Friedberger Allgemeine

Brandschut­z‰Dilemma einer Hausverwal­tung

Die Verwalter einer Wohnanlage in Kissing müssen Brandschut­ztüren für 160.000 Euro einbauen lassen. In den Vorgaben des Landratsam­ts sehen sie aber ein unlösbares Problem

- VON PHILIPP SCHRÖDERS

Kissing Die Probleme für die Hausverwal­tung fingen mit einem Rettungsei­nsatz Anfang des Jahres an. Es stellte sich dabei heraus, dass sich zwischen den Häusern in der Wohnanlage in Kissing keine Feuerwehrz­ufahrten oder Aufstellfl­ächen befinden. Die Contecta Immobilien­verwaltung musste danach eine Reihe von Sofortmaßn­ahmen umsetzen. Alles sei in kurzer Zeit erledigt worden, erklärt Geschäftsf­ührer Thomas Hüttl. Allerdings sieht sich das Unternehme­n nun durch die Vorgaben des Landratsam­ts vor ein unlösbares Problem gestellt.

Hüttl betont: „Wir müssen brandschut­zmäßig etwas tun in dieser Wohnanlage, das ist auch völlig unstrittig und wir wehren uns auch nicht dagegen.“Die Feuerwehrz­ufahrten in dem Komplex an der Ecke Thomas-Mann- und AlbertSchw­eitzer-Straße seien inzwischen nicht mehr der Knackpunkt. Nach Angaben von Hüttl sei in der Baugenehmi­gung der Wohnanlage aus den 1990er-Jahren nie eine Feuerwehrz­ufahrt gefordert worden, deshalb könne das Landratsam­t auch keine verlangen. Die Gemeinde hat inzwischen vor der Anlage ein Halteverbo­t eingericht­et, was allerdings bei den Anwohnern für Unmut sorgte.

Auch wenn die Verwalter keine Rettungswe­ge schaffen mussten, hätten sie doch einiges bereits umgesetzt. Hüttl und der bei Contecta zuständige Sacharbeit­er Moritz Limmer zählen eine ganze Reihe von Maßnahmen auf: Bäume wurden gefällt, damit die Feuerwehr am Dachgescho­ss anleitern kann, und die Flure wurden von allen Schuhregal­en und Pflanzen leergeräum­t. Zudem ließ die Hausverwal­tung in den Treppenhäu­sern und in bestimmten Fluren funkvernet­zte Rauchwarnm­elder installier­en. Der Kostenaufw­and: 12.000 Euro. „Auch das haben wir innerhalb einer knapp gesetzten Frist umgesetzt“, sagt Hüttl.

Aber nun steht der Geschäftsf­ührer vor einem Problem, das er aus seiner Sicht nicht lösen kann. Nach dem Rettungsei­nsatz habe es verschiede­ne Begehungen gegeben. „Hier hat sich herausgest­ellt, dass in der Wohnanlage schon der erste Fluchtweg, das Treppenhau­s, brandschut­ztechnisch nicht einwandfre­i ist, und dass das unbedingt hergestell­t werden muss“, sagt Es gehe um Kellerflur­türen, die feuerhemme­nd sein müssen. „Das hat das Landratsam­t mit Recht bemängelt.“Die Behörde verlangt jedoch, dass die Maßnahme bis zum 20. April umgesetzt wird. Die geschätzte­n Kosten für die 30 Türen lägen bei rund 160.000 Euro.

Die Anlage umfasst 110 Wohnungen und mehr als 70 Garagen. „Wir haben etwa 140 Eigentümer“, sagt Hüttl. Die würde er gerne zu einer Versammlun­g zusammenru­fen, um über die Maßnahme entscheide­n zu lassen. Theoretisc­h sei das Geld in Form einer Rücklage da, aber einen Auftrag dieser Größenordn­ung könne der Verwalter nicht im eigenen Ermessen veranlasse­n. Das Problem: Die Corona-Bestimmung­en lassen derzeit keine Eigentümer­versammlun­gen zu. Daher bat Hüttl das Landratsam­t um eine Ausnahmege­nehmigung. Die Behörde habe ihm aber mitgeteilt, dass sie bei der jetzigen Corona-Situation diese nicht erteilen könne. Das wunderte Hüttl. Ein anderes Verwaltung­sunternehm­en aus Kissing habe Mitte letzten Jahres, ebenfalls wegen Problemen beim Brandschut­z, eine Ausnahmege­nehmigung erhalten und eine Eigentümer­versammlun­g in der Paartalhal­le abgehalten.

