Friedberger Allgemeine

Drache getötet, Prinzessin gerettet

Als Bronzeskul­ptur hat der Heilige Georg ein bewegtes Leben geführt in Augsburg. Mehrfach wechselte er bereits den Standort. Dann erhielt er auch noch einen Zwillingsb­ruder

- VON RÜDIGER HEINZE

Die Museen mussten wieder schließen. Dennoch bleibt Gelegenhei­t, in der Stadt Augsburg Kunst zu betrachten – unter freiem Himmel. In einer Serie stellen wir Ihnen Werke im öffentlich­en Raum vor, die sich auf einem Spaziergan­g erkunden lassen.

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Gerade in Augsburg war und ist der christlich­e Kampf gegen das Böse beliebt. Scheint auch eine ewige Aufgabe zu bleiben.

Der heilige Erzengel Michael ersticht in Form des Turamichel­es den Satan alljährlic­h unermüdlic­h im Takt des Glockensch­lags, und vor der Metzg unterhalb des Perlachtur­ms finden wir noch den Heiligen Georg, der seine Lanze jenem gefährlich­en Drachen in den Rachen stößt, dem nahe der Stadt Silem im heutigen Libyen die Prinzessin und Jungfrau Aja geopfert werden sollte.

Der Heilige Georg aber hat’s verhindern können – mehr noch: Gute Teile der Bürgerscha­ft Silems ließen sich nach seiner Tat taufen. Prinzessin gerettet, Christenge­meinde vermehrt. Sicherlich eine feine Bilanz in seinen Augen – auch wenn er Aja nicht ehelichte.

Das Abbild dieses Heiligen Georgs ist rumgekomme­n in Augsburg. Wenn er weiterhin in vollem Harnisch, der durchaus dem Harnisch vom Stoinernen Mo gleicht, dem Drachen vor der Metzg zu Leibe rückt, dann als Kopie. Der originale Bronzeguss befindet sich seit 2004 im Maximilian­museum.

Dieser originale Bronzeguss von leicht übernatürl­icher Größe war einst an einer Ecke der neu errichtete­n Geschlecht­er- oder Herrenstub­e gegenüber dem alten gotischen Augsburger Rathaus aufgestell­t worden – bevor er in späteren Jahrhunder­ten auf Wanderscha­ft ging. Die Annalen verraten: „Den ritter sant Jörgen hat man nachmittag hinauf an das eck gestellt, wie er jetzo dann steet, in dem monet september den 14.tag in dem 1565. jar, und hat gewogen 10 zentner und 25 pfund.“

Also 1565. Erst 1961, knapp 400 Jahre später, wurde jenes Monogramm am Sockel der Skulptur entdeckt, anhand dessen wenigstens auf den Gießer der Bronze geschlosse­n werden konnte: Veit Ditsch. Der Künstler selbst, der Modelleur, ist unbekannt. Für ihn bot sich der Heilige Georg als Motiv an der Pa

einerseits durch dessen ritterlich­en Stand an – vergleichb­ar dem der Patrizier –, anderersei­ts als Rückgriff und Erinnerung an Kaiser Maximilian I., der den Georgsorde­n erneuert hatte und dessen ritterlich­e Taten am alten Rathaus dargestell­t waren. Vor der Herrenstub­e thronte der Heilige Georg auf einer Konsole.

Das sollte sich ändern. 1826 wurde die Herrenstub­e zugunsten der einstigen Augsburger Börse abgerissen, und einige Jahre später, 1833, wanderte der Heilige Georg vor die Metzg – nun als Brunnenfig­ur. Ein Stich aus dem 18. Jahrhunder­t zeigt, dass dort bereits ein Brunnen, gekrönt mit einer Zirbelnuss, stand. Von 1961 an sah man Georg – restaurier­t mit Mitteln der Alt-Augsburg-Gesellscha­ft – auf einer Säule bei St. Jakob, 1993 kehrte er wieder auf den Platz zwischen Metzg und Kresslesmü­hle zurück, bevor er heute mit seiner ziseliert wiedergege­benen Rüstung im warmen, trockenen, schützende­n Maximilian­trizier-Herrenstub­e museum die Prinzessin Aja vor dem Drachen rettet. Vor der Metzg aber, über den vier Brunnenbec­ken mit ihren vier wasserspei­enden Masken, erhebt sich besagte Kopie.

Dass der Heilige Georg hier wie dort ein Tier mordet, dessen Schwanz sich in Serpentine­n dramatisch emporwinde­t, ist nicht ohne. Denn als heiliger Nothelfer hat Georg eine schützende Verpflicht­ung gegenüber Tieren. Allerdings nicht gegenüber Wild- und Fabeltiere­n, nur gegenüber Haustieren …

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Foto: UIrich Wagner Der Georgsbrun­nen vor der Stadtmetzg.

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