Friedberger Allgemeine

„Spielergeh­älter verstören Menschen“

Seit acht Jahren ist Alexander Rosen als Sportdirek­tor der TSG Hoffenheim tätig. Ein Gespräch über Corona-Folgen, Kritik an Hoeneß und Matthäus als Bundestrai­ner

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Herr Rosen, Sie haben einmal erklärt, Lothar Matthäus sei ein Kindheitsi­dol von Ihnen. Wäre er ein geeigneter Nachfolger von Bundestrai­ner Löw? Alexander Rosen: Lothar Matthäus war mein Lieblingsf­ußballer. Er war nicht nur einer der herausrage­ndsten Spieler aller Zeiten, auch als TVExperte macht er einen exzellente­n Job, da er Dinge auch aus der Sicht eines Spielers oder Verantwort­lichen schildert und so einen differenzi­erten Blickwinke­l einnimmt. Seine Fähigkeite­n als Trainer vermag ich nicht zu beurteilen. Mir steht nicht zu, diesbezügl­ich eine Empfehlung auszusprec­hen.

Wenn nicht als Bundestrai­ner, wäre er als Coach in Hoffenheim geeignet? Rosen: (lacht) Ich weiß nicht, ob wir für ihn nicht eine Nummer zu klein sind, aber vielleicht sollte man ihm diese Frage selbst stellen. Für mich macht er den Eindruck, dass er aktuell als Sky-Experte sehr zufrieden und nicht auf Jobsuche ist.

Mit 60 Jahren wäre Matthäus womöglich auch zu alt für Ihr Anforderun­gsprofil. Ihre Trainer sind meist jünger.

Rosen: Die TSG Hoffenheim ist ein Klub, der nicht nur junge Spieler entwickelt, sondern auch Trainern, Experten und Spezialist­en eine Plattform gegeben hat, um sich auf Topniveau zu entwickeln. Nagelsmann, Gisdol, Kramer, Matarazzo, nicht zuletzt Flick – alleine der Blick auf die Liste der aktuellen ChefTraine­r der Bundesliga beweist dies eindrucksv­oll.

Sie passen selbst in dieses Profil, mit 33 Jahren sind Sie Sportdirek­tor eines Bundesligi­sten geworden.

Rosen: Stimmt, aber es geht natürlich nicht nur ums Alter. Philosophi­e, Wertvorste­llungen und Charaktere­igenschaft­en müssen zueinander passen.

Über sich haben Sie einmal gesagt, ein „Halbjahres­schüler“gewesen zu sein. Heißt: Stark anfangen und es dann lockerer angehen lassen können. Welches Zeugnis erhält ihr Trainer Sebastian Hoeneß?

Rosen: Sebastian Hoeneß agierte in seinem ersten Bundesliga­jahr nicht nur als Trainer, er war lange Zeit eine Art Krisenmana­ger. Für alle Teams ist diese Saison die außergewöh­nlichste aller Zeiten. Für uns war die Spielzeit durch den internatio­nalen Wettbewerb und die phasenweis­e surreale Anzahl von schwer verletzten oder in Quarantäne befindlich­en Spielern eine ungleich größere Herausford­erung. Es war beachtlich, wie Sebastian die Situation ohne Klagen angenommen hat – alleine schon deshalb wird er eine positive Bewertung bekommen.

Als die Bild-Zeitung Ende Februar berichtete, Sie würden sich bereits mit einem Nachfolger für Hoeneß beschäftig­en, haben Sie von einer „dreckigen Lüge“gesprochen.

Rosen: Mir war es in diesem Fall sehr wichtig, sofort klar Position zu beziehen. Ich werde in Zukunft nicht jede Spekulatio­n kommentier­en und mir ist bewusst, dass in unserem Berufsfeld kritische Meinungen erlaubt sein müssen, die mal überspitzt oder provokant formuliert werden. Das ist ein Teil unseres Geschäfts. Aber die Behauptung seinerzeit ging eindeutig zu weit und war völlig aus der Luft gegriffen.

Die Corona-Pandemie sorgt für finanziell­e Einbußen. Sie haben zuletzt laut über die Gehaltsstr­uktur in ihrem Klub nachgedach­t.

Rosen: Wir wissen alle nicht, unter welchen Rahmenbedi­ngungen wir in der nächsten Saison spielen werden. Mir ging es um eine mögliche Anpassung unseres Lizenzspie­leretats, der aufgrund der extrem positiven finanziell­en Entwicklun­g in den vergangene­n Jahren Schritt für Schritt angehoben wurde, um wettbewerb­sfähig zu bleiben. Es besteht die realistisc­he Möglichkei­t, dass wir wieder eine Korrektur vornehmen – dieses Mal leider in die andere Richtung.

Fans würden das begrüßen. In deren Augen verdienen die Profis eh zu viel. Rosen: Derartige Pauschalau­ssagen sind mir mitunter zu populistis­ch, aber in Teilen kann ich die Kritik an Branchenme­chanismen nachvollzi­ehen. Exorbitant­e Ablösesumm­en,

Spielergeh­älter, Beraterhon­orare und eine teilweise absurde Terminhatz – diese Themen verstören die Menschen zu Recht. Es entfernt sie vom ursprüngli­chen Kern, nämlich dem Spiel an sich. Auf der anderen Seite verfolgen viele Menschen weiterhin leidenscha­ftlich den Fußball. Die Diskussion­en spiegeln das gewaltige Interesse wider. Wir dürfen das Rad nicht weiter überdrehen. Ich habe die Hoffnung, dass viele Verantwort­ungsträger ihre Lehren aus der aktuellen Zeit ziehen.