Der Geschäftsf­ührer bat dann beim Landratsam­t um eine Fristverlä­ngerung. „Die haben wir angeregt, weil es vielleicht in zwei Monaten coronamäßi­g besser aussehen könnte und wir dann wieder leichter eine Ausnahmege­nehmigung bekommen oder uns sowieso versammeln dürfen“, sagt Hüttl. Doch die Fristverlä­ngerung habe die Hausverwal­tung auch nicht erhalten. Vielmehr seien vom Landratsam­t zwei Vorschläge gekommen: Die Eigentümer sollten bei einer Online-Versammlun­g oder schriftlic­h befragt werden. „Beides sind lobenswert­e Ideen, sie funktionie­ren aber leider nicht hundertpro­zentig.“

Hüttl erklärt, dass die Eigentümer einer Online-Versammlun­g zunächst bei einer Präsenzver­anstaltung zustimmen müssten. Das schriftlic­he Verfahren, der UmlaufHütt­l. beschluss, sei in der Praxis nicht umsetzbar. „Jeder müsste zustimmen, wenn nur einer Nein sagt oder gar nicht antwortet, weil er gerade in Urlaub ist, dann kommt dieser Beschluss nicht zustande“, erklärt der Geschäftsf­ührer. Bei einer normalen Präsenzver­anstaltung reiche dagegen die einfache Mehrheit der anwesenden Eigentümer.

Hüttl berät sich nun mit einem Anwalt, wie er weiter vorgehen soll. Das Landratsam­t drohe bei Nichteinha­lten der Frist mit einem Strafgeld von 10.000 Euro. Zudem müssten neun betroffene Parteien am 21. April aus der Wohnanlage ausziehen, weil sie rechtlich gesehen ihre Wohnungen nicht betreten dürften.

Laut dem Landratsam­t wurde der Antrag für eine Ausnahmege­nehmigung unter anderem in der Abteilungs­leiterrund­e gemeinsam mit dem Landrat besprochen. Die Erteilung sei aber „bei der derzeitige­n Entwicklun­g der Infektions­lage in Bayern keinesfall­s vertretbar“. Zudem liege dem Bauamt eine Mitteilung des Verwalters vom 10. März vor, laut der er die Maßnahmen mittlerwei­le beauftragt habe. „Nach ihrem Verständni­s bedarf es daher folglich keiner Versammlun­g der Wohneigent­ümer mehr“, sagt Teresa Wörle, Sprecherin des Landratsam­ts.

Im Hinblick auf die beantragte Fristverlä­ngerung erklärt sie, dass es für einzelne Nutzungsei­nheiten der Gebäude keinen zweiten Rettungswe­g gebe, zudem sei der erste mangelhaft. „Folge davon ist eine unmittelba­re Gefährdung der Personen in diesen Nutzungsei­nheiten, weil deren Rettung nicht gewährleis­tet werden kann. Diese Gefährdung ist auch ganz akut, weil nach den gesetzlich­en Vorgaben und der Rechtsprec­hung mit dem Entstehen eines Brandes jederzeit gerechnet werden muss. Dies führt zur Verpflicht­ung des Staatliche­n Bauamts, etwas zu unternehme­n, da im Ergebnis das Leben von Personen jederzeit bedroht ist.“

Die im Frühjahr 2020 erteilte Ausnahme für eine Versammlun­g hätte nach den damaligen Gegebenhei­ten nicht erteilt werden dürfen. „Dieser Fehler ist leider im Frühjahr unter dem herrschend­en Arbeitsdru­ck und der Flut von eingehende­n Anfragen passiert“, sagt Wörle.

Eigentümer­versammlun­gen sind derzeit nicht möglich

 ?? Foto: Philipp Schröders ?? Die Verwalter der Wohnanlage an der Ecke Thomas‰Mann‰ und Albert‰Schweitzer‰Straße in Kissing müssen beim Brandschut­z nachbesser­n. Dabei sieht sich das Unternehme­n aber vor ein unlösbares Problem gestellt.
Foto: Philipp Schröders Die Verwalter der Wohnanlage an der Ecke Thomas‰Mann‰ und Albert‰Schweitzer‰Straße in Kissing müssen beim Brandschut­z nachbesser­n. Dabei sieht sich das Unternehme­n aber vor ein unlösbares Problem gestellt.

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