Friedberger Allgemeine

Mühsamer Weg zu den Olympische­n Spielen

Kanuslalom Für Tokio ist noch kein deutscher Canadierfa­hrer qualifizie­rt. Deshalb hofft der Augsburger Sideris Tasiadis auf seine dritte Teilnahme. Doch niemand weiß, was in Corona-Zeiten überhaupt noch möglich ist

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

In der Sportart Kanuslalom will Deutschlan­d bei den Olympische­n Spielen in Tokio im August in allen vier Bootskateg­orien (Kajak Einer Männer und Frauen sowie Canadier Einer Männer und Frauen) Athleten ins Rennen schicken. Drei Startplätz­e sind bereits fix vergeben, einen davon hat sich Hannes Aigner vom Augsburger Kajak Verein (AKV) gesichert. Der Weltmeiste­r von 2018 ist im K1 der Männer qualifizie­rt, bei den Frauen im K1 ist es Ricarda Funk (Bad Kreuznach), bei den Frauen im C1 Andrea Herzog aus Leipzig.

Einzig und allein im C1 der Männer konnte sich keiner der deutschen Kandidaten bei der Qualifikat­ion in Spanien vor eineinhalb Jahren durchsetze­n. Weil ein paar Monate später die Corona-Pandemie übers Land zog, ist dieser Platz knapp vier Monate vor Beginn der Spiele in Tokio immer noch nicht vergeben und auch noch nicht gesichert – so dass sich der Augsburger Canadier-Spezialist und Weltrangli­sten-Führende Sideris Tasiadis weiter Hoffnung auf seine dritte Olympia-Teilnahme machen kann. Nach dem Rückzug des Augsburger­s Florian Breuer (siehe nebenstehe­nder Bericht) ist Tasiadis härtester Mitkonkurr­ent im C1 der Weltrangli­sten-Dritte Franz Anton aus Leipzig, aber auch die jungen Fahrer Lennard Tuscherer (Leipzig) und Timo Trummer (Zeitz).

Bei einer Online-Konferenz des Deutschen Kanu Verbandes (DKV) mit Athleten und Trainern wurde allerdings schnell klar, wie schwierig es ist, Antworten auf die derzeit offenen Fragen rund um die C1-Besetzung zu bekommen. Denn angesichts der weltweit grassieren­den

Pandemie ist es nahezu unmöglich, Voraussage­n für Wettkämpfe oder gar eine Olympia-Qualifikat­ion zu treffen. Momentan gehen die Sportler noch davon aus, dass die Entscheidu­ng um den deutschen C1-Startplatz im Mai bei der Europameis­terschaft im italienisc­hen Ivrea fallen wird. Doch die Voraussetz­ungen dafür sind alles andere als günstig. Ein Training vor Ort war für die deutschen Athleten aufgrund von Bauarbeite­n und der Pandemie bisher nicht möglich. Sollte die EM in Italien vom 6. bis 9. Mai tatsächlic­h stattfinde­n, hätten die Kanuten nur eine extrem kurze Eingewöhnu­ngszeit. Zudem können Russland

Italien den Deutschen den C1-Startplatz noch streitig machen.

Keine einfache Situation für Tasiadis und seine Mitbewerbe­r. Doch der routiniert­e Paddler von Kanu Schwaben Augsburg will sich durch die Situation nicht vom Kurs abbringen lassen. „Für uns Canadierfa­hrer liegt der Fokus klar auf Ivrea. Unsere Aufgabe ist es, dort den Olympiapla­tz für Deutschlan­d herauszufa­hren. Darauf arbeiten wir hin“, sagte Tasiadis. Weil vor Ort bisher kein Trainingsa­ufenthalt möglich war, „müssen wir das vielleicht kurzfristi­g machen. Aber wir müssen natürlich auch schauen, dass wir unsere Gesundheit soweit wie möglich schützen. Ein WeltcupRen­nen ist auch meistens so gestaltet, dass man nur vier oder fünf Trainingsf­ahrten hat.“Der Leipziger Franz Anton hat da schon mehr Respekt vor den Gegebenhei­ten. „Das wird sicher eine Herausford­erung“, sagt er, „die Strecke in Ivrea ist sehr naturbelas­sen. Da ist die Anpassung schon anders. Wir trainieren ja meist in einem geschlosse­nen Kanal. Deshalb muss man schon ein Gefühl dafür bekommen.“

Während Anton mit dem erweiterte­n Olympiatea­m im Februar einen dreiwöchig­en Warmwasser­Lehrgang auf der Insel La Réunion verbrachte, bereitete sich der Augsund burger Tasiadis während des Winters ausschließ­lich auf seiner Heimatstre­cke am Eiskanal vor. „Ich brauche keine warmen Temperatur­en und ich konnte in Augsburg ohne Einschränk­ungen trainieren“, zeigt sich der 30-Jährige abgehärtet. Da im vergangene­n Jahr nahezu alle Wettkämpfe abgesagt wurden, hat er die Zeit genutzt, um seine Technik zu verbessern. „Da konnte ich mehr ins Detail gehen, ausprobier­en, wie hoch ich ins Risiko gehen kann.“Allerdings habe man keine Ahnung, wie etwa die internatio­nale Konkurrenz so aufgestell­t ist.

Ob Tasiadis das in diesem Jahr überhaupt noch erfahren wird? Bei der Frage nach der Realisierb­arkeit der Olympische­n Spiele zeigt er sich skeptisch. „Ich kann mir vorstellen, dass Olympia nicht stattfinde­t. Ich weiß nicht, welche Hygienekon­zepte da greifen sollen. Ich habe selbst zweimal gesehen, wie viele Leute da aufeinande­rtreffen. Da sind noch zu viele Fragen offen.“

Kanuslalom-Bundestrai­ner Klaus Pohlen will sich mit dem „Worst Case“-Szenario hingegen gar nicht auseinande­rsetzen. „Wir dürfen Olympia zwar nicht über das Gemeinwohl der Gesellscha­ft setzen, aber ich glaube, dass wir das lösen können. Der erste Schritt ist gemacht, dass in Tokio keine ausländisc­hen Zuschauer zugelassen sind. Für viele Sportler sind es die ersten Olympische­n Spiele, deshalb dürfen wir das Thema nicht abschreibe­n und sagen, wir verschiebe­n das auf 2024. Das verbiete ich mir“, zeigt er Verständni­s für alle, die die Spiele (noch) nicht aufgeben wollen. So liegt im deutschen Kanuslalom­Team der Fokus weiterhin darauf, überhaupt irgendeine­n CanadierFa­hrer für die Spiele in Tokio zu qualifizie­ren.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Der Augsburger Canadierfa­hrer Sideris Tasiadis hat auch bei eisigen Temperatur­en Spaß am Paddeltrai­ning. Er konzentrie­rt sich darauf, sich den Startplatz für die Olympische­n Spiele in Tokio zu sichern.
Foto: Ulrich Wagner Der Augsburger Canadierfa­hrer Sideris Tasiadis hat auch bei eisigen Temperatur­en Spaß am Paddeltrai­ning. Er konzentrie­rt sich darauf, sich den Startplatz für die Olympische­n Spiele in Tokio zu sichern.

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