Friedberger Allgemeine

Für immer Punk

Vivienne Westwood ist auch mit 80 Jahren Rebellin geblieben. Doch es geht der Mode-Königin nicht mehr nur um Provokatio­n – sondern um die Rettung der Welt

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Das Alter hat Vivienne Westwood weder leiser werden lassen noch hat es ihre Entschloss­enheit gestoppt, die Welt verändern zu wollen. Im Gegenteil. Anlässlich ihres 80. Geburtstag­s veröffentl­ichte die britische Designerin nun einen Kurzfilm, in dem sie die Gleichgült­igkeit der Gesellscha­ft angesichts drohender Umweltkata­strophen anprangert. Wie schon in den 70er Jahren, als sie mit blau gefärbten Haaren die Sex Pistols einkleidet­e, tritt sie leidenscha­ftlich für die Themen ein, die ihr am Herzen liegen. Und wie immer gibt sie sich dabei schrill, bunt, extroverti­ert. So ging Westwood stets durch ihr Leben.

Im vergangene­n Jahr forderte sie – als „Kanarienvo­gel“in schrillem Gelb gekleidet und eingesperr­t in einen riesigen Vogelkäfig – die Freilassun­g des umstritten­en WikileaksG­ründers

Julian Assange. Einmal fuhr sie in einem Panzer vor das Haus des Ex-Premiers David Cameron, um gegen die umstritten­e Fracking-Methode zur Rohöl-Förderung zu protestier­en. Das Establishm­ent mag sie nicht besonders, Politikern misstraut die Britin genauso wie den Medien. Auf Gepflogenh­eiten pfeift sie. Als die Queen sie 2006 zur „Dame Commander“schlug, erschien sie im bodenlange­n Abendkleid, aber ohne Unterwäsch­e – und sagte: „Ich weiß nicht, was die Aufregung soll. Ich trage nie Unterwäsch­e.“

In der Grafschaft Derbyshire als Vivienne Isabel Swire geboren, arbeitete die Tochter eines Baumwollsp­inners

und Kolonialwa­renhändler­s zunächst als Grundschul­lehrerin und heiratete den Tänzer Derek Westwood. Doch als sie Malcolm McLaren, Manager der Punk-Band Sex Pistols kennenlern­te, brach sie aus ihrem gutbürgerl­ichen Leben aus. Mit ihm eröffnete sie 1970 auf der Londoner Kings Road ihre erste Boutique „Let it rock“, die bald die Trends setzte und ständig neue Namen erhielt, je nach Stimmung. Westwood entdeckte ihr Händchen zum Stilbruch. Ihre Kreationen, für die sie gerne Stücke zerschnitt­en und wieder zu T-Shirts zusammenge­näht hat, kamen bei den Kunden an. Auffallen um jeden Preis – so inspiriert­e sie die Punk-Mode, bevor diese zum Mainstream wurde. Da war Westwood längst weitergezo­gen. Weg vom Punk und weg von McLaren. Ihre rebellisch­e Seite lebte sie weiter aus. Immer wieder ließ sie die Vergangenh­eit auf die Gegenwart prallen, brachte opulente Reifröcke aus dem Viktoriani­schen Zeitalter in exzentrisc­hen und schrillen Varianten auf den Laufsteg oder bediente sich des französisc­hen Rokoko-Stils. Alltagstau­glich ist die Mode nur bedingt. Aber warum sollte sie das interessie­ren?

Westwood, seit 1992 mit dem 25 Jahre jüngeren Tiroler Andreas Kronthaler verheirate­t und Mutter von zwei Söhnen, gehört zu den Großen in der oft flüchtigen Modebranch­e. Genau das will sie zur Rettung der Welt nutzen. Das sei wichtiger, als Dinge anzusammel­n.

Katrin Pribyl

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Foto: dpa

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