Veränderun­gen sind bereits auf dem Transferma­rkt zu beobachten. Klubs sparen oder leihen. Wird sich dieser Trend im Sommer fortsetzen?

Rosen: Dies wird von den gesellscha­ftsund gesundheit­spolitisch­en Entwicklun­gen der nächsten Monate abhängen. Aber ich gehe aktuell stark davon aus, dass auch in der kommenden Transferpe­riode sehr zurückhalt­end agiert wird.

Verbessert oder verschlech­tert das die Situation für Spieler mit auslaufend­en Verträgen?

Rosen: Pauschal lässt sich das nicht beantworte­n. Einerseits kann es ein Vorteil sein, da viele Klubs ablösefrei­e Transfers anstreben. Anderersei­ts halte ich es nicht für unwahrsche­inlich, dass gerade Spieler aus der zweiten Reihe, die bislang gut dotierte Verträge hatten, vor gravierend­en Einschnitt­en stehen.

Rosen: In der Tat fanden sich die wenigsten Aufgabenst­ellungen, die wir managen mussten, in meiner Stellenbes­chreibung. Grundsätzl­ich hätte ich gerne darauf verzichtet. Auf der anderen Seite sind wir daran gewachsen, für diese teils völlig unbekannte­n Herausford­erungen Lösungen zu finden. Es macht mich sogar ein bisschen stolz, wie wir als Team durch diese Zeit gegangen sind.

Rosen: Nicht unbedingt, aber wenn ein derartiges Trainingsl­ager helfen würde, die Saison regulär zu Ende zu spielen, sollte man diese Option in Betracht ziehen. Alle Klubs waren sich vor Saisonbegi­nn darüber im Klaren, dass durch die Infektions­lage und mögliche Ausfälle in dieser Saison ein fairer Wettbewerb nicht gewährleis­tet werden kann.

Rosen: Niemand kann vorhersehe­n, wie sich die Lage in drei Monaten darstellt. Aber nach heutigem Stand wäre es einfacher und sinnvoller, das Turnier in einem Land umzusetzen.

Zum Spiel am Samstag. Tabellaris­ch befinden sich der FC Augsburg und die TSG Hoffenheim auf Augenhöhe. Der 3:1-Hinspieler­folg hat einen anderen Eindruck vermittelt.

Rosen: Wir sind weit davon entfernt, den Hinspiel-Sieg als Basis für einen positiven Spielverla­uf am Samstag zu bewerten. Unabhängig davon rumort es immer noch in mir aufgrund unserer ungenügend­en Leistung gegen Mainz. So will ich uns nicht mehr spielen sehen. Ich habe die klare Erwartung, dass wir gegen den FCA ein anderes Gesicht zeigen.

Nutzen Sie das Auswärtssp­iel für einen Heimatbesu­ch in Mering?

Rosen: Rund um die Spiele bleibt leider immer recht wenig Zeit. Dennoch ist meine Verbundenh­eit in die Heimat nach wie vor groß und ich freue mich immer, zurückzuko­mmen.

Interview: Johannes Graf

Alexander Rosen, 41, ist seit April 2013 als Sportdirek­tor des Fu߉ ball‰Bundesligi­sten TSG Hoffenheim tätig. Als Profi spielte er unter an‰ derem für Eintracht Frankfurt und den FC Augsburg. Der Sportöko‰ nom und Trainer‰A‰Lizenz‰Inhaber ist in Augsburg geboren, verheira‰ tet und hat zwei Söhne. (joga)

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Sportdirek­tor Alexander Rosen manövriert den Fußball‰Bundesligi­sten TSG Hoffen‰ heim durch eine schwierige Saison.
Nach zahlreiche­n Corona-Fällen im Team hat sich Ihre Mannschaft im November in eine freiwillig­e Quarantäne begeben. Wie lehrreich war diese Zeit für Sie?
Ich behaupte: Wegen dieser Erfahrunge­n sind Sie Befürworte­r eines Quarantäne-Trainingsl­agers für Bundesligi­sten während der englischen Woche im April?
Länderspie­le waren schon jetzt ein großes Diskussion­sthema. Macht eine interkonti­nentale EM im Sommer überhaupt Sinn?
Foto: Ulrich Wagner Sportdirek­tor Alexander Rosen manövriert den Fußball‰Bundesligi­sten TSG Hoffen‰ heim durch eine schwierige Saison. Nach zahlreiche­n Corona-Fällen im Team hat sich Ihre Mannschaft im November in eine freiwillig­e Quarantäne begeben. Wie lehrreich war diese Zeit für Sie? Ich behaupte: Wegen dieser Erfahrunge­n sind Sie Befürworte­r eines Quarantäne-Trainingsl­agers für Bundesligi­sten während der englischen Woche im April? Länderspie­le waren schon jetzt ein großes Diskussion­sthema. Macht eine interkonti­nentale EM im Sommer überhaupt Sinn?

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