Zwischen Freude und Testärger
In den Schulen im Landkreis Aichach-Friedberg herrscht jetzt wieder Betrieb. Mit den Schülern kehrt etwas Normalität zurück, aber auch Besorgnis. Wie lange kann das gut gehen?
AichachFriedberg Jeden Tag, meist morgens, öffnet Beate Bischof das Internet und geht auf die Seite des Robert-Koch-Instituts (RKI). Die Leiterin der Edith-Stein-Schule, ein Sonderpädagogisches Förderzentrum in Aichach, hat sich das angewöhnt, „so wie andere im Büro zuerst ins E-Mail-Postfach schauen“, wie sie sagt. Ihr Ziel ist jeden Tag dasselbe: Herausfinden, wo der Sieben-Tage-Inzidenzwert im Landkreis Aichach-Friedberg liegt. Oft sind es bange Blicke: Wie entwickelt sich der Wert, wie weit ist er noch von der 50er-Marke entfernt, wie ist die Situation in benachbarten Landkreisen? Dabei sind dies nur wenige von vielen Fragen, die Bischof derzeit umtreiben – und mit ihr etliche, Lehrer, Eltern und Schüler im Wittelsbacher Land.
Seit einer Woche herrscht in den Schulen im Landkreis wieder reger Betrieb. Möglich machen das Lockerungen, die bayernweit gelten und sich nach einem Stufenplan richten. Für Grundschulen und die Jahrgänge eins bis vier an Förderschulen wie der Edith-Stein-Schule bedeutet das: Unter der Inzidenz 50 findet in jedem Fall Präsenzunterricht statt. Zwischen 50 und 100 gilt Präsenzunterricht nur noch, wenn die Schüler im Klassenzimmer mindestens eineinhalb Meter Abstand zueinanderhalten können. Geht das nicht, müssen die Schüler in Wechselunterricht. Da der Inzidenzwert in der vergangenen Woche zum Stichtag unter der 50er-Marke lag, kehrten in diesen Bereichen nun wieder alle Schüler in die Schulen zurück – dorthin also, wo sie hingehören. Oder momentan, angesichts steigender Corona-Zahlen ringsherum, lieber doch nicht?
„Die Schüler haben sich sehr gefreut, wieder hier sein zu können“, sagt Schulleiterin Bischof, die in Aichach für 180 Schüler und 33 Kinder in der Schulvorbereitenden Einrichtung (SVE) verantwortlich ist. „Aber genauso spürt man so etwas wie eine unterschwellige Bedrücktheit. Dieses Ausgelassen- und Fröhlichsein, das normalerweise dazugehört, ist noch nicht wieder da.“Gerade an ihrer Schule bräuchten die Schüler viel Sicherheit. Sicherheit, die es in dieser Phase der Pandemie so aber nicht gebe. „Da sind viele diffuse Ängste, gerade bei den Jüngeren.“Oft wisse man nicht genau, was die Schüler in den vergangenen Wochen erlebt haben, dazu kämen „mehr oder weniger deutliche“Stofflücken. Das alles aufzuarbeiten, sei eine „enorme Herausforderung.“Hinzu komme noch die stete Sorge, dass infizierte Kinder das Virus in die Schule bringen.
Auch in der Grundschule Friedberg-Süd gelte seit einer Woche uneingeschränkt Präsenzunterricht, berichtet Rektorin Ruth Kotzian. Die Schule hatte zuvor ein Wechselmodell, bei dem die Klasse halbiert wurde und die Gruppen abwechselnd in der Schule waren. „Das lief eigentlich sehr gut“, resümiert die Rektorin. Die Kinder seien jetzt froh, dass sie wieder in die Schule kommen und ihre Freunde und Lehrer sehen. „Auch wir Lehrer haben uns gefreut, dass sie wieder da sind“, sagt Kotzian. Für die Lehrer sei der persönliche Kontakt zu den Kindern sehr wichtig. Am Mittwoch habe die Schule außerdem Corona-Tests für die Lehrer bekommen. Mit denen für Schüler rechnet sie, wenn nach Ostern auch die Kinder getestet werden sollen.
Dass Corona-Schnelltests in den Schulen für zusätzliche Sicherheit sorgen können, da sind sich alle Beteiligten einig. Und doch erhitzt das Thema die Gemüter – vor allem aufseiten der Lehrkräfte. Sie kritisieren insbesondere die Pläne der Bayerischen Staatsregierung, nach denen die Schnelltests flächendeckend in der Schule stattfinden und von Lehrkräften beaufsichtigt werden sollen. Martina Ritzel, Kreisvorsitzende
des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) in Aichach-Friedberg, erklärt gegenüber unserer Redaktion: „Die Schulen bieten weder die hygienischen Voraussetzungen noch den geschützten Rahmen. Was passiert, wenn ein Grundschulkind positiv getestet wird und aus der Klasse herausgezogen werden muss? Man kann sich vorstellen, welche Unruhe das erzeugt – vom Datenschutz ganz zu schweigen.“
Auch die Organisation der – komplett freiwilligen – Selbsttests kann nach Einschätzung Ritzels zum Problem werden – gerade bei Jüngeren. „Dass sich 25 Erstklässler gleichzeitig und auch noch zuverlässig selbst testen, ist illusorisch.“Die BLLVVertreterin fordert deshalb, die Selbsttests ins Zuhause der Schüler zu verlagern. „Dort können die Eltern Hilfestellungen geben und im
Fall der Fälle schnell reagieren – ohne dass das Kind zuvor Kontakt mit etlichen Mitschülern hatte.“In diesen Tagen wurden Schnelltests bereits an mehrere Schulen im Landkreis verteilt. Vorrangig gedacht sind diese bislang für das Personal wie Lehrkräfte oder Verwaltungsmitarbeiter und Schüler ab 15 Jahren. Spätestens nach den Osterferien sollen sich dann auch jüngere Schüler flächendeckend selbst testen können. Ende der Woche hat auch das Friedberger Gymnasium Corona-Tests bekommen. „Sie sind nicht praktikabel und zumutbar. Ich kann das nicht ausgeben“, sagt Schulleiterin Ute Multrus.
Grundsätzlich haben weiterführende und berufliche Schulen etwas mehr Planungssicherheit. Auch sie müssen sich nach dem Inzidenzwert richten, allerdings ist hier nur die 100er-Marke entscheidend. Liegt der Landkreis darüber, findet Distanzunterricht statt. Unter der Inzidenz 100 gilt: Präsenzunterricht, wenn ein Abstand von eineinhalb Metern eingehalten werden kann, oder Wechselunterricht, wenn nicht.
Am Friedberger Gymnasium sind derzeit nur die Abschlussklassen durchgehend vor Ort, sonst wird von der fünften bis zur elften Klasse im Wechselbetrieb unterrichtet. Eltern, Lehrer und Schüler haben sich dabei gemeinsam für einen wochenweisen Wechsel entschieden. Die Schule sei auch darauf vorbereitet, dass die Inzidenzen wieder steigen, betont Schulleiterin Multrus. Für den sozialen Kontakt sei es aus ihrer Sicht aber wichtig, dass sich die Schüler auch persönlich treffen könnten.
Ute Multrus: „Tests nicht praktikabel und zumutbar“