Friedberger Allgemeine

Wie Landkreise privat, schnell und günstig bauen

Hintergrun­d Das Wittelsbac­her Land baut konvention­ell: Grobschätz­ung, Planung, Vergabe, Nachträge – und meistens wird es deutlich teurer. Der Anbau an das Landratsam­t in Aichach befeuert eine Diskussion im Kreistag. In der Nachbarsch­aft gibt’s Beispiele f

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach/Dachau/Buchloe Manchmal hilft ein Blick über den Gartenzaun: Der Nachbarlan­dkreis Dachau baut gerade eine Katastroph­enschutzha­lle, beziehungs­weise ein Generalunt­ernehmer baut in Hebertshau­sen. Denn das Holzgebäud­e wird als Pilotproje­kt in sogenannte­r Öffentlich-Privater-Partnersch­aft (ÖPP) errichtet. Das bedeutet, dass der Buchloer Hallenbaus­pezialist Hörmann die Halle im Herbst schlüsself­ertig übergibt und dann betreibt. Und das nächste ÖPP-Projekt im Osten des Wittelsbac­her Landes steht schon in den Startlöche­rn: Ein Privatunte­rnehmen soll zum Festpreis das fünfte Kreisgymna­sium in Röhrmoos bauen und auch für eine vereinbart­e Laufzeit unterhalte­n, bis es der Landkreis in 20 oder 25 Jahren wieder instand übernimmt.

Der Landkreis Aichach-Friedberg baut dagegen lieber selbst: ÖPP war bislang bei keinem der großen Bauvorhabe­n ein Thema. Die seit Jahren diskutiert­e Erweiterun­g des Landratsam­tes in Aichach hat die Diskussion darüber jetzt angefacht. Wie berichtet, hat der Kreistag vor einem Monat mit großer Mehrheit für eine Vertagung des Baudurchfü­hrungsbesc­hlusses gestimmt. Gleichzeit­ig ist aber auch beschlosse­n worden, dass diese endgültige Entscheidu­ng über den Anbau in Holzhybrid-Bauweise noch in diesem Jahr fallen muss. Landrat Klaus Metzger hat diesen Antrag selbst eingebrach­t und damit auf die Kritik mehrerer Fraktionen reagiert. Die Kreisräte sollen jetzt weitere Fragen stellen können, die zuerst im Bauausschu­ss behandelt werden und dann vom Kreistag. Im Mittelpunk­t der Diskussion steht dabei die Kostenentw­icklung: Insgesamt liegt die Schätzung jetzt bei 21,5 Millionen Euro für den Anbau in Richtung Münchner Straße und die Sanierung des Altgebäude­s.

Insbesonde­re sahen mehrere Kreisräte Erklärungs­bedarf bei den Kosten für den Neubau von knapp 15 Millionen Euro (4000 Euro pro Quadratmet­er Bürofläche). Das sei fast doppelt so viel wie bei einem Projekt in der Privatwirt­schaft. Im Herbst 2018 lag die „grobe Kostenschä­tzung“der Verwaltung für den Anbau beim Grundsatzb­eschluss des Kreistags noch bei neun Millionen Euro. Insbesonde­re die Kreisräte von Freien Wählern und Unabhängig­en fordern, dass andere Bauabwickl­ungsmodell­e geprüft werden sollten. Die Gründung eines Kommunalun­ternehmens, wie von den Unabhängig­en vorgeschla­gen, um Umsatzsteu­er zu sparen und nicht europaweit ausschreib­en zu müssen, ist aus Sicht der Kreisverwa­ltung nicht möglich, weil der Schwellenw­ert (5,4 Millionen) überschrit­ten werde. Und die Beauftragu­ng eines Generalunt­ernehmers bringt aus Sicht der Bauverwalt­ung ebenfalls keine wirtschaft­lichen Vorteile.

In der Sitzung des Bauausschu­sses am nächsten Dienstag soll jetzt ein Zeitplan vor dem Baudurchfü­hrungsbesc­hluss auf den Weg gebracht werden. In der Zwischenze­it sind nämlich über 100 Fragen und dreizehn Anträge und Aufträge von den Fraktionen zum Projekt eingetroff­en. Die CSU beantragt, dass die Entscheidu­ng im Kreistag über die Erweiterun­g des Landratsam­tes noch im Frühjahr, also spätestens Ende Mai, fallen muss, auch um zusätzlich­e Kosten durch Verzögerun­gen zu vermeiden. Ob zuvor alle Fragen und Anträge der Kreisräte von der Verwaltung abgearbeit­et werden können ist damit offen.

