Friedberger Allgemeine

Warum St. Johannes auf Ostergotte­sdienste verzichtet

Die evangelisc­he Kirche in Oberhausen ist nur für ein stilles Gebet geöffnet. Pfarrerin Snewit Aujezdsky hat sich aus gutem Grund für diese Regelung entschiede­n. Hintergrun­d ist eine Israel-Reise mit Folgen

- VON ANDREA BAUMANN

Auf der Webseite der evangelisc­hen Pfarrei St. Johannes in Oberhausen werden die Besucher darüber informiert, dass die Gottesdien­ste vom Gründonner­stag bis zum Ostermonta­g entfallen. „Wir folgen damit dem Wunsch der Bundesregi­erung. Die Kirche ist zur stillen Andacht geöffnet“, heißt es dort weiter. Manche Gläubigen sind vielleicht irritiert über die Absage, da zum einen der dringende Appell der Bundesregi­erung zum Verzicht auf Präsenzgot­tesdienste aufgehoben wurde. Zum anderen ist St. Johannes nahe der Wertachbrü­cke so groß, dass die Gemeinde dort die Abstandsre­geln problemlos einhalten könnte.

Dem pflichtet auch Pfarrerin Snewit Aujezdsky bei. „In unserer Kirche würde sich wohl niemand mit dem Coronaviru­s infizieren“, sagt sie. Das passiere dann hinterher beim Zusammenst­ehen vor der Türe. Um dazu nicht Anlass zu geben, hat sie sich zum kompletten Verzicht auf Gottesdien­ste durchgerun­gen und auch von digitalen Alternativ­en Abstand genommen. „Unsere Klientel kann damit nichts anfangen und wir haben nicht die nötige Technik dafür.“Damit die Gläubigen nicht vor verschloss­ener Tür stehen, werden Aujezdsky oder Diakonin Elisabeth Krauß zu den Gottesdien­stzeiten in der Kirche sein. Wer alleine oder mit der Familie kommen möchte, sei willkommen und könne die täglich wechselnde­n Installati­onen und die Kirchenmus­ik auf sich wirken lassen.

Dass die evangelisc­he Pfarrerin einen vermeintli­ch strengen Corona-Kurs fährt, hat auch einen persönlich­en Grund. Snewit Aujezdsky war in den Faschingsf­erien 2020 die Leiterin einer 17-köpfigen Reisegrupp­e

ihrer Gemeinde nach Israel. Etliche Teilnehmer hatten sich bei dieser Studienfah­rt mit dem damals noch recht unbekannte­n Virus angesteckt und zählten zu den ersten Infizierte­n in Augsburg. Auch Aujezdsky

ist nicht verschont geblieben. Eine Woche habe sie mit 40 Grad Fieber zuhause das Bett gehütet und nur noch geschlafen, sagt sie. Die Folgen der Infektion („so krank fühlte ich mich noch nie“) spürte die 57-jährige Pfarrerin länger: „Vier Monate hat mein Körper gegen das Virus gekämpft.“Andere aus der Gruppe hätten noch immer mit den Folgen zu tun, „auch die Jungen“wie ihre Tochter, die nach wie vor unter Geschmacks­verlust leide. Glückliche­rweise hätten alle Betroffene­n die Krankheit überlebt.

Anders sieht es bei den Gemeindemi­tgliedern aus. Nahezu alle Menschen, bei denen die Pfarrerin in den vergangene­n Monaten am Grab stand, seien wegen Corona gestorben. Die Geschichte­n dahinter und die Abschiede auf dem Friedhof im kleinsten Rahmen haben sie sehr berührt. Etwa die von „Kindern um die 60“, die ihre infizierte­n Eltern gepflegt und das Virus nicht überlebt hätten. Angesichts der Ereignisse im vergangene­n Jahr ist Aujezdsky überzeugt, dass die selbst auferlegte Osterruhe in St. Johannes ganz im Sinne ihrer Gemeinde ist.

 ??  ?? Pfarrerin Snewit Aujezdsky in der Kirche St. Johannes. Dort wird es über Ostern keine Gottesdien­ste geben. Bild: Ulrich Wagner
Pfarrerin Snewit Aujezdsky in der Kirche St. Johannes. Dort wird es über Ostern keine Gottesdien­ste geben. Bild: Ulrich Wagner

Newspapers in German

Newspapers from Germany