Warum St. Johannes auf Ostergottesdienste verzichtet
Die evangelische Kirche in Oberhausen ist nur für ein stilles Gebet geöffnet. Pfarrerin Snewit Aujezdsky hat sich aus gutem Grund für diese Regelung entschieden. Hintergrund ist eine Israel-Reise mit Folgen
Auf der Webseite der evangelischen Pfarrei St. Johannes in Oberhausen werden die Besucher darüber informiert, dass die Gottesdienste vom Gründonnerstag bis zum Ostermontag entfallen. „Wir folgen damit dem Wunsch der Bundesregierung. Die Kirche ist zur stillen Andacht geöffnet“, heißt es dort weiter. Manche Gläubigen sind vielleicht irritiert über die Absage, da zum einen der dringende Appell der Bundesregierung zum Verzicht auf Präsenzgottesdienste aufgehoben wurde. Zum anderen ist St. Johannes nahe der Wertachbrücke so groß, dass die Gemeinde dort die Abstandsregeln problemlos einhalten könnte.
Dem pflichtet auch Pfarrerin Snewit Aujezdsky bei. „In unserer Kirche würde sich wohl niemand mit dem Coronavirus infizieren“, sagt sie. Das passiere dann hinterher beim Zusammenstehen vor der Türe. Um dazu nicht Anlass zu geben, hat sie sich zum kompletten Verzicht auf Gottesdienste durchgerungen und auch von digitalen Alternativen Abstand genommen. „Unsere Klientel kann damit nichts anfangen und wir haben nicht die nötige Technik dafür.“Damit die Gläubigen nicht vor verschlossener Tür stehen, werden Aujezdsky oder Diakonin Elisabeth Krauß zu den Gottesdienstzeiten in der Kirche sein. Wer alleine oder mit der Familie kommen möchte, sei willkommen und könne die täglich wechselnden Installationen und die Kirchenmusik auf sich wirken lassen.
Dass die evangelische Pfarrerin einen vermeintlich strengen Corona-Kurs fährt, hat auch einen persönlichen Grund. Snewit Aujezdsky war in den Faschingsferien 2020 die Leiterin einer 17-köpfigen Reisegruppe
ihrer Gemeinde nach Israel. Etliche Teilnehmer hatten sich bei dieser Studienfahrt mit dem damals noch recht unbekannten Virus angesteckt und zählten zu den ersten Infizierten in Augsburg. Auch Aujezdsky
ist nicht verschont geblieben. Eine Woche habe sie mit 40 Grad Fieber zuhause das Bett gehütet und nur noch geschlafen, sagt sie. Die Folgen der Infektion („so krank fühlte ich mich noch nie“) spürte die 57-jährige Pfarrerin länger: „Vier Monate hat mein Körper gegen das Virus gekämpft.“Andere aus der Gruppe hätten noch immer mit den Folgen zu tun, „auch die Jungen“wie ihre Tochter, die nach wie vor unter Geschmacksverlust leide. Glücklicherweise hätten alle Betroffenen die Krankheit überlebt.
Anders sieht es bei den Gemeindemitgliedern aus. Nahezu alle Menschen, bei denen die Pfarrerin in den vergangenen Monaten am Grab stand, seien wegen Corona gestorben. Die Geschichten dahinter und die Abschiede auf dem Friedhof im kleinsten Rahmen haben sie sehr berührt. Etwa die von „Kindern um die 60“, die ihre infizierten Eltern gepflegt und das Virus nicht überlebt hätten. Angesichts der Ereignisse im vergangenen Jahr ist Aujezdsky überzeugt, dass die selbst auferlegte Osterruhe in St. Johannes ganz im Sinne ihrer Gemeinde ist.