„2021 wird ein hartes Jahr“
Die Chefin der Augsburger Arbeitsagentur ist als Optimistin bekannt. Doch die Corona-Krise treibt selbst ihr die Sorgenfalten auf die Stirn. Zwei Punkte machen Elsa Koller-Knedlik besonders zu schaffen
Frau Koller-Knedlik, die Arbeitslosenzahlen im Agenturbezirk Augsburg sind im Februar im Vergleich zum Vorjahr um 35,6 Prozent gestiegen. Wie bewerten Sie diese Zahl?
Elsa KollerKnedlik: Das ist enorm, keine Frage. Aber eine pauschale Aussage, wie schlimm Augsburg im Vergleich zu anderen Regionen getroffen wurde, lässt sich daraus nicht ableiten. Nehmen wir die Zahlen für Bayern, liegen wir über dem Durchschnitt von hier 32,7 Prozent. Wenn wir uns aber an Regionen in direkter Nachbarschaft messen, dann schneiden wir besser ab. Sowohl, was die Zahl der Arbeitslosen angeht, als auch die Zahl an offenen Stellen. Hier haben wir beispielsweise in Augsburg-Stadt einen Rückgang von 23,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, Ingolstadt von 29,6 Prozent. Ich möchte trotz der schwierigen Lage in der Pandemie auch ein wenig Optimismus verbreiten. Wir haben im Agenturbezirk derzeit rund 35 Prozent der Unternehmen in Kurzarbeit. Das heißt aber auch, dass über 60 Prozent normal weiterarbeiten.
Sie gelten seit jeher als Optimistin. Fällt Ihnen diese Rolle angesichts der Krise nicht zunehmend schwerer? KollerKnedlik: Ich will weiter optimistisch bleiben, und es gibt auch Entwicklungen, die dafür sprechen, wie beispielsweise, dass wir nach wie vor einen Zugang an offenen Stellen haben und Firmen die Krise nutzen, um sich über die Qualifizierung von Mitarbeitern besser für die Zukunft aufzustellen. Aber natürlich verschärft die anhaltende Krise zunehmend die Lage. Das macht mir vor allem bei den Themen Ausbildung und weiterer Lockdown Sorgen.
Warum?
KollerKnedlik: Bei der Ausbildung sind es verschiedene Facetten. Zum einen können Schüler, die eine Ausbildungsstelle suchen, derzeit keine oder so gut wie keine Praktika machen. Auch andere Maßnahmen zur Berufsorientierung müssen auf anderen Wegen organisiert werden. Beispielsweise per Videoberatung. Das tun wir auch, es wird angenommen, aber es ist erst einmal schwieriger, junge Leute zum richtigen Ausbildungsberuf und Arbeitgeber zu vermitteln. Dazu sehen wir einen Rückgang an Ausbildungsstellen um derzeit gut acht Prozent. In manchen Branchen ist das einfach erklärt; wo derzeit nicht gekocht werden kann, ist auch eine Ausbildung zum Koch schwierig und im Übrigen auch eine Übernahme aktueller Azubis. Daher machen wir uns durchaus Sorgen, was mit dem Ausbildungsjahrgang 2020/21 passiert und welche Folgen das für die jungen Menschen, aber auch die Betriebe hinsichtlich des Themas Fachkräftemangel haben wird.
Können Sie hier gegensteuern? KollerKnedlik: Wie gesagt, wir versuchen in Absprache mit den Kammern jede Art der Berufsorientierung auf jedem uns zur Verfügung stehenden Kanal anzubieten. Dazu appellieren wir an die Betriebe und Unternehmen, an der Ausbildung festzuhalten, und machen sie auf die Verdoppelung der Ausbildungsprämie aufmerksam, die die Politik bietet. Gerade jetzt sollten auch verstärkt Betriebspraktika für die Schüler angeboten werden, auch in den Ferien. Auch alternative Möglichkeiten zur direkten Ausbildung nach der Schulzeit stellen wir vor. Hier geht es auch um das Thema Wege nach dem Abitur: Studium, Arbeiten im Ausland, Studieren im Ausland, Freiwilliges Soziales Jahr, Bundesfreiwilligendienst.
Sie haben vorhin davon gesprochen, dass Ihnen auch der anhaltende Lockdown Sorgen macht. Inwiefern? KollerKneldik: Mal abgesehen von den sozialen Folgen ist klar, dass unsere Firmen immer mehr unter Druck geraten, je länger der Lockdown anhält und je länger damit ihre Geschäftstätigkeit eingeschränkt oder gar unmöglich ist. Für manche steht zunehmend die Existenz auf dem Spiel, andere können sich vielleicht bald nur noch behelfen, in dem sie Personal abbauen. Deshalb ist meine dringende Bitte zu prüfen, ob weitere Lockerungen unter Einhaltung strengster Hygienemaßnahmen nicht doch vertretbar sind, um ein solches Szenario zu umgehen.
Rechnen Sie mit einem weiteren drastischen
KollerKnedlik: Ich will auch hier wieder optimistisch bleiben und Prognosen der Experten glauben, die, Stand heute, von einer guten Erholung der Wirtschaft ab Mitte des Jahres ausgehen. Allerdings muss man hier bezüglich des Arbeitsmarkts zwei Dinge beachten. Erstens bedeutet der Neustart vieler Unternehmen nicht gleich, dass wieder Personal aufgebaut wird. Zum anderen wissen wir, dass Entwicklungen der Wirtschaft erst mit einem halben bis einem Jahr Verzögerung in der Arbeitsmarktstatistik ankommen. Daher muss ich leider sagen, wird 2021 ein hartes Jahr.
Schon vor Corona hat sich bei einigen Augsburger Unternehmen der Strukturwandel negativ ausgewirkt, und es kam zu Stellenstreichungen. Nun sollen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) Kompetenzen aufgebaut werden, um neue Standbeine zu sichern. Könnte das langfristig die Lösung sein?
KollerKnedlik: Das sind Chancen, die unbedingt genutzt werden müssen, aber nicht jedem helfen. Die KI wird in einigen Bereichen dazu führen, dass Produktionsarbeitsplätze wegfallen. In diesem Bereich haben wir in Augsburg aber viele Beschäftigte. Dank der Verdienste der Gewerkschaften sind diese Jobs auch oft gut dotiert, obwohl es sich nicht bei allen Beschäftigten um Fachkräfte handelt. Sollte ihr Arbeitsplatz der KI zum Opfer fallen, lassen sich diese Menschen aber nicht an einem neuen, durch KI entstandenen Arbeitsplatz einsetzen. Es würde an der Qualifikation fehlen oder in anderen Jobs an der Bezahlung. Wir bitten daher alle Betriebe, Zeiten der Kurzarbeit zu nutzen, um diese Beschäftigte weiterzubilden und ihnen so berufliche Perspektiven zu bieten. Wir unterstützen die Betriebe dabei finanziell. Interview: Andrea Wenzel ⓘ
Zur Person Elsa KollerKnedlik leitet seit dem Jahr 2017 die Agentur für Ar beit in Augsburg.