BrandschutzDilemma einer Hausverwaltung
Die Verwalter einer Wohnanlage in Kissing müssen Brandschutztüren für 160.000 Euro einbauen lassen. In den Vorgaben des Landratsamts sehen sie aber ein unlösbares Problem
Kissing Die Probleme für die Hausverwaltung fingen mit einem Rettungseinsatz Anfang des Jahres an. Es stellte sich dabei heraus, dass sich zwischen den Häusern in der Wohnanlage in Kissing keine Feuerwehrzufahrten oder Aufstellflächen befinden. Die Contecta Immobilienverwaltung musste danach eine Reihe von Sofortmaßnahmen umsetzen. Alles sei in kurzer Zeit erledigt worden, erklärt Geschäftsführer Thomas Hüttl. Allerdings sieht sich das Unternehmen nun durch die Vorgaben des Landratsamts vor ein unlösbares Problem gestellt.
Hüttl betont: „Wir müssen brandschutzmäßig etwas tun in dieser Wohnanlage, das ist auch völlig unstrittig und wir wehren uns auch nicht dagegen.“Die Feuerwehrzufahrten in dem Komplex an der Ecke Thomas-Mann- und AlbertSchweitzer-Straße seien inzwischen nicht mehr der Knackpunkt. Nach Angaben von Hüttl sei in der Baugenehmigung der Wohnanlage aus den 1990er-Jahren nie eine Feuerwehrzufahrt gefordert worden, deshalb könne das Landratsamt auch keine verlangen. Die Gemeinde hat inzwischen vor der Anlage ein Halteverbot eingerichtet, was allerdings bei den Anwohnern für Unmut sorgte.
Auch wenn die Verwalter keine Rettungswege schaffen mussten, hätten sie doch einiges bereits umgesetzt. Hüttl und der bei Contecta zuständige Sacharbeiter Moritz Limmer zählen eine ganze Reihe von Maßnahmen auf: Bäume wurden gefällt, damit die Feuerwehr am Dachgeschoss anleitern kann, und die Flure wurden von allen Schuhregalen und Pflanzen leergeräumt. Zudem ließ die Hausverwaltung in den Treppenhäusern und in bestimmten Fluren funkvernetzte Rauchwarnmelder installieren. Der Kostenaufwand: 12.000 Euro. „Auch das haben wir innerhalb einer knapp gesetzten Frist umgesetzt“, sagt Hüttl.
Aber nun steht der Geschäftsführer vor einem Problem, das er aus seiner Sicht nicht lösen kann. Nach dem Rettungseinsatz habe es verschiedene Begehungen gegeben. „Hier hat sich herausgestellt, dass in der Wohnanlage schon der erste Fluchtweg, das Treppenhaus, brandschutztechnisch nicht einwandfrei ist, und dass das unbedingt hergestellt werden muss“, sagt Es gehe um Kellerflurtüren, die feuerhemmend sein müssen. „Das hat das Landratsamt mit Recht bemängelt.“Die Behörde verlangt jedoch, dass die Maßnahme bis zum 20. April umgesetzt wird. Die geschätzten Kosten für die 30 Türen lägen bei rund 160.000 Euro.
Die Anlage umfasst 110 Wohnungen und mehr als 70 Garagen. „Wir haben etwa 140 Eigentümer“, sagt Hüttl. Die würde er gerne zu einer Versammlung zusammenrufen, um über die Maßnahme entscheiden zu lassen. Theoretisch sei das Geld in Form einer Rücklage da, aber einen Auftrag dieser Größenordnung könne der Verwalter nicht im eigenen Ermessen veranlassen. Das Problem: Die Corona-Bestimmungen lassen derzeit keine Eigentümerversammlungen zu. Daher bat Hüttl das Landratsamt um eine Ausnahmegenehmigung. Die Behörde habe ihm aber mitgeteilt, dass sie bei der jetzigen Corona-Situation diese nicht erteilen könne. Das wunderte Hüttl. Ein anderes Verwaltungsunternehmen aus Kissing habe Mitte letzten Jahres, ebenfalls wegen Problemen beim Brandschutz, eine Ausnahmegenehmigung erhalten und eine Eigentümerversammlung in der Paartalhalle abgehalten.
Der Geschäftsführer bat dann beim Landratsamt um eine Fristverlängerung. „Die haben wir angeregt, weil es vielleicht in zwei Monaten coronamäßig besser aussehen könnte und wir dann wieder leichter eine Ausnahmegenehmigung bekommen oder uns sowieso versammeln dürfen“, sagt Hüttl. Doch die Fristverlängerung habe die Hausverwaltung auch nicht erhalten. Vielmehr seien vom Landratsamt zwei Vorschläge gekommen: Die Eigentümer sollten bei einer Online-Versammlung oder schriftlich befragt werden. „Beides sind lobenswerte Ideen, sie funktionieren aber leider nicht hundertprozentig.“
Hüttl erklärt, dass die Eigentümer einer Online-Versammlung zunächst bei einer Präsenzveranstaltung zustimmen müssten. Das schriftliche Verfahren, der UmlaufHüttl. beschluss, sei in der Praxis nicht umsetzbar. „Jeder müsste zustimmen, wenn nur einer Nein sagt oder gar nicht antwortet, weil er gerade in Urlaub ist, dann kommt dieser Beschluss nicht zustande“, erklärt der Geschäftsführer. Bei einer normalen Präsenzveranstaltung reiche dagegen die einfache Mehrheit der anwesenden Eigentümer.
Hüttl berät sich nun mit einem Anwalt, wie er weiter vorgehen soll. Das Landratsamt drohe bei Nichteinhalten der Frist mit einem Strafgeld von 10.000 Euro. Zudem müssten neun betroffene Parteien am 21. April aus der Wohnanlage ausziehen, weil sie rechtlich gesehen ihre Wohnungen nicht betreten dürften.
Laut dem Landratsamt wurde der Antrag für eine Ausnahmegenehmigung unter anderem in der Abteilungsleiterrunde gemeinsam mit dem Landrat besprochen. Die Erteilung sei aber „bei der derzeitigen Entwicklung der Infektionslage in Bayern keinesfalls vertretbar“. Zudem liege dem Bauamt eine Mitteilung des Verwalters vom 10. März vor, laut der er die Maßnahmen mittlerweile beauftragt habe. „Nach ihrem Verständnis bedarf es daher folglich keiner Versammlung der Wohneigentümer mehr“, sagt Teresa Wörle, Sprecherin des Landratsamts.
Im Hinblick auf die beantragte Fristverlängerung erklärt sie, dass es für einzelne Nutzungseinheiten der Gebäude keinen zweiten Rettungsweg gebe, zudem sei der erste mangelhaft. „Folge davon ist eine unmittelbare Gefährdung der Personen in diesen Nutzungseinheiten, weil deren Rettung nicht gewährleistet werden kann. Diese Gefährdung ist auch ganz akut, weil nach den gesetzlichen Vorgaben und der Rechtsprechung mit dem Entstehen eines Brandes jederzeit gerechnet werden muss. Dies führt zur Verpflichtung des Staatlichen Bauamts, etwas zu unternehmen, da im Ergebnis das Leben von Personen jederzeit bedroht ist.“
Die im Frühjahr 2020 erteilte Ausnahme für eine Versammlung hätte nach den damaligen Gegebenheiten nicht erteilt werden dürfen. „Dieser Fehler ist leider im Frühjahr unter dem herrschenden Arbeitsdruck und der Flut von eingehenden Anfragen passiert“, sagt Wörle.
Eigentümerversammlungen sind derzeit nicht möglich