr einzigartiges Erscheinungsbild auch dem Ensembleschutz, betont die Friedberger Baureferentin. „Der Charme und die Einzigartigkeit, die unsere Innenstadt ausmachen, wären ohne diese besondere Unterschutzstellung schnell dahin.“Sie glaubt: „Wenn jedes Gebäude in der Innenstadt, das kein Einzelbaudenkmal ist, ohne Weiteres abgerissen werden könnte, bestünde unsere Altstadt bald nahezu nur noch aus Neubauten.“Das Haus an der Bauernbräustraße 3 sei eines der prominentesten, aber nicht das einzige Beispiel für einen durch (Vor-)Eigentümer verursachten schlechten Gebäudezustand. In dem betreffenden Fall sieht sie es als „besonders bedeutsam“, dass es Baulücken zu verhindern gilt. Denn diese seien Bürgern ein Dorn im Auge, nicht im Sinn der Stadtentwicklung und begünstigten Grundstücksspekulation.
Der Architekt wirft der Stadt eine unfaire Vorgehensweise vor. Zudem kritisiert er, das Verfahren sei immer wieder hinausgezögert worden.
Die Baureferentin betont, die Stadtverwaltung habe sich Entscheidungen in Sachen Weinnest nicht leicht gemacht und den Schutz des
Gebäudes kontrovers diskutiert. Auch versuche das Bauamt, die Spitzen des Denkmalrechts abzufangen. „Wir als Verwaltung vollziehen Denkmalschutz nicht in dem Glauben, dieser sei Selbstzweck, sondern in dem Wissen, dass es sich um die Wahrung dessen handelt, was Friedberg einzigartig macht – für seine Bürger und für seine Geschäftstreibenden“, so Sedlmair.
Herrscht hier Amtswillkür seitens der Friedberger Stadtverwaltung?
Die Stadt muss sich nach dem Bayerischen Denkmalrecht richten, dessen Interessen das Landesamt für Denkmalschutz vertritt. Es gelte das Prinzip der Gleichbehandlung aller Bauherren. Um die mit Ensembleoder Denkmalschutz verbundenen Nachteile zu kompensieren, besteht laut Sedlmair aber neben steuerlichen Vergünstigungen für Bauherren die Möglichkeit, zur Sanierung
Städtebauförderungsmittel und städtische Zuschüsse in Anspruch zu nehmen.
Laut Bauherr und Architekt ist eine Sanierung des Weinnests so gut wie unmöglich. Das Urteil eines Statikers lautete: „Die Rückführung des Gebäudes in eine planmäßige Standsicherheit, (…), sehen wir in keinem umsetzbaren Rahmen.“Ein Gutachter des Prüfamtes für Standsicherheit bestätigte das. Eine Sanierung sei unwirtschaftlich.
Laut Denkmalrecht muss derjenige, welcher einen prägenden Bestandteil eines Denkmalensembles abreißen möchte, darlegen, dass eine Sanierung unwirtschaftlich ist. Bei diesem Nachweis seien die gesetzlichen Kriterien erheblich zugunsten des Bauherren „verbessert“worden, hält die Baureferentin dem Architekten vor. Das ehemalige Weinnest sei trotz seines schlechten Zustands selbst für einen unbefangenen Betrachter ein „besonderes“Gebäude. „Arbeiten im Innenraum haben zwar seinen Status als Einzelbaudenkmal beseitigt, das Gebäude stammt jedoch erkennbar aus früherer Zeit und veranschaulicht die damalige Baukultur“, so Sedlmair.
Der Augsburger Architekt beschwert sich, die Stadt und das Denkmalamt hätten sich geweigert, geforderte Planänderungen mit ihm zu besprechen und bei einem Ortstermin das Gebäudeinnere in Augenschein zu nehmen, um Details zu besprechen.
Das mag Lillian Sedlmair nicht so stehen lassen. Der besagte Ortstermin habe zeitweise im Erdgeschoss des Weinnests stattgefunden – die Obergeschosse seien nur deswegen nicht nochmals begangen worden, weil alle Entscheidungsträger dort schon mehrmals waren.
Streit zwischen Bauherr und Stadt gibt es auch darüber, ob zuerst der Abriss oder erst die Neubauplanung genehmigt werden muss. Selajdin Bajraktari betont, er könne das Gebäude nicht planen, ohne zu wissen, ob es einen Keller hat. Und das lasse sich nur auf Basis der archäologischen Untersuchungen klären.
Von dieser Argumentation habe sie erst aus dem Artikel unserer Redaktion erfahren, so Sedlmair. Die Bauverwaltung habe den Architekten über das Thema Archäologie informiert, dieser habe den Neubauantrag dennoch mit großem Keller eingereicht. Auch die weiteren Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Unterkellerung, etwa Unterfangungen der Nachbargebäude, Einfluss auf deren Standsicherheit und die damit verbundene massive Kostensteigerung „sollten doch einem denkmalfachlich versierten Fachmann seit jeher unschwer geläufig gewesen sein“, sagt die Baureferentin. Aufgrund dieser Probleme seien Keller in der Altstadt eher Ausnahme als Regel. „Das aufgeworfene Problem wurde trotz mehrfacher Anforderung von Bauantragsunterlagen für den Neubau gegenüber der Verwaltung durch Bauherrn und Architekt niemals thematisiert“, so Sedlmair. Das Weinnest steht seit 2018 leer, es ist ein Schandfleck in der Altstadt. Das kann auch der Stadt Friedberg nicht recht sein. Wie könnte es aus ihrer Sicht weitergehen?
Laut Bauverwaltung kann der Architekt „den korrekten, rechtlich erforderlichen Nachweis der Unwirtschaftlichkeit des Abbruchs erbringen, gerne parallel die Antragsunterlagen zum Antrag auf Neubau inklusive gewissermaßen vorsorglich geplanten größerem Keller nachbessern und – eine Zustimmung der Denkmalpflege zu Abbruch und Keller vorausgesetzt – später während der Bautätigkeiten anhand der vorgefundenen Situation eigenverantwortlich entscheiden, ob er den Keller auch tatsächlich ausführt“. Das sei das übliche Vorgehen – nicht nur in Friedberg.