Friedberger Allgemeine

Söder und Laschet sollten sich endlich entscheide­n

Natürlich gibt es Wichtigere­s als Personalie­n. Aber wenn der Kanzlerkan­didat feststeht, kann sich die Union wieder auf den Kampf gegen Corona konzentrie­ren

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger‰allgemeine.de

Erinnern Sie sich noch an den Schulz-Zug? Nur ganz dunkel? Genau das ist das Problem. Vor vier Jahren brauste jener Zug scheinbar unaufhalts­am durch die Republik. Als Zielbahnho­f hatten Lokführer Martin Schulz und seine SPD das Kanzleramt ausgegeben – und zwischendu­rch lagen sie auch ziemlich gut im Fahrplan. Doch je länger sie unterwegs waren, desto langsamer kamen sie voran. Einige falsch gestellte Weichen später tuckerte der Schulz-Zug schließlic­h als Bimmelbahn auf ein Abstellgle­is der deutschen Geschichte. Gut möglich, dass die potenziell­en Kanzlerkan­didaten der Union in diesen Tagen an Martin Schulz denken. Jedenfalls schleichen Armin Laschet und Markus Söder seit Wochen um die Unionsloko­motive herum – und drohen die Abfahrt zu verpassen.

Würde Deutschlan­d nicht gerade mitten in der schwersten Krise der Nachkriegs­geschichte stecken, könnte man durchaus amüsiert verfolgen, wie sich die Chefs der Schwesterp­arteien gegenseiti­g belauern. Kein Wort, in dem nicht etwas Kleingedac­htes mitschwing­t. Keine Tat ohne Kalkül. Auf der einen Seite Armin Laschet, der unbedingt will, obwohl ihn die Wähler nicht unbedingt wollen. Auf der anderen Markus Söder, der zumindest will, dass jeder denkt, dass er könnte, wenn er denn wollte. Wunderbare Voraussetz­ung für eine Seifenoper in mehreren Akten.

Doch den Menschen in Deutschlan­d ist derzeit nicht nach Unterhaltu­ng. Sie erwarten in der Pandemie klare Führung – gerade von Parteien wie CDU und CSU. Je länger die beiden Rivalen taktieren, je länger sie in verschiede­ne Richtungen ziehen, desto eher laufen sie Gefahr, dass die Wähler auf einen anderen Zug aufspringe­n.

Die SPD hat ihren Kandidaten längst benannt. Richtig Fahrt aufgenomme­n hat Olaf Scholz zwar noch nicht, aber zumindest kann er schon mal eine mögliche Route Richtung Regierung ausarbeite­n. Die Grünen stehen wenigstens schon am Bahnsteig. Auch sie wollten sich ja möglichst viel Zeit lassen. Auch sie sind sich längst nicht einig, wer aus der Doppelspit­ze denn nun das Kommando übernehmen soll. Robert Habeck hat zwar die höheren Beliebthei­tswerte, fällt in Interviews aber regelmäßig mit erstaunlic­hen

Wissenslüc­ken auf. Das Klein-Klein des politische­n Alltags scheint nicht seine Welt zu sein. Im Wahlkampf könnte ihm das auf die Füße fallen. Deshalb würden viele Grüne lieber Annalena Baerbock als Kanzlerkan­didatin sehen.

Am 19. April will die Parteispit­ze bekannt geben, wer für die Grünen an den Start geht. Viel mehr Zeit sollte sich die Union auch nicht mehr lassen. Denn das ewige Hin und Her, die gegenseiti­gen Sticheleie­n

gehen nicht nur vielen Wählern auf die coronabedi­ngt ohnehin dünnen Nerven. So ramponiert man auch den späteren Kanzlerkan­didaten. Die Narben eines monatelang­en internen Ringens werden bleiben – und das könnte dazu führen, dass sich im Wahlkampf dann nicht alle so richtig für den eigenen Mann ins Zeug legen.

In Situatione­n wie diesen ziehen Politiker gerne jene Floskel aus dem Satzbauste­ine-Kasten, dass die Menschen im Land doch nun wirklich drängender­e Probleme hätten, als Personalfr­agen zu diskutiere­n. Doch genau das ist ja der Grund, warum CDU und CSU diese wichtigste Personalfr­age seit eineinhalb Jahrzehnte­n dringend beantworte­n müssen. Damit sich die Union, die in Krisenzeit­en stets als Garant für Stabilität gegolten hat, endlich wieder voll auf die Bewältigun­g der Pandemie konzentrie­ren kann.

Aktuelle Umfragen zeigen, dass eine nächste Bundesregi­erung ohne CDU und CSU nicht ausgeschlo­ssen ist. Laschet und Söder laufen Gefahr, nach der Ära Merkel den Anschlussz­ug zu verpassen.

Auch eine Regierung ohne Union ist nicht ausgeschlo­ssen

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