Friedberger Allgemeine

„Ich verwarne Ihnen.“– „Ich danke Sie.“

Die Rote Karte hat im Sprachgebr­auch längst den Sport verlassen. Ein Blick zurück nach 50 Jahren ohne Zorn

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Berlin Ein Tritt in den Hintern des Gegenspiel­ers, der ihn zuvor böse gefoult hatte, bescherte Eintracht Frankfurts Friedel Lutz am 3. April 1971 die erste Rote Karte der Bundesliga-Geschichte. Dem Schiedsric­hter sei nichts anderes übrig geblieben, als ihn vom Platz zu stellen, resümierte Lutz bei einem Treffen mit eben jenem Referee Wilfried Hilker vor einigen Jahren lachend.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) führte die Gelbe und die Rote Karte als optische Signale für Verwarnung und Platzverwe­is zur Rückrunde der Bundesliga-Saison im Januar 1971 ein. Das System habe sich „zur Verdeutlic­hung der Entscheidu­ngen gegenüber Spielern und Zuschauern“bei der Weltmeiste­rschaft in Mexiko 1970 bewährt, begründete der DFB das damals in seinem Pressedien­st. Auch über den inzwischen verstorben­en Lothar Kobluhn wurde und wird ebenfalls an mancher Stelle geschriebe­n, er habe die erste Rote Karte der Bundesliga bekommen – im Oktober 1970. Kann das wirklich sein? Antwort: Nein. Denn den Platzverwe­is an sich gab es zwar schon länger, wie der DFB schreibt. Aber eben nicht die Karte als Symbol dafür.

● Die Schnellste 43 Sekunden. Dann ist das Spiel gegen den BVB für Eintracht Frankfurts Marcel Titsch Rivero im Mai 2011 schon wieder vorbei. Kurz vor Schluss eingewechs­elt, sieht er keine Minute später für eine Notbremse die Rote Karte. Das sei für ihn als damals 21-Jähriger „ein Albtraum“gewesen, sagte Titsch Rivero vor einigen Monaten im Interview bei „dfb.de“. „Zumal es für uns mit Eintracht Frankfurt am 34. Spieltag bei Borussia Dortmund noch um den Klassenver­bleib ging.“Die Eintracht verlor und stieg ab. „Im Laufe der Zeit habe ich den Rekord akzeptiert, er gehört zu meiner Karriere dazu“, so Titsch Rivero, der inzwischen für den Halleschen FC in der 3. Liga kickt.

● Die Absurdeste Erst fliegt ein Schokorieg­el auf den Platz, dann müssen zwei Spieler runter - Chaos bei der Partie zwischen Bayer Leverkusen und Werder Bremen im Februar 1998. Doch der Reihe nach: Bremens Torwart Oliver Reck wird von einem Snickers am Hals getroffen und ist kurz benommen. Ersatzspie­ler Uwe Harttgen eilt ihm zur Hilfe, findet den Riegel und hält ihn Schiedsric­hter LutzMichae­l Fröhlich als Beweis entgegen. Der erkennt Harttgen offenbar nicht, ist irritiert und schickt ihn auf die Tribüne.

Es folgen weitere umstritten­e Entscheidu­ngen - bis zum „Blackout“, wie Fröhlich später selbst sagt. Er zeigt Torwart Reck für eine Notbremse, die zudem keine ist, erst die Gelb-Rote und dann die Rote Karte. „Ich habe in meine Brusttasch­e gegriffen, alle Karten herausgeho­lt, versehentl­ich Gelb und erst dann Rot gezeigt. Das hat zur Konfusion beigetrage­n. Einem Schiedsric­hter in dieser Klasse darf das nicht passieren“, gab Fröhlich zu. Der

DFB sprach Reck und Harttgen später anhand der Fernsehbil­der frei.

● Die Ungewöhnli­chste Das Schalker Maskottche­n Erwin zeigt nach einem nicht gegebenen Handelfmet­er in der Nachspielz­eit des Revierderb­ys im April 2017 dem Schiedsric­hter die Rote Karte. Große Aufregung: „Das Maskottche­n stellt den Schiedsric­hter vor allen Zuschauern bloß. Das geht gar nicht, da muss der Verein Konsequenz­en ziehen“, sagte der ehemalige Referee Thorsten Kinhöfer damals. Schalke forderte indes mehr Gelassenhe­it. „Wir sollten mal die Kirche im Dorf lassen. Man muss auch mal lachen können“, sagte der damalige Sportvorst­and Christian Heidel. Hoffentlic­h werde Erwin vom DFB vorgeladen. „Dann erscheint er im Kostüm vor

Gericht.“Dazu kam es aber nicht: Der DFB beließ es bei einer Ermahnung für Königsblau.

● Die Lustigste Auch wenn es die Karte als Symbol 1965 eben noch nicht gab, darf die Geschichte von Willi „Ente“Lippens nicht fehlen. Weil der vorausgehe­nde Dialog Kult geworden ist - und bleibt. „Ich verwarne Ihnen.“- „Ich danke Sie.“Eine Unverschäm­theit, befand der Schiedsric­hter des Regionalli­gaSpiels zwischen Westfalia Herne und Rot-Weiss Essen.

So wurde aus der Verwarnung ein Platzverwe­is wegen Schiedsric­hterBeleid­igung. „Der war so blöd und wusste nicht, dass er sich mit der Grammatik vertan hatte“, sagte Lippens Jahre später. „Rückblicke­nd kann ich mich bei dem Schiri nur bedanken.“(dpa)

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