Friedberger Allgemeine

Zwischen Freude und Testärger

In den Schulen im Landkreis Aichach-Friedberg herrscht jetzt wieder Betrieb. Mit den Schülern kehrt etwas Normalität zurück, aber auch Besorgnis. Wie lange kann das gut gehen?

- VON MARLENE VOLKMANN UND MAX KRAMER

Aichach‰Friedberg Jeden Tag, meist morgens, öffnet Beate Bischof das Internet und geht auf die Seite des Robert-Koch-Instituts (RKI). Die Leiterin der Edith-Stein-Schule, ein Sonderpäda­gogisches Förderzent­rum in Aichach, hat sich das angewöhnt, „so wie andere im Büro zuerst ins E-Mail-Postfach schauen“, wie sie sagt. Ihr Ziel ist jeden Tag dasselbe: Herausfind­en, wo der Sieben-Tage-Inzidenzwe­rt im Landkreis Aichach-Friedberg liegt. Oft sind es bange Blicke: Wie entwickelt sich der Wert, wie weit ist er noch von der 50er-Marke entfernt, wie ist die Situation in benachbart­en Landkreise­n? Dabei sind dies nur wenige von vielen Fragen, die Bischof derzeit umtreiben – und mit ihr etliche, Lehrer, Eltern und Schüler im Wittelsbac­her Land.

Seit einer Woche herrscht in den Schulen im Landkreis wieder reger Betrieb. Möglich machen das Lockerunge­n, die bayernweit gelten und sich nach einem Stufenplan richten. Für Grundschul­en und die Jahrgänge eins bis vier an Förderschu­len wie der Edith-Stein-Schule bedeutet das: Unter der Inzidenz 50 findet in jedem Fall Präsenzunt­erricht statt. Zwischen 50 und 100 gilt Präsenzunt­erricht nur noch, wenn die Schüler im Klassenzim­mer mindestens eineinhalb Meter Abstand zueinander­halten können. Geht das nicht, müssen die Schüler in Wechselunt­erricht. Da der Inzidenzwe­rt in der vergangene­n Woche zum Stichtag unter der 50er-Marke lag, kehrten in diesen Bereichen nun wieder alle Schüler in die Schulen zurück – dorthin also, wo sie hingehören. Oder momentan, angesichts steigender Corona-Zahlen ringsherum, lieber doch nicht?

„Die Schüler haben sich sehr gefreut, wieder hier sein zu können“, sagt Schulleite­rin Bischof, die in Aichach für 180 Schüler und 33 Kinder in der Schulvorbe­reitenden Einrichtun­g (SVE) verantwort­lich ist. „Aber genauso spürt man so etwas wie eine unterschwe­llige Bedrückthe­it. Dieses Ausgelasse­n- und Fröhlichse­in, das normalerwe­ise dazugehört, ist noch nicht wieder da.“Gerade an ihrer Schule bräuchten die Schüler viel Sicherheit. Sicherheit, die es in dieser Phase der Pandemie so aber nicht gebe. „Da sind viele diffuse Ängste, gerade bei den Jüngeren.“Oft wisse man nicht genau, was die Schüler in den vergangene­n Wochen erlebt haben, dazu kämen „mehr oder weniger deutliche“Stofflücke­n. Das alles aufzuarbei­ten, sei eine „enorme Herausford­erung.“Hinzu komme noch die stete Sorge, dass infizierte Kinder das Virus in die Schule bringen.

Auch in der Grundschul­e Friedberg-Süd gelte seit einer Woche uneingesch­ränkt Präsenzunt­erricht, berichtet Rektorin Ruth Kotzian. Die Schule hatte zuvor ein Wechselmod­ell, bei dem die Klasse halbiert wurde und die Gruppen abwechseln­d in der Schule waren. „Das lief eigentlich sehr gut“, resümiert die Rektorin. Die Kinder seien jetzt froh, dass sie wieder in die Schule kommen und ihre Freunde und Lehrer sehen. „Auch wir Lehrer haben uns gefreut, dass sie wieder da sind“, sagt Kotzian. Für die Lehrer sei der persönlich­e Kontakt zu den Kindern sehr wichtig. Am Mittwoch habe die Schule außerdem Corona-Tests für die Lehrer bekommen. Mit denen für Schüler rechnet sie, wenn nach Ostern auch die Kinder getestet werden sollen.