Im Landkreis Dachau ist die Entscheidu­ng für das ÖPP-Modell beim Hallenbau und auch jetzt beim Gymnasium vorrangig aus Kapazitäts­und Zeitgründe­n gefallen, erläutert Wolfgang Reichelt, Pressespre­cher des Landratsam­tes, auf Anfrage. Die Bauabteilu­ng sei durch viele aktuelle Projekte ausgelaste­t. Nach einem ersten Versuch und Erfahrunge­n mit der Halle in Hebertshau­sen (Vertragspr­eis: 5,2 Millionen Euro) soll mit dem Gymnasium Röhrmoos auch ein Kosten-, Zeitund Abwicklung­svergleich zum klassische­n Verfahren mit Ausschreib­ungen der einzelnen Gewerke durch die Verwaltung gezogen werden. Denn nahezu zeitgleich entsteht ein viertes Gymnasium gemit der Stadt München in Karlsfeld. Landrat Stefan Löwl wagte in einer Sitzung schon mal eine Prognose: Geld spare sich der Landkreis mit der ÖPP-Variante nicht unbedingt, aber massiv Zeit und Personal.

Solche Partnersch­aften mit der Beauftragu­ng von Generalunt­ernehmern oder noch weitergehe­nden Modellen durch Kommunen sind kein Neuland, sondern seit Jahren ein Thema. Die Stadt Aichach hat ihr Feuerwehrh­aus an der Freisinger Straße nach einer sogenannte­n Funktional­ausschreib­ung und der Vergabe des kompletten Auftrags an ein Bauunterne­hmen gebaut.

Die größten Erfahrunge­n in der Region hat der Landkreis Ostallgäu. Er hat das Gymnasium in Buchloe so realisiert. Dafür erhielt der Landkreis sogar den „Innovation­spreis ÖPP 2012“. Wie gut die Partnersch­aft im Fall des Buchloer Gymnasiums wirklich war, wird sich endgültig erst in einem Jahrzehnt herausstel­len. Denn dann endet der Vertrag mit einem mittelstän­dischen Bauunterne­hmen aus Bad Saulgau in Oberschwab­en (BadenWürtt­emberg). Das hat die Schule im höchsten Energiespa­rniveau (Passivhaus­standard) in einer Rekordzeit von nur 16 Monaten in hoher Qualität gebaut und betreibt das Gebäude seit 2013 für zwei Jahrzehnte. Das heißt, das Unternehme­n ist für Haustechni­k, Rasenmähen, Abwasseren­tsorgung, Hausmeiste­r, Mülltrennu­ng, Winterdien­st und Reinigungs­personal zuständig.

Eigentümer der Liegenscha­ft ist zwar der Landkreis. Wenn aber eine Tür kaputt oder ein Wasserhahn defekt ist, muss der Unternehme­r die Rechnung für den Bauunterha­lt bezahlen oder selbst ausführen. Allein aus Eigennutz setzte die Firma bei Technik und Baustoffen deshalb auf hohe Qualität und Effizienz. Reparature­n und Mängel gehen ja auf eigene Kosten. Nur beim Betriebspo­sten Strom zahlt das Ostallgäu bis zu einer vereinbart­en Grenze mit. 2033 wird entschiede­n, ob der Betrieb des Gebäudes weiter vergeben wird oder der Landkreis es dann wieder selber übernimmt wie bei seinen anderen Schulhäuse­rn.

Gebaut wurde in Buchloe ein dreizügige­s Gymnasium mit integriert­er Zweifachsp­orthalle, Außensport­anlagen und Mensa, 250 Fahrradste­llplätzen und 100 Parkplätze­n zu einem Pauschalpr­eis von 22,5 Millionen Euro ohne Grunderwer­bskosten. Dazu kommen Betriebsun­d Unterhalts­kosten von jährlich rund 500.000 Euro, festgesetz­t auf 20 Jahre. Das macht vermeinsam traglich vereinbart­e Gesamtkost­en für Bau und Betrieb von rund 33 Millionen Euro am Ende der Vertragsla­ufzeit 2033. Hinzu kommen Kosten für den Kreis als Sachaufwan­dsträger wie Abschreibu­ngen, Schuldendi­enst (Zins und Tilgung) und der Sachbedarf der Schule.

Vor der Entscheidu­ng ließ das Ostallgäu ermitteln, ob sich das Privatmode­ll rechnet. Ergebnis: Ein ÖPP-Gymnasium spart etwa sieben Prozent der Kosten. Als Vorteile werden vor Ort aufgezählt: Kostensich­erheit für Bau und Betrieb, hochmodern­es, funktional­es Gebäude mit hoher architekto­nischer Qualität, extrem kurze Bauzeit, Vergabe von Aufträgen an örtliche Handwerker. Details zum Bauwerk: Ökologie (heimische Baustoffe wie Holz, Verzicht auf „Chemie“); Energie (Passivhaus, Grundwasse­rpumpe, Lüftungsan­lagen mit Wärmerückg­ewinnung etc.), Gesundheit (Aufenthalt­squalität, Lärmeindäm­mung).

Nicht viel später wurde im Wittelsbac­her Land das ebenfalls dreizügige Gymnasium in Mering gebaut und im Herbst 2016 – 27 Monate nach dem Spatenstic­h – übergeben. 2010 wurden die Kosten für Sanierung der Mittelschu­le plus Aus- und Anbau für ein Gymnasium inklusive einer weiteren Sporthalle laut Gutachten noch „grob“auf insgesamt 18 Millionen Euro hochgerech­net. Diese Summe, zum Großteil für eine Gebäudeumn­utzung,

stieß auf harsche Kritik im Kreistag. Nach mehreren Kostenstei­gerungen wurde das rund 40 Jahre alte Betonskele­tt-Gebäude und auch der erst zehn Jahre alte Erweiterun­gsbau „Red Box“komplett abgerissen, weil ein Neubau laut Architektu­rbüro die günstigere Variante war.

Die endgültige­n Baukosten: 26,4 Millionen Euro allein für das Schulgebäu­de und 7,7 Millionen für eine Mensa für Gymnasium und Realschule. Die wurde nach Verzögerun­gen durch eine Umplanung für drei zusätzlich­e Klassenzim­mer im Frühsommer 2019 in Betrieb genommen. Wichtiger Unterschie­d der beiden Projekte: In der Buchloer Bausumme (22,5 Millionen Euro) stecken die Kosten für eine Zweifachsp­orthalle plus Außenanlag­en (4,3 Millionen) bereits drin – vergleichb­ar sind also 18,2 Millionen für ein Passivgebä­ude auf freier Wiese. Aichach-Friedberg baute für 34,1 Millionen eine Schule mit gutem Energiesta­ndard und musste zuvor Altgebäude abreißen und entsorgen.

Das Wittelsbac­her Land zahlt auch für Wasser, Strom, Heizung und Hausmeiste­r am Gymnasium, hat aber keine fixierte Kostensich­erheit über 20 Jahre wie der Landkreis Ostallgäu und kalkuliert natürlich auch mit Abschreibu­ng, Schuldendi­enst und Sachbedarf.

Das Gymnasium in Buchloe ist ÖPP‰Innovation­smodell

 ?? Foto: Matthias Wild (Archivbild) ?? Das Gymnasium in Buchloe wurde 2013 fertig. Ein Unternehme­n war und ist in einer öffentlich‰privaten Partnersch­aft (ÖPP) für Planung, Bau und jetzt für den Betrieb des Gebäudes im Passivhaus­standard für 20 Jahre zuständig. Der Landkreis Ostallgäu weiß seit neun Jahren, was das alles insgesamt kostet: Rund 33 Millionen Euro bis ins Jahr 2033.
Foto: Matthias Wild (Archivbild) Das Gymnasium in Buchloe wurde 2013 fertig. Ein Unternehme­n war und ist in einer öffentlich‰privaten Partnersch­aft (ÖPP) für Planung, Bau und jetzt für den Betrieb des Gebäudes im Passivhaus­standard für 20 Jahre zuständig. Der Landkreis Ostallgäu weiß seit neun Jahren, was das alles insgesamt kostet: Rund 33 Millionen Euro bis ins Jahr 2033.

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