Friedberger Allgemeine

Experten fordern Erstimpfun­g für alle bis Ende Juni

Immunologe­n halten „Impfturbo“für möglich. Lauterbach will Strategiew­echsel

- VON MICHAEL POHL

Berlin Führende Experten fordern zur radikalen Beschleuni­gung der Corona-Impfungen in Deutschlan­d einen Strategiew­echsel: Der Fokus soll auf Erstimpfun­gen gelegt werden, um bis spätestens Ende Juni allen Bundesbürg­ern zumindest einen Grundschut­z vor schweren Krankheits­verläufen anbieten zu können. Der SPD-Experte Karl Lauterbach forderte, den Abstand zwischen der ersten und der zweiten Spritze bei den Impfstoffe­n von Biontech und Moderna von sechs auf zwölf Wochen zu erhöhen. „Mit den erwarteten Lieferunge­n im jetzt begonnenen zweiten Quartal besteht jetzt wirklich die Möglichkei­t für einen Impfturbo“, machte der Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Immunologi­e, Carsten Watzl, im Gespräch mit unserer Redaktion Hoffnung.

„Es geht nicht nur um eine Perspektiv­e für die Menschen, sondern vor allem darum, jetzt in der dritten Welle tausende Todesfälle durch die viel gefährlich­ere Virusvaria­nte B.1.1.7 zu vermeiden“, erklärte Lauterbach. „Mit der Strategie der Erstimpfun­g können wir das Impftempo in Deutschlan­d erheblich beschleuni­gen“, betonte er. Auch Watzl fordert mehr Geschwindi­gkeit: „Wir müssen den Impfturbo angesichts der dritten Welle jetzt einschalte­n“, sagte der Immunologe. „Deutschlan­d muss in dieser Situation den Fokus darauf richten, so vielen Menschen wie möglich eine Erstimpfun­g zukommen zu lassen.“Dazu gehört es, den Abstand zwischen der ersten und zweiten Impfdosis, wie jetzt von der Ständigen Impfkommis­sion empfohlen, auf 42 Tage oder länger auszudehne­n.

„Aufgrund des verlängert­en Impfabstan­des macht es überhaupt keinen Sinn mehr, Impfstoffd­osen zurückzule­gen“, betonte Watzl. „Wir haben derzeit über 1,2 Millionen Dosen Biontech und eine halbe Million von Moderna auf Lager in den Gefriersch­ränken liegen.“Hintergrun­d: Bislang war es üblich, für Geimpfte, die ihre erste Spritze bekommen haben, eine zweite Dosis zu reserviere­n. „Wir müssen jetzt aber pragmatisc­h sein und alles verimpfen, was geliefert wird“, findet Watzl. Er nannte Modellrech­nungen realistisc­h, dass bei einer konsequent­en Ausrichtun­g auf Erstimpfun­gen bereits Ende Mai bis Mitte Juni je nach Impfbereit­schaft alle Bürger einen Grundschut­z gegen schwere Verläufe durch eine Erstdosis erhalten könnten. Auch Lauterbach hält eine Durchimpfu­ng noch in diesem Quartal für realistisc­h: „Wir könnten bis zum 1. Juli jedem Impfwillig­en das Angebot einer Erstimpfun­g machen, da jetzt im zweiten Quartal die Impfstoffl­ieferungen deutlich ansteigen.“

Bayern nutzt bereits die neuen Spielräume. „Seit 12. März haben wir den Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfu­ng gemäß der Zulassung

Bayern nutzt die neuen Spielräume bereits

erweitert“, sagt Gesundheit­sminister Klaus Holetschek. „Bei Biontech und Moderna beträgt der Abstand somit sechs Wochen, bei AstraZenec­a zwölf Wochen“, erklärte der CSU-Politiker. „Wir haben beim Impfgipfel unter anderem auch beschlosse­n, die Reserve an Impfstoff für AstraZenec­a aufzuheben und für Biontech auf 10000 Impfdosen zu reduzieren“, kündigte Holetschek an. „Damit haben wir kurzfristi­g rund 50000 Impfdosen zur Verfügung“, fügte er hinzu. „Gleichwohl sind uns die Zweitimpfu­ngen in Bayern weiterhin sehr wichtig“, betonte der CSU-Minister. „Wir werden alles dafür tun, dass jeder fristgerec­ht seine Zweitimpfu­ng bekommt.“Um den Strategiew­echsel geht es auch im Kommentar und in der Politik. Hoffnung macht auch das neue Werk von Biontech, wie Sie in der Wirtschaft lesen.

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