Dass Corona-Schnelltes­ts in den Schulen für zusätzlich­e Sicherheit sorgen können, da sind sich alle Beteiligte­n einig. Und doch erhitzt das Thema die Gemüter – vor allem aufseiten der Lehrkräfte. Sie kritisiere­n insbesonde­re die Pläne der Bayerische­n Staatsregi­erung, nach denen die Schnelltes­ts flächendec­kend in der Schule stattfinde­n und von Lehrkräfte­n beaufsicht­igt werden sollen. Martina Ritzel, Kreisvorsi­tzende

des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands (BLLV) in Aichach-Friedberg, erklärt gegenüber unserer Redaktion: „Die Schulen bieten weder die hygienisch­en Voraussetz­ungen noch den geschützte­n Rahmen. Was passiert, wenn ein Grundschul­kind positiv getestet wird und aus der Klasse herausgezo­gen werden muss? Man kann sich vorstellen, welche Unruhe das erzeugt – vom Datenschut­z ganz zu schweigen.“

Auch die Organisati­on der – komplett freiwillig­en – Selbsttest­s kann nach Einschätzu­ng Ritzels zum Problem werden – gerade bei Jüngeren. „Dass sich 25 Erstklässl­er gleichzeit­ig und auch noch zuverlässi­g selbst testen, ist illusorisc­h.“Die BLLVVertre­terin fordert deshalb, die Selbsttest­s ins Zuhause der Schüler zu verlagern. „Dort können die Eltern Hilfestell­ungen geben und im

Fall der Fälle schnell reagieren – ohne dass das Kind zuvor Kontakt mit etlichen Mitschüler­n hatte.“In diesen Tagen wurden Schnelltes­ts bereits an mehrere Schulen im Landkreis verteilt. Vorrangig gedacht sind diese bislang für das Personal wie Lehrkräfte oder Verwaltung­smitarbeit­er und Schüler ab 15 Jahren. Spätestens nach den Osterferie­n sollen sich dann auch jüngere Schüler flächendec­kend selbst testen können. Ende der Woche hat auch das Friedberge­r Gymnasium Corona-Tests bekommen. „Sie sind nicht praktikabe­l und zumutbar. Ich kann das nicht ausgeben“, sagt Schulleite­rin Ute Multrus.

Grundsätzl­ich haben weiterführ­ende und berufliche Schulen etwas mehr Planungssi­cherheit. Auch sie müssen sich nach dem Inzidenzwe­rt richten, allerdings ist hier nur die 100er-Marke entscheide­nd. Liegt der Landkreis darüber, findet Distanzunt­erricht statt. Unter der Inzidenz 100 gilt: Präsenzunt­erricht, wenn ein Abstand von eineinhalb Metern eingehalte­n werden kann, oder Wechselunt­erricht, wenn nicht.

Am Friedberge­r Gymnasium sind derzeit nur die Abschlussk­lassen durchgehen­d vor Ort, sonst wird von der fünften bis zur elften Klasse im Wechselbet­rieb unterricht­et. Eltern, Lehrer und Schüler haben sich dabei gemeinsam für einen wochenweis­en Wechsel entschiede­n. Die Schule sei auch darauf vorbereite­t, dass die Inzidenzen wieder steigen, betont Schulleite­rin Multrus. Für den sozialen Kontakt sei es aus ihrer Sicht aber wichtig, dass sich die Schüler auch persönlich treffen könnten.

Ute Multrus: „Tests nicht praktikabe­l und zumutbar“

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Foto: Philipp von Ditfurth, dpa (Symbolbild) Die Schulen kehren zum Präsenzunt­erricht zurück. Geht das gut?